Montag, November 25

Die 37-jährige Aktivistin wurde in ihrer Wohnung erstochen. Viele stellen einen direkten Zusammenhang mit dem drakonischen Anti-LGBTQ-Gesetz her, das diese Woche verabschiedet wurde.

Kesaria Abramidze ist tot. Die 37-Jährige war ein bekanntes Transmodel in Georgien, das öffentlich für die Rechte von Transpersonen eintrat. Am Mittwoch wurde sie in ihrer Wohnung in Didi Dighomi, einem Stadtteil von Tbilissi, mit mehreren Messerstichen ermordet. Nachbarn fanden Abramidze tot in der Wohnung, nachdem sie Schreie gehört hatten. Die Polizei nahm kurz darauf einen 26-Jährigen fest. Bei dem mutmasslichen Täter soll es sich um Abramidzes Ex-Freund handeln. Ihm wird Mord «mit besonderer Grausamkeit und aufgrund des Geschlechts» vorgeworfen.

Abramidze arbeitete als Model, Influencerin und Schauspielerin. 2018 nahm sie am internationalen Schönheitswettbewerb Miss Trans Star International teil. Dort wurde sie Fünfte und wurde zur beliebtesten Teilnehmerin gekürt. Auf Instagram hatte sie über eine halbe Million Follower. Sie war eine der ersten öffentlichen Personen, die in Georgien über ihre Geschlechtsangleichung sprachen.

Der Mord schockt grosse Teile der georgischen Zivilgesellschaft. Die georgische Politikwissenschafterin Maia Otaraschwili schrieb auf X: «Kesaria war ikonisch! Provokativ, klug, unglaublich mutig. Eine Wegbereiterin der Transrechte.»

Viele stellen einen direkten Zusammenhang mit dem drakonischen Anti-Transgender-Gesetz her, das das georgische Parlament einen Tag vor Abramidzes Ermordung in dritter Lesung verabschiedet hatte.

Das neue Gesetz «Über Familienwerte und den Schutz von Minderjährigen» wurde von der regierenden Partei Georgischer Traum eingebracht. Der georgische Ministerpräsident Irakli Kobachidse möchte sein Land als Hort «traditioneller und christlicher Werte» und nicht als Ort der «LGBT-Propaganda» verstanden wissen. Das Gesetz verbietet gleichgeschlechtliche Ehen und die Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare sowie Geschlechtsumwandlungen. Auch sogenannte Propaganda für nichttraditionelle Beziehungen steht nun unter Strafe. Es muss noch von der prowestlichen Präsidentin Salome Surabischwili unterzeichnet werden, allerdings kann ein Veto von ihr durch eine Abstimmung im Parlament abgelehnt werden.

Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell verurteilte die Verabschiedung des Gesetzes in Georgien, es bringe das Land weiter von seinem Weg Richtung EU ab. Das Gesetz ist stark an ein ähnliches Gesetz in Russland angelehnt. Auch dort wurden die Rechte der LGBTQ+-Gemeinde stark beschnitten.

Die in Tbilissi sitzende Menschenrechts-NGO Social Justice Center schreibt in einer Mitteilung zum Tode von Abramidze, dass ein direkter Zusammenhang zwischen der Verwendung von Hassreden in der Politik und Hassverbrechen bestehe. Seit fast einem Jahr verwende die Regierungspartei Georgischer Traum «aggressiv homo-/bi-/transphobische Sprache» und kultiviere sie mit massiven Propagandamitteln, heisst es weiter.

Der georgische Ombudsmann Levan Ioseliani schrieb, der Mord sei eine weitere Bestätigung dafür, dass die Strafverfolgung und die öffentliche Reaktion bei hass- und geschlechtsmotivierten Straftaten besonders streng sein müssten.

Präsidentin Surabischwili appellierte nach dem Mord an Kesaria Abramidze an die Gesellschaft: «Vielleicht ist dies ein Weckruf für unsere Gesellschaft.» Diese sei in Hass verstrickt, der es dem Gegner ermögliche, «uns auf jede erdenkliche Weise zu manipulieren, uns zu schwächen und zu spalten», schrieb sie auf Facebook. «Lasst uns durch den Tod dieser schönen jungen Frau wenigstens menschlicher und christlicher werden, damit diese Tragödie nicht vergebens war.»

In der queeren Community herrscht Angst. Bereits im vergangenen Jahr musste ein LGBTQ+-Festival wegen Attacken wütender Gegner abgebrochen werden. In diesem Jahr protestierten Zehntausende Anhänger der Regierungspartei in den Strassen von Tbilissi für die «traditionelle Familie», unterstützt von der orthodoxen Kirche.

Ende Oktober finden in Georgien Parlamentswahlen statt. Die einzige Möglichkeit, in diesem Land zu überleben, bestehe darin, «dass wir in grosser Zahl zu den Wahlen gehen und für Veränderungen stimmen», sagte Tamara Jakeli, die Leiterin von Tbilissi Pride, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. «Wir werden höchstwahrscheinlich aufgeben müssen. Es gibt keine Möglichkeit für uns, weiterzuarbeiten.»

Die NGO Temida, die Angehörige der queeren Community berät, hat nach dem Mord an Abramidze extra eine Hotline eingerichtet. Laut dem Magazin «Politico» gingen bis Donnerstag bereits sechzehn Anrufe ein. Viele fragten besorgt: «Wenn sie getötet wurde, jemand, der so erfolgreich und wohlhabend ist, was passiert dann erst mit uns?»

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