Montag, September 16


Kampagne in der Kritik

Mit einer gross angelegten Werbekampagne feierte Adidas die Rückkehr des Retro-inspirierten Schuhs SL72 OG. Im Mittelpunkt stand das Supermodel Bella Hadid – zumindest bis es zu einer politischen Diskussion kam.

Und schon wieder hat sich ein Modelabel mit einer Werbekampagne in einen Skandal hineinmanövriert. Nach Balenciaga – noch immer boykottieren manche das Modehaus seit dem globalen Skandal um zwei Werbekampagnen 2022 – wird nun der deutsche Sportartikelhersteller Adidas heftig kritisiert. Mittendrin das Model Bella Hadid und ein auf den ersten (aber wirklich nur auf den ersten) Blick unverdächtiger Sneaker. Was ist geschehen?

Die Kampagne

Schon im Februar 2024 wurde Bella Hadid in New York City in einem Adidas-Sneaker fotografiert, der, wie schon der Samba und der Gazelle davor, auf einem Retro-Modell basiert, dem SL72 OG. Das ist bekannt, weil generell jede Outfit-Wahl von Bella Hadid bekannt ist: Das kalifornische Model mit palästinensischen Wurzeln gilt dank seinem vielbeachteten Street-Style seit einigen Jahren als wichtigster Barometer, was Modetrends angeht.

Mitte Juli lancierte Adidas dann eine grosse Werbekampagne für den Schuh, mit Hadid als Hauptgesicht. Fotografiert von Kenny Germé zeigt diese das Model in einem schwarz-weissen Strick-Ensemble von Adidas Originals vor einem Farbverlauf. An den Füssen trägt sie den schmalen SL72 OG in leuchtendem Rot, in den Händen einen farblich abgestimmten Blumenstrauss.

Der historische Hintergrund

Der leichte SL72 – SL steht für «superlight» – wurde, wie Adidas gerne betont, erstmals zum Anlass der olympischen Sommerspiele 1972 in München lanciert. Laut der deutschen Sportbekleidungsmarke wurde er als Schuh konzipiert, den Athleten zwischen den Wettkämpfen tragen konnten; deswegen landete er immer wieder bei Siegerehrungen auf dem Podium.

Was Adidas naturgemäss (und, man muss es annehmen, auch bei jeglichen Konzeptsitzungen) mit keinem Wort erwähnte: Die olympischen Spiele in München wurden vom tödlichen Attentat überschattet, das die propalästinensische Terrorgruppierung «Black September» damals auf die israelische Delegation ausübte. Im Zuge der brutalen Geiselnahme im olympischen Dorf wurden elf israelische Sportler und Coaches ermordet, total starben siebzehn Menschen. Hintergrund war der Israel-Palästina-Konflikt.

Die Reaktionen

Es ist diese Verknüpfung, die der Adidas-Kampagne einige Tage nach der Lancierung stark angelastet wurde und noch immer wird. Denn Bella Hadid, Tochter eines Palästinensers und einer Holländerin, setzt sich seit Jahren lautstark für einen freien palästinensischen Staat ein. Seit der tödlichen Terrorattacke der Hamas auf israelische Bürger am 7. Oktober 2023 und dem darauffolgenden Krieg mit bereits Zehntausenden von Opfern in Gaza tut sie dies vermehrt, etwa mit Instagram-Posts oder indem sie während des Filmfestivals in Cannes öffentlichkeitswirksam ein aus Kufiyas geschneidertes Kleid trägt.

Am 18. Juli 2024 kritisierte der offizielle Account des israelischen Staates auf X (vormals Twitter) die Werbekampagne von Adidas, denn Bella Hadid streue regelmässig Antisemitismus und «rufe zur Gewalt gegen Israelis und Juden auf». Auch das «American Jewish Committee» prangerte darauf die Entscheidung von Adidas an und bezeichnete sie als «entweder ein massives Versehen oder absichtlich hetzerisch». Beides sei inakzeptabel.

Die Antwort von Adidas

Am 19. Juli 2024 und inmitten wachsender Kritik sagte eine Adidas-Mediensprecherin, eine Verbindung zu den historischen Ereignissen sei «nicht beabsichtigt» gewesen. Sie hätten einen Fehler gemacht und würden die Kampagne revidieren. Zwei Tage später entschuldigte sich Adidas in einer kurzen Stellungnahme via Instagram-Story auch bei den Gesichtern der Kampagne, namentlich bei Bella Hadid, dem Rapper A$AP Nast und dem Fussballer Jules Koundé.

Das Nachspiel

Der Wirbel um die Kampagne ist deswegen aber noch nicht vorbei. Laut den amerikanischen Medien «TMZ» und «Us Weekly» plant Bella Hadid, gerichtlich gegen Adidas vorzugehen, da die Marke in der Zusammenarbeit einen «Mangel an öffentlicher Rechenschaftspflicht» und Sorgfalt gezeigt habe. Weder Adidas noch Hadid haben die Berichte kommentiert.

Die Kampagne selbst ist nirgends mehr zu sehen. Sowohl Bella Hadid als auch Adidas haben sie aus ihren Social-Media-Profilen entfernt. Der Schuh hingegen ist nicht verschwunden: Unter dem womöglich auch revisionsbedürftigen Untertitel «Still Interested?» wird der 120 Franken teure SL72 OG derzeit ganz vorne auf der Adidas-Website beworben. Wer draufklickt, wird sehen: In den meisten Farbgebungen ist er beinahe ausverkauft.

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