Mittwoch, März 19

Wie schnell soll das Armeebudget erhöht werden? Im Bundeshaus arbeiten bürgerliche Sicherheitspolitiker an einer neuen Allianz. Der Präsident der Partei, auf die es ankommt, ist skeptisch.

2030 oder 2035? Um diese zwei Jahreszahlen dreht sich ein hartnäckiger Streit im Bundeshaus – ein Streit, bei dem laut manchen Beteiligten das Schicksal der Schweiz auf dem Spiel steht: Bis wann soll die anvisierte Erhöhung des Armeebudgets auf 1 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) umgesetzt werden? Zuerst hiess es: bis 2030. Dann zeigte sich, wie schwierig das wird. Immerhin geht es jährlich wiederkehrend um vier Milliarden Franken. Prompt haben Bundesrat und Parlament Ende letzten Jahres in einer extrem knappen Abstimmung die Frist bis 2035 erstreckt. Ist damit das letzte Wort gesprochen?

Nicht, wenn es nach dem Armeechef Thomas Süssli geht. Er kämpft im Hintergrund weiterhin für eine erneute Kehrtwende – und er verhehlt dies auch nicht, obwohl er als Untergebener an die Entscheide der politischen Führung gebunden ist. Und obwohl laut mehreren gut informierten Quellen auch seine Chefin, die Verteidigungsministerin Viola Amherd, die Variante 2035 im Bundesrat mitgetragen hat.

Dennoch hat Süssli am Montag via CH-Media-Zeitungen einmal mehr öffentlich dargelegt, für wie wichtig er das Erreichen des Budgetziels bis 2030 hält. Er ging nicht mehr so weit wie Anfang Februar, als er sagte, die Armee werde wegen der fehlenden Gelder das Heer verlieren. Aber die Aussagen waren nach wie vor deutlich: Unter anderem sagte er, wegen der Erstreckung bis 2035 sei vorübergehend «das Heer als Gesamtsystem nicht mehr voll einsatzfähig». Die Intervention des Armeechefs ist doppelt brisant.

«Das wäre schlecht für die Wirtschaft»

Zum einen offenbart er ein Rollenverständnis, das im Bundeshaus sehr unterschiedlich gewürdigt wird. Zum anderen wird sein Appell an das Parlament tatsächlich gehört. Kann Süssli die Mehrheit wieder kippen?

Einer, der die Fäden zieht, ist der SVP-Ständerat Werner Salzmann: «Wir sind daran, eine Allianz für eine glaubwürdige Armeefinanzierung zu schmieden», sagte er am Dienstag am Rande der Session. Die SVP und die FDP seien sicher an Bord, mit Vertretern der Mitte seien Gespräche am Laufen. Wann die Allianz stehe und wie sie vorgehen wolle, sei offen. Denkbar ist, dass sie erst in der Budgetdebatte im Dezember intervenieren wird.

Das Ziel aber steht fest: Das Armeebudget soll so rasch wachsen, wie ursprünglich geplant. Dazu müssen die jährlichen Ausgaben bis 2030 von heute 5,6 auf 9,5 Milliarden Franken steigen. Ist das nicht etwas viel in so kurzer Zeit? Die Frage stellt sich Salzmann nicht: «Es geht um die Sicherheit von Land und Leuten.»

Aber Salzmann kennt die Bedenken seiner Gegner: Dass die Mitte-links-Mehrheit auf die Bremse steht, hat primär mit dem Geld zu tun. Gross ist die Sorge, dass andere Bereiche wie die Landwirtschaft, die Bildung oder der Regionalverkehr massiv sparen müssen, wenn die Armee so rasch so viel mehr Geld erhält.

Eine Alternative wäre, einen Teil der Gelder für das Militär mit einer zweckgebundenen Steuererhöhung zu beschaffen. Doch dies lehnt Salzmann trotz der Dringlichkeit des Anliegens nach wie vor ab. «Das wäre schlecht für die Wirtschaft, wir müssen einen anderen Weg finden.» Kürzlich hat er die Idee einer «Wehranleihe» lanciert, um die Nachrüstung zu beschleunigen. Doch die Schuldenbremse lässt sich nicht so einfach umgehen, eine Neuverschuldung ist verboten.

«Politisch vollkommen unrealistisch»

Entschieden wird das Kräftemessen – wie fast alles im Bundeshaus – im Zentrum: Dass das Parlament vom ursprünglichen Ziel abgerückt ist, liegt in erster Linie an der Mitte-Partei. Diese hat angesichts der Engpässe in der Bundeskasse im Dezember den Kurs des Bundesrats unterstützt und damit auch die Verlängerung auf 2035.

Und heute? Mittlerweile sind die Konsequenzen benannt, der Armeechef hat die Dringlichkeit mehrfach betont – ist die Partei der Verteidigungsministerin nun bereit, auf den Entscheid zurückzukommen und sich wieder für das Ziel 2030 auszusprechen?

«Wenn mir jemand einen realistischen Plan präsentiert, wie sich das Ziel tatsächlich erreichen lässt, können wir gerne darüber sprechen», sagt der Parteipräsident Gerhard Pfister. Was er hingegen ablehne, sei eine «billige Alibiübung» für die Tribüne: «Einfach noch mehr Geld zu verlangen, ist unredlich.» Es genüge nicht, im Finanzplan höhere Beträge für die Armee einzusetzen, ohne zu sagen, woher das Geld kommen solle.

«Es ist sicherheits- und finanzpolitisch verantwortungslos, wenn wir als Parlament unrealistische Forderungen in die Welt setzen.» Damit sei niemandem gedient – am wenigsten der Armee, die nach wie vor keine Planungssicherheit habe, die sich nicht darauf verlassen könne, dass die in Aussicht gestellten Beträge später tatsächlich zur Verfügung stünden.

SVP nimmt Armeechef in Schutz und greift Amherd an

In einem Punkt legt sich Pfister fest: Das Armeebudget ausschliesslich über Einsparungen in anderen Bereichen bis 2030 auf 1 Prozent des BIP erhöhen zu wollen, sei «politisch vollkommen unrealistisch». Er könne sich nicht ansatzweise vorstellen, in welchen Bereichen Kürzungen im notwendigen Ausmass mehrheitsfähig sein könnten. Schon nur die Erhöhung auf 2035 werde schwierig.

Wäre der Mitte-Chef denn bereit, über eine Steuererhöhung zugunsten der Armee zu sprechen? «Nur, wenn dies wirklich notwendig wäre, um die Sicherheit unseres Landes zu gewährleisten.» Davon gehe er aber nicht aus, sagt Pfister. Er verlasse sich in dieser Frage auf die Regierung: «Der Gesamtbundesrat mit einer Mehrheit von SVP- und FDP-Mitgliedern sowie die Verteidigungsministerin haben uns erklärt, dass eine Erstreckung auf 2035 sicherheitspolitisch zu verantworten ist. Ich habe keinen Anlass, an dieser Einschätzung zu zweifeln.»

Wie dieser Kampf politisch ausgeht, ist kaum absehbar. Unter Beobachtung stehen der Armeechef und die Verteidigungsministerin. Amherd hat Süssli nach der sonderbaren Verwirrung um angebliche «Liquiditätsengpässe» der Armee sowie nach seiner umstrittenen Aussage, er könne die heutige Situation «nicht verantworten», im Interview mit der NZZ soeben ihr Vertrauen ausgesprochen.

Die SVP hingegen verwendet bereits Süsslis Aussagen, um Amherd politisch anzugreifen. Bei der Präsentation eines Papiers zur Sicherheitspolitik erklärte die Partei am Dienstag, der Chef der Armee habe mit seinem «Notruf» nur seine Pflicht getan. Die Verantwortung für das «Chaos im VBS» liege stattdessen bei der Bundesrätin. Wenn nicht alles täuscht, wird das Verhältnis zwischen Amherd und dem Armeechef in den nächsten Monaten auf die Probe gestellt.

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