Freitag, Oktober 4

Die Bürgerlichen halten an ihrer Ausgangsposition fest, während die Linke auf der Affäre Rimoldi herumreitet.

Zum Auftakt der Herbstsession hat der Nationalrat erneut beschlossen, dass die Schweiz ihre Zahlungen an das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge – kurz: UNRWA – sofort einstellen solle. Die grosse Kammer hat einer entsprechenden Motion des SVP-Nationalrats David Zuberbühler zugestimmt (99 zu 88 Stimmen bei 7 Enthaltungen). Diese muss nun auch im Ständerat eine Mehrheit finden.

UNRWA-Mitarbeiter bei Terrorattacken involviert

Damit hält die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat an ihrer ursprünglichen Position zum Hilfswerk fest. Schon im Rahmen der letzten Budgetdebatte im Dezember hat man sich für eine konsequente Streichung der Zahlungen ausgesprochen. Schliesslich einigte man sich auf Druck des Ständerats hin, dass statt jährlich 20 nur noch 10 Millionen Franken an die UNRWA fliessen sollen. Nun wollen es die Bürgerlichen im Nationalrat noch einmal wissen.

Die Mehrheit kam sowohl gegen die Vormeinung der zuständigen Aussenpolitischen Kommission (APK) zustande als auch gegen den Willen des Bundesrats. Aussenminister Ignazio Cassis liess zwar durchblicken, dass er persönlich die UNRWA nach wie vor als Teil des Problems und nicht als ein Teil der Lösung im Nahostkonflikt sieht. Die Regierung sei in einer Abwägung jedoch zu dem Schluss gekommen, dass die humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung in Gaza auch im Interesse der Schweiz sei.

Die 10 Millionen Franken, die man im Frühjahr ausgelöst habe, flössen direkt an die Betroffenen, versicherte Cassis. Man leiste damit Nothilfe, etwa bei der Unterstützung einer Impfkampagne gegen Kinderlähmung. Die Gelder seien nicht für die UNRWA gedacht. Stellvertretend für wohl viele im Rat und auf den Zuschauertribünen resümierte Cassis, dass das umstrittene Hilfswerk die Schweiz nun «seit geraumer Zeit» beschäftige.

Der Umgang mit der UNRWA ist in den letzten Jahren zu einem aussenpolitischen Dauerbrenner geworden. Das Hilfswerk stand lange Zeit in der Kritik, Schulen in Gaza und in Israels Nachbarländern mit antisemitischer Propaganda zu unterwandern. Nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober wurde deutlich, wie weitgehend das Hilfswerk, die palästinische Bevölkerung und das Terrorregime miteinander verwoben sind.

Jüngst hat sich das Hilfswerk von neun Mitarbeitern getrennt. Es sei erwiesen, dass diese bei den Terrorattacken, bei denen mehr als tausend Juden ermordet worden sind, direkt involviert gewesen seien. Dies teilte die UNRWA, die vom schweizerisch-italienischen Diplomaten Philippe Lazzarini geführt wird, selber mit.

«Niemandem käme es hierzulande in den Sinn, eine Partei oder Organisation mit Steuergeldern zu unterstützen, wenn ein Dutzend ihrer Mitarbeiter an einem Terrorangriff wie jenem vom 7. Oktober beteiligt gewesen wäre», appellierte Zuberbühler an seine Ratskollegen. Nebst der SVP konnte er auch die FDP sowie die Mitte grossmehrheitlich für sein Anliegen gewinnen.

Die Linken um SP, Grüne und Grünliberale waren gegen die Motion. Inhaltlich gingen ihr die Argumente aus. Die SP-Nationalräte Farah Rumy und Fabian Molina versuchten, Erich Vontobel herunterzumachen. Der EDU-Nationalrat, der sich ebenfalls gegen jegliche Finanzierung der UNRWA aussprach, habe mit Nicolas Rimoldi einem Antisemiten einen Zugang zum Bundeshaus verschafft.

Der frühere Kritiker der Corona-Massnahmen sorgte einst mit einem Besuch am Geburtsort von Adolf Hitler für Kritik und Irritationen. Rimoldi sei zwar jemand, der sich manchmal «suboptimal» äussere, räumte Vontobel ein. «Ich klassifiziere ihn aber nicht als Antisemiten.» Vontobels Badge zum Bundeshaus galt als Dank für Rimoldis Wahlhilfe.

Langzeitdilemma

Nebst der sofortigen Einstellung der UNRWA-Gelder hat sich der Nationalrat am Montag auch für eine etwas weniger weit gehende Variante ausgesprochen. Er folgte einer Kommissionsmotion der APK, wonach die Gaza-Hilfe nicht dem umstrittenen Hilfswerk zugutekommen, sondern direkt an die palästinische Zivilbevölkerung umgeleitet werden soll. Damit signalisieren die bürgerlichen Parteien, dass sie sehr wohl zur humanitären Tradition des Landes stehen, sich aber nicht indirekt schuldig machen wollen, indem mit Steuergeldern eine Terrororganisation mitfinanziert wird.

Der Bundesrat war dagegen, weil er weiss, dass ohne die UNRWA in Gaza nichts läuft. Das Hilfswerk ist wichtig für die Bevölkerung – und auch wichtig für die Hamas. Wenn die Schweiz zahlt, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sie auch den Terroristen hilft.

Um dieses Dilemma irgendwann ganz auflösen zu können, hat der Nationalrat den Bundesrat beauftragt, sich dafür einzusetzen, dass eine Nachfolgelösung für die UNRWA gefunden wird. Wenn es die kriegerische Auseinandersetzung zulasse, solle die Regierung Alternativen prüfen, «zum Beispiel, ob die Palästinenserhilfe in das Flüchtlingshilfswerk UNHCR integriert werden kann». Im Gegensatz zu den beiden anderen Vorlagen waren sich bei dieser Motion der Nationalrat und der Bundesrat einig. Wohlwissend, dass eine Verbesserung der Situation in weiter, weiter Ferne liegt.

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