Montag, Oktober 7

Vor bald sechzig Jahren fand der erste Aussenbordeinsatz statt. Jetzt wollen erstmals Touristen ihr Raumschiff verlassen. Was sie antreibt, ist nicht nur Abenteuerlust.

Der amerikanische Geschäftsmann und Abenteurer Jared Isaacman will es wissen. Der 41-Jährige hat ein Raumschiff von SpaceX gechartert, mit dem er und drei weitere Amateur-Astronauten in den Weltraum fliegen wollen. Der Start soll am 27. August stattfinden. Für Isaacman ist das nicht der erste Weltraumflug. Schon 2021 hatte der Milliardär in einem Raumschiff von SpaceX die Erde umrundet. Es war der erste Flug, bei dem keine professionellen Astronauten an Bord waren.

Auch für die Polaris Dawn genannte Mission hat sich Isaacman etwas Besonderes vorgenommen. Er und Sarah Gillis, eine leitende Ingenieurin von SpaceX, wollen in einer Höhe von 700 Kilometern aus ihrem Raumschiff aussteigen und als erste Amateur-Astronauten einen Weltraumspaziergang machen. Dafür hat die vierköpfige Crew fast zwei Jahre lang trainiert.

Der erste Weltraumspaziergang endete fast tödlich

Ein Weltraumspaziergang gehört zu den schwierigsten Aufgaben eines Astronauten. Den russischen Kosmonauten Alexei Leonow kostete er fast das Leben. Leonow hatte 1965 als erster Mensch sein um die Erde kreisendes Raumschiff verlassen. Der Weltraumspaziergang dauerte nur zwölf Minuten. Doch im Vakuum des Weltraums blähte sich sein Raumanzug so stark auf, dass er sich kaum mehr bewegen konnte und nicht mehr durch die enge Luftschleuse passte. Leonow war gezwungen, Druck aus seinem Anzug abzulassen, um wieder ins Raumschiff zu gelangen. Wie bei einem Taucher, der zu schnell auftaucht, plagten ihn dabei Dekompressionsbeschwerden.

Aleksei Leonov's First Spacewalk

Inzwischen haben Weltraumspaziergänge einiges von ihrem Schrecken verloren. Seit Dezember 1998 haben über 270 Astronauten die Internationale Raumstation für einen Aussenbordeinsatz verlassen. Der längste dauerte fast neun Stunden. Tödliche Unfälle gab es in dieser Zeit zwar nicht, gefährliche Situationen jedoch schon. So musste der ESA-Astronaut Luca Parmitano 2013 einen Aussenbordeinsatz abbrechen, weil in seinem Helm Wasser hin- und herschwappte.

Stundenlang in klobigen Anzügen in der Schwerelosigkeit Reparaturen auszuführen, kann körperlich sehr anstrengend sein. Auf Isaacman und Gillis warten allerdings keine Wartungsarbeiten. Strenggenommen ist das, was sie vorhaben, noch nicht einmal ein Weltraumspaziergang. Während ihres rund 20-minütigen Aussenbordeinsatzes werden ihre Füsse stets fixiert sein. Man wird also keine Bilder von Astronauten zu sehen bekommen, die frei durch den Weltraum schweben.

Die Mission ist mehr als ein Abenteuer

Trotzdem wäre es falsch, die Polaris-Dawn-Mission als Egotrip eines reichen Abenteurers abzutun. Mit der Mission betreten Isaacman und SpaceX in mehrfacher Hinsicht Neuland. Die Mission dient unter anderem dazu, die neuen Raumanzüge zu testen, die SpaceX in den letzten Jahren entwickelt hat.

Die Anzüge sind aus flexiblen Materialien gefertigt und verschaffen den Astronauten mehr Bewegungsfreiheit. Dadurch erübrigt es sich, beim Flug zwei Anzüge mitzuführen. Beim Start und bei der Landung werden die Astronauten die gleichen Raumanzüge tragen wie beim Aussenbordeinsatz.

Auch die beiden Astronauten, die während des Weltraumspaziergangs im Raumschiff bleiben, müssen dieselben Anzüge tragen. Denn das «Crew Dragon»-Raumschiff von SpaceX besitzt keine Luftschleuse. Beim Öffnen der Ausstiegsluke entweicht die Kabinenluft in den Weltraum. Auch die Zurückbleibenden werden also dem Vakuum des Weltraums ausgesetzt sein.

Vor dem Aussenbordeinsatz müssen sich alle Crewmitglieder einer Prozedur unterziehen, die den Symptomen einer Taucherkrankheit vorbeugen soll. Sie müssen über mehrere Stunden reinen Sauerstoff einatmen, um den Stickstoff aus ihrem Blut zu verdrängen. Anderenfalls könnte das Blut bei einem plötzlichen Druckabfall zu sprudeln beginnen.

So hoch hinaus wie seit fünfzig Jahren nicht mehr

Ungewöhnlich ist auch die Trajektorie, auf der das Raumschiff von SpaceX um die Erde kreisen wird. Im erdfernsten Punkt seiner elliptischen Umlaufbahn wird der Abstand zur Erde 1400 Kilometer betragen. So weit haben sich Astronauten seit der letzten Apollo-Mission zum Mond nicht mehr von der Erde entfernt. Zum Vergleich: Die Internationale Raumstation kreist in einem Abstand von 400 Kilometern um die Erde.

Die hohe Umlaufbahn geht mit einer erhöhten Strahlenbelastung einher. Das «Crew Dragon»-Raumschiff wird immer wieder in den sogenannten Van-Allen-Gürtel eintauchen, der sich wie ein Ring um die Erde legt. Hier sammeln sich Teilchen, die mit dem Sonnenwind und der kosmischen Strahlung zur Erde gelangen. Während des Fluges sollen die Auswirkungen der erhöhten Strahlung auf das Raumschiff und den menschlichen Körper untersucht werden. Langfristig dient das der Vorbereitung auf spätere Flüge zum Mars. Diese sind ein erklärtes Ziel von Elon Musk, dem Gründer von SpaceX.

Auch in technologischer Hinsicht möchte SpaceX von der Polaris-Dawn-Mission profitieren. Während des Fluges soll eine Laserverbindung zwischen dem Raumschiff und den Starlink-Satelliten von SpaceX aufgebaut werden. Diese dienen in erster Linie dazu, Kunden ohne einen terrestrischen Anschluss mit dem Internet zu verbinden. In Zukunft könnten aber auch Satelliten, Weltraumteleskope oder Raumschiffe über das Satellitennetzwerk mit der Erde kommunizieren.

Insgesamt sind während der fünftägigen Mission fast vierzig wissenschaftliche Experimente geplant. Damit unterstreicht Isaacman, dass Abenteuerlust nicht sein einziger Beweggrund ist. In der Vergangenheit hat er wiederholt erklärt, dass er mit seinem Vermögen neue Technologien entwickeln will, um die Erkundung des Weltraums voranzubringen. Dafür ist er bereit, nicht nur finanzielle, sondern auch persönliche Risiken einzugehen.

Geht es nach Isaacman, ist die Polaris-Dawn-Mission erst der Anfang. Zusammen mit SpaceX plant er zwei weitere Missionen. Wann diese stattfinden sollen und welchem Zweck sie dienen, steht noch nicht fest. Es gibt Überlegungen, zum Hubble-Weltraumteleskop zu fliegen und dieses auf eine höhere Umlaufbahn anzuheben. Sinn ergeben würde eine solche Mission allerdings nur dann, wenn man gleichzeitig die alternden Instrumente austauschte, die die Lage des Teleskops regulieren. Ein solcher Aussenbordeinsatz wäre allerdings alles andere als ein Spaziergang.

Folgen Sie der Wissenschaftsredaktion der NZZ auf X.

Exit mobile version