Sonntag, September 8

Ob «Daddy Cool» oder «Rasputin»: Wie am Fliessband schuf der Musikproduzent Frank Farian tanzbare Welthits. Nun ist er gestorben.

Den internationalen Erfolg verdankte er einem pragmatischen Verhältnis zur Musik. Wo andere sich als Künstler zu verwirklichen oder als Stars in Szene zu setzen versuchten, begnügte sich Frank Farian damit, durch Pop-Musik Geld zu verdienen. Die professionelle Nüchternheit tat seinem Talent keinen Abbruch. Vielmehr stiftete sie ihn dazu an, herkömmliche Regeln und Gepflogenheiten hinter sich zu lassen, um die Effektivität seiner Produktionen zu erhöhen.

Dass er ziemlich kaltblütig über Qualitäten wie Originalität oder Authentizität hinwegzugehen bereit war, um seine poppigen Mixturen stattdessen aus unterschiedlichen Töpfen und Talenten zu speisen, mochte etwas mit seinem ersten Beruf zu tun gehabt haben. Geboren am 18. Juli 1941 in Kirn und aufgewachsen in Saarbrücken, machte der Junge zuerst eine Lehre als Koch.

Von der Bühne ins Studio

Die Musik war anfangs bloss ein Hobby. Frank Farian trat in den sechziger Jahren mit einer Rockband auf, er sang Standards aus dem Great American Songbook oder deutsche Schlager. Irgendwann muss er gemerkt haben, dass er sich im Studio, das er sich zu Hause eingerichtet hatte, wohler fühlte als auf der Bühne. Mit Keyboards und Mischpult bastelte er an Songs herum. Ob es sich um eigene oder fremde handelte, scheint ihm nicht so wichtig gewesen zu sein.

1974 nahm er mit seiner Bass- und Falsett-Stimme seinen Song «Baby Do You Wanna Bump» auf, den er bereits unter dem Namen Boney M. präsentierte. Aber erst in den folgenden Jahren stellte er für dieses Projekt eine Gesangsgruppe zusammen: Liz Mitchell, Marcia Barrett, Maizie Williams und Bobby Farrell stammten alle aus der Karibik. Die Band belieferte die Charts mit Hits wie «Daddy Cool» (1976) oder «Rivers Of Babylon» (1979). Bald wurde bekannt, dass Maizie Williams und Bobby Farrell selbst nicht sangen; Letztgenannter liess seine Lippen bloss synchron bewegen zu dem Bass-Gesang, den Farian im Studio mit seiner eigenen Stimme aufgenommen hatte.

Dass Farrell und Williams von Farian angeheuert worden waren, hatten sie ihrem Aussehen zu verdanken. Im Zeichen des Disco-Hypes schienen ihm schwarze Interpreten besonders attraktiv. Boney M. präsentierte er als verführerische Einheit von Pimp und singenden Animierdamen. Mit solchen affirmativ-rassistischen Stereotypen hatten Boney M. in der ganzen Welt Erfolg, namentlich auch in Afrika.

Den Erfahrungen mit Boney M. verdankte Frank Farian die Einsicht, dass Pop-Musik auch dem Auge etwas bieten sollte. Da es sich bei Aussehen und Musikalität um verschiedene Qualitäten handelt, sollten sie durch unterschiedliche Talente vertreten sein in seinen Produktionen.

Der Fall Milli Vanilli

Das zeigte sich in Farians nächstem international durchschlagenden Projekt: Milli Vanilli. Die durchtrainierten, dunkelhäutigen Tänzer Fab Morvan und Rob Pilatus repräsentierten hier ein Repertoire, das in Farians Studio von routinierten Soul-Sängern aufgenommen worden war. Dank Hits wie «Girl You Know It’s True» wurde das Duo weltberühmt. Als Morvan und Pilatus sich von ihrem Mentor befreien wollten, ging Farian selbst an die Öffentlichkeit. Seine Erklärung, bei Milli Vanilli handle es sich um ein Fake-Gesangsduo, wurde zum Skandal.

Gerade davon handelt auch der Spielfilm «Girl You Know It’s True», der Frank Farians Namen nochmals in Erinnerung ruft. Tatsächlich verdient der Produzent, der 800 Millionen Singles und Alben verkauft haben soll, auch Respekt für seine musikalischen Innovationen. Frank Farian, der am Dienstag 82-jährig in seinem Haus in Miami gestorben ist, hat zwar keinen Musikstil geprägt, aber er war Pionier einer Methode. Dass man Pop aus Versatzstücken zusammenbastelt, um die Illusion grosser Gefühle zu erwirken – heute ist das der popmusikalische Normalfall.

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