Bei Swiss Steel sind nur noch 10 Prozent des Aktienkapitals im Streubesitz. Die Liquidität ist damit stark eingeschränkt. Unklar ist, weshalb die Aktionäre schon im Februar über den Rückzug von der Börse befinden sollen.
Der angeschlagene Stahlhersteller Swiss Steel hat es eilig. Die Aktionäre sollen bereits am 17. Februar an einer ausserordentlichen Generalversammlung über den Rückzug von der Schweizer Börse abstimmen.
Warum es dem Unternehmen derart pressiert, ist unklar. Eine schlüssige Erklärung war auf Anfrage nicht erhältlich.
Klar ist: Der Verwaltungsrat beschloss erst an seiner Sitzung am Donnerstag, den Aktionären die Dekotierung vorzuschlagen. Er hätte seinen Antrag auch erst an der nächsten ordentlichen Generalversammlung im Frühjahr zur Abstimmung bringen können.
Mickrige Börsenkapitalisierung
Wahrscheinlich hat sich bei Swiss Steel Resignation breitgemacht. Obschon das Unternehmen 2023 noch auf einen Umsatz von 3,2 Milliarden Euro gekommen ist und damit zu den grösseren verbliebenen Stahlherstellern in Europa zählt, scheint es bei Investoren kaum noch auf Interesse zu stossen.
Die Börsenkapitalisierung ist auf mickrige 67 Millionen Franken gesunken. Die Firma muss mittlerweile froh sein, wenn an der SIX Swiss Exchange pro Tag wenige tausend ihrer Aktien gehandelt werden. An manchen Tagen sind es sogar nur wenige hundert.
Die extrem tiefe Liquidität hat auch mit dem geringfügigen Streubesitz zu tun. Dieser liegt mittlerweile nur noch bei rund 10 Prozent.
Drei Hauptaktionäre
Zurzeit befinden sich fast zwei Drittel der Aktien im Besitz des Investmentvehikels Gravelpoint, hinter dem der Eigentümer des Autoimporteurs Amag, Martin Haefner, steht. Weitere knapp 13 Prozent des Kapitals werden von den beiden Vehikeln Liwet und AO Complexprom gehalten, die im Besitz russischer Investoren, einschliesslich des von den USA sanktionierten Financiers Viktor Vekselberg, stehen.
Der dritte Grossaktionär mit einem Anteil von zurzeit noch rund 10 Prozent ist Peter Spuhler. Der Unternehmer, der vor allem wegen seines Engagements beim Schienenfahrzeughersteller Stadler Rail bekannt ist, hat sich indes wie die russischen Investoren das Recht gesichert, via eine Put-Option seinen verbleibenden Anteil Haefner zu veräussern.
Haefner hat seine Beteiligung im Zuge von mehreren Kapitalerhöhungen, die bei anderen Aktionären kaum noch auf Interesse stiessen, sukzessive erhöht. Ohne ihn, das steht fest, wäre der stark defizitäre Stahlhersteller Swiss Steel längst insolvent.
Ein Going-private lehnt Haefner ab
Das Vermögen von Haefner wird auf rund 5 Milliarden Franken geschätzt. Für ihn wäre es somit finanziell ein Leichtes, im Rahmen eines sogenannten Going-private allen Aktionären ein Angebot zu unterbreiten. Doch lehnt er dies seit Jahren ab.
Auf Anfrage teilt Haefner mit, den Beschluss des Verwaltungsrats zu unterstützen. «Es ist ein Entscheid zum Vorteil der Gesellschaft. Für die Mitarbeitenden, Kunden und Lieferanten ändert sich dadurch nichts, und die Kleinaktionäre behalten alle ihre Rechte.»
Der geplante Rückzug von der Schweizer Börse entbindet Swiss Steel von der Pflicht, ausführlich über den Geschäftsgang Auskunft zu erteilen. Das Unternehmen wird zwar weiterhin einen Geschäftsbericht veröffentlichen, doch wird dieser künftig deutlich schmaler ausfallen. Auch werden Generalversammlungen im kleineren Rahmen stattfinden. Bis vor wenigen Jahren richtete der Konzern solche noch selbstbewusst im Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL) aus.
Wie viel Kosten dank dem Verzicht auf die Kotierung eingespart werden können, wollte Swiss Steel nicht angeben. Angefragte Kommunikationsspezialisten beziffern den Aufwand indes selbst für kleinere kotierte Unternehmen in der Schweiz auf mehrere hunderttausend Franken pro Jahr.
Viele betroffene Kleinaktionäre
Angesichts seiner hohen Verluste ist der Stahlhersteller darauf angewiesen, Einsparungen zu erzielen, wo es nur geht. Erst im vergangenen November hatte er angekündigt, 800 Vollzeitstellen im In- und Ausland abzubauen. Per Mitte 2024 waren bei Steel noch rund 7500 Mitarbeitende beschäftigt.
Den verbliebenen Kleinaktionären will Swiss Steel die Möglichkeit geben, ihre Aktien künftig in einem ausserbörslichen Rahmen zu handeln. Dadurch dürfte der Handel aber umständlicher und teurer werden.
Dem Vernehmen nach sind noch immer mehrere tausend Personen an Swiss Steel beteiligt, viele von ihnen mit Wohnsitz in der Zentralschweiz. Die Geschichte des Unternehmens geht bis 1842 zurück, und seither wurden manche seiner Aktien mehrmals vererbt.