Freitag, Oktober 4

Daniel Ducrey leitet eine der grössten Immobiliengesellschaften der Schweiz. Im Gespräch mit der NZZ erklärt er, warum ideologisch geprägte Politik den Wohnungsbau ausbremst.

Herr Ducrey, «günstiger» Wohnraum ist ein rares Gut in der Stadt Zürich. Privaten Immobilienfirmen wie der Mobimo wird nachgesagt, dass sie nichts dazu beitragen, dass günstiger Wohnraum entsteht.

Günstigen Wohnraum kann man nicht einfach so erstellen. Wohnungen werden im Laufe der Zeit günstiger, das Mietgesetz lenkt es so. Am teuersten sind sie, wenn sie ganz neu sind, aus zweiter Hand sind sie günstiger. Ähnlich wie Autos. Momentan ist die Stimmung in der Politik aber so, dass man von Privaten sozusagen verlangt, dass sie Neuwagen herstellen und zum Preis einer Occasion auf den Markt bringen.

Stimmt demnach der Vorwurf, dass Private nichts dazu beitragen, um die Zahl günstiger Wohnungen zu erhöhen?

Wohnungen sind in den letzten zwanzig bis fünfzehn Jahren, bevor eine Sanierung nötig ist, am günstigsten. Die Mobimo hat durchaus solche Wohnungen im Portfolio. Man lässt ein Gebäude älter werden, bis man die Wohnungen nicht mehr gut vermieten kann, weil sie den Ansprüchen der potenziellen Mieter nicht mehr gerecht werden. Das kann ein Auslöser sein, dass man ein Sanierungsprojekt ausarbeitet. Es ist nicht so, dass wir jeden Tag unser Portfolio durchforsten auf der Suche nach dem nächsten Sanierungsprojekt.

Wie schätzen Sie den Wohnungsmarkt ein?

Es gibt zwei Arten, das anzuschauen. Die einen sagen, es hat genug Wohnungen, machen wir sie günstiger. Die anderen sagen, es braucht mehr Wohnungen, dann kommen auch die Preise runter. Was mir auffällt, sind die widersprüchlichen Zahlen, die zum Zürcher Wohnungsmarkt kursieren. Einerseits ist da eine sehr tiefe Leerwohnungsziffer, andererseits verzeichnete die Stadt Zürich allein im letzten Jahr rund 42 000 Umzüge.

Alles nur halb so schlimm also?

Der Markt scheint also liquider zu sein, als die Leerstandsziffer suggeriert. Mir fehlt aber eine quantifizierte Aussage darüber, wie viele Wohnungen in der Stadt Zürich konkret fehlen. Gemäss einer Studie von Wüest Partner fehlen in der Schweiz bis Ende Jahr 35 000 Wohnungen. Bedeutet das, dass bis Ende Jahr 35 000 Haushalte auf der Strasse stehen? Wenn dieses Risiko besteht – und ich gehe davon aus, dass es so ist –, dann muss man es ernst nehmen. Die Politik erweckt bei mir allerdings nicht den Eindruck, dass sie eine drohende Wohnungsnot ernst nimmt.

Was sollte konkret passieren?

Die Diskussionen rund um das Thema Wohnen werden vor allem mit guten Vorsätzen und Ideologien geführt. Der Faktor Zeit wird nicht berücksichtigt. Die innere Verdichtung einer Stadt bedeutet, an einem sehr komplexen Konstrukt etwas zu verändern, ähnlich wie eine Operation am offenen Herzen. Zusätzlicher Wohnraum braucht also auch unter idealen Voraussetzungen Zeit. Ein Wohnungsmangel ist ein Problem, das nicht verschwinden wird. Im Gegenteil – es baut sich aus. Wenn es der Politik also ernst wäre, kurzfristig etwas zu erreichen, dann müsste sie all den Verhinderern mal die rote Karte zeigen. Davon gibt es viele: Den einen geht es um eine Ideologie, bei anderen um egoistische Nachbarschaftsprobleme.

Sie sehen also ein Ungleichgewicht zwischen der Lautstärke in der Politik und der Dringlichkeit des Problems?

Ja. Unsere Gesellschaft muss Prioritäten setzen. Die Idee «mehr bezahlbarer Wohnraum» wird intensiv bewirtschaftet und ist geprägt von einem Exklusivdenken: Nur was diese eine Zielgruppe sich wünscht, darf entstehen – und nichts anderes. Für die Gesellschaft ist die Dynamik toxisch. Von diesem gegenseitigen Blockieren profitieren zwei Gruppen: die bestehenden Mieter und die Besitzer. Denn je grösser die Nachfrage, umso mehr Wert hat mein Gut. Ich plädiere sehr dafür, dass alle – Private, Genossenschaften, die Stadt – zusammenarbeiten und man Rahmenbedingungen schafft, die das Bauen fördern.

In den letzten Jahren gab es verschiedene Beispiele für Projekte in Zürich, die am Widerstand des Stadtparlaments gescheitert sind. Welche Auswirkungen haben solche Episoden auf private Bauherren?

Zürich muss aufpassen. Das Beispiel Basel zeigt: Wenn die Politik die Regeln einseitig verschärft, kommt es nicht gut.

Sie sprechen den verschärften Wohnschutz in Basel-Stadt an?

Genau. In Basel wird seither kaum noch gebaut. Die Investoren haben auch für mich überraschend scharf auf das neue Gesetz reagiert.

Auch im Kanton Zürich wurde eine Wohnschutz-Initiative lanciert. Genf und nun auch Basel zeigen aber, dass Wohnschutz kein Allheilmittel ist. Warum, denken Sie, ist die Idee dennoch populär?

Sie lässt sich politisch gut präsentieren, und wenn man nicht zu lange darüber nachdenkt, klingt Wohnschutz auch ganz gut – was soll man dagegen haben, wenn dem Vermieter quasi verboten wird, mir zu kündigen, und er bei Sanierungen die Miete nicht erhöhen darf? Für den Einzelnen klingt das toll. Eine vertiefte Auseinandersetzung zeigt aber, dass die negativen Folgen nicht zu unterschätzen sind. Diese gut zu kommunizieren, ist schwieriger als die Vorteile. Man muss sich im Klaren sein: Wenn man den Immobiliensektor so umgestaltet, dass niemand mehr etwas daran verdient, mag das kurzfristig ein Gewinn für den einzelnen Mieter sein, aber man bringt einen ganzen Wirtschaftszweig in Gefahr.

Noch ist es nicht so weit in der Stadt Zürich . . .

Noch nicht. Aber es gibt schon heute Sachen, von denen die Mobimo momentan möglichst die Finger lässt. Etwa von Projekten, die einen Gestaltungsplan oder Sondernutzungspläne erfordern. Und wir sind damit nicht allein. Stattdessen bauen wir innerhalb der Zonenordnung. So können wir die Hürde, welche die öffentliche Hand mit ihren Extrempositionen momentan darstellt, umgehen.

Dann bleiben immer noch die Einsprachen aus der Nachbarschaft.

Das stimmt, aber es ist insgesamt besser planbar, und man hat doch die Möglichkeit, ein gutes Projekt umzusetzen, das einen Dienst erweist und auch eine vernünftige Rendite abwirft. Aus raumplanerischer Sicht ist dieser Trend nicht sinnvoll, weil so keine Verdichtung stattfindet.

Die Stadt vergibt damit ein griffiges Mittel, Private im Gegenzug für die Mehrausnützung zum Bau von günstigen Wohnungen zu bewegen.

Das ist so. Sobald man einen Gestaltungsplan macht, gibt es eine öffentliche Diskussion um das Projekt. Diese Auseinandersetzung mutet man Privaten zu, weil sie am Schluss einen Mehrwert haben. Lange Zeit hat das gut funktioniert, aber in einem Klima, wie es aktuell vorherrscht, mit absolutem Gegenwind von der gut mobilisierenden linken Seite des Parteienspektrums, hat man in den Städten kaum noch Chancen. Deshalb ist es eine Überlegung wert, sich Projekten in der Peripherie zuzuwenden. Die Lösung des Wohnproblems wird ohnehin nicht im Stadtzentrum passieren.

Warum nicht?

Es ist fast nicht möglich, in der Stadt zu viele Wohnungen zu produzieren. Alles, was gebaut wird, wird gefüllt werden.

Das heisst, genügend Wohnungen und tiefere Mieten sind in der Stadt per se illusorisch?

Man kann das Wohnen nicht der ökonomischen Logik entziehen. Solange Menschen in einer wirtschaftlichen Verbindung zueinander stehen – in Genossenschaften wie auch anderswo –, sind die ökonomischen Parameter Teil davon. Je gesuchter ein Gut, desto eher sind die Leute bereit, mehr zu bezahlen, um es zu bekommen. Dieser Grundgedanke stimmt auch in der Wohndebatte. Wenn der Besitzer nun aber nicht den Preis verlangen kann, den der Markt zu zahlen bereit ist, weil das Gesetz es ihm verbietet, wird der Mieter es von einem Untermieter verlangen. Die Ökonomie findet ihren Weg.

Die linken Parteien sind sicher, ein Mittel dagegen gefunden zu haben: Regulierungen.

Klar, man kann eine Regulierung nach der anderen aufstellen. Das ist aber nicht die Lösung. Besser wäre, das Angebot zu erhöhen und so den Druck auf die Stadt zu nehmen. Daran, dass das Wohnen in der Stadt teurer ist als ausserhalb, wird sich zwar nichts ändern. Das Gefälle sollte aber weniger steil sein.

Warum ist es in der Agglomeration einfacher, zu bauen?

Die Bevölkerung und die politischen Parteien sind positiver eingestellt, die Rahmenbedingungen sind unterstützender.

Machen Sie sich keine Sorgen, dass die Stimmung gegenüber privaten Immobilienfirmen in der Agglomeration ähnlich kippt wie in der Stadt Zürich?

Klar kann sie kippen. Deshalb ist es wichtig, dass wir beweisen, dass unsere Projekte der Bevölkerung einen Mehrwert bringen. Wenn uns das gelingt – und diesen Anspruch, etwas zu bauen, das langfristig gut ist, haben wir –, dann sollte es nicht so weit kommen. Zudem bin ich überzeugt, dass das Pendel auch in der Stadt irgendwann zurückschwingt. Momentan ist es ganz schwierig, aber das ist eine Momentaufnahme.

Welchen Mehrwert bringen private Wohnbauten denn?

Die Wohnungen in der Schweiz sind im Vergleich zum umliegenden Ausland besser, der Baustandard und der Anspruch an die Architektur sind höher. Das, was Private in der Schweiz an Wohnraum produzieren, generiert einen Viertel aller Renten – es gibt also viele, die davon profitieren. Zudem bietet der Sektor Tausende Arbeitsplätze. Der Wandel in Richtung Nachhaltigkeit wird durch institutionelle Investoren getrieben. Auch das ist eine Leistung, die der ganzen Gesellschaft zugutekommt. All das haben wir viel zu wenig kommuniziert. So haben wir zugelassen, dass das aktuelle Narrativ in der Politik dominiert.

Das Narrativ von den bösen Immobilienhaien.

Genau. Da müssen wir aus der Immobilienwirtschaft ein «mea culpa» machen. Wir haben es in den letzten dreissig Jahren versäumt, zu verdeutlichen, dass die Immobilienwirtschaft einen ganz wichtigen Beitrag an die Gesellschaft leistet, indem sie Qualitätsflächen zum Wohnen zur Verfügung stellt. Und es geht vergessen, dass in Genossenschaften nicht nur Heilige sitzen. Das ist keine Anklage, es braucht auch Genossenschaften und gemeinnützige Wohnbauträger. Ich schätze die Zusammenarbeit mit ihnen sehr. Wir haben kürzlich gemeinsam mit der Logis Suisse in der Manegg ein grosses Projekt umgesetzt, und in Köniz steht bereits das nächste an.

Wie begründen Sie diese Überzeugung, dass die Stimmung in Sachen Bauen in der Stadt für Private wieder besser wird?

Wir haben grosse Zyklen, in den 1970er und 1980er Jahren hatten wir eine Stadtflucht. Die Städte waren schmutzig, sie waren ungesund und gefährlich, das Drogenproblem kam auf und wurde immer markanter. Die bürgerlichen Regierungen machten die Stadt wieder sicher. Nach ihnen kamen die Linken und machten die Stadt wieder sehr lebenswert. In dieser Welle befinden wir uns aktuell, ich nehme aber nicht an, dass sie unendlich ist. Es ist wie alles im Leben. Aber dieser Umschwung ist noch weit weg.

Wenn Sie der Politik eine Wunschliste überreichen könnten, wie sähe sie aus?

Dass alle Beteiligten sich darauf einigen könnten, den ideologischen Hut abzulegen und die Wohnthematik sach- und faktenbasiert zu diskutieren. All denjenigen, die keinerlei positiven Beitrag leisten, aber extrem laut reden, könnte man so den Wind aus den Segeln nehmen. Wenn es so bleibt, wie es ist, dann steuern wir auf ein soziales Problem zu. Wir brauchen klare Fakten und rasche Entscheidungen von der Politik.

Exit mobile version