Mittwoch, März 12

Der 42-jährige Turki al-Sheikh setzt mit dem Jahrhundertkampf zwischen Tyson Fury und Olexander Usik die saudiarabische Sportoffensive fort. Die Unsummen an Geld besänftigen alle Gemüter.

Im Dezember 2019 wurde die internationale Boxszene überrascht: Nicht ein Kasino in Las Vegas, der New Yorker Madison Square Garden oder ein Stadion in London wurde zum Austragungsort eines WM-Duells im Schwergewicht, sondern eine Arena im saudiarabischen Diriyah. Dort verfolgten 15 000 Zuschauer, wie der Brite Anthony Joshua gegen den US-Profi Andy Ruiz erneut Champion von drei Weltverbänden wurde. Nicht wenige hielten den Ausflug in den Wüstenstaat für eine Art Intermezzo, bei dem sich der frühere Olympiasieger und sein Promoter mal eben die Taschen mit Öl-Dollars vollstopften.

Viereinhalb Jahre später sind Titelkämpfe mit globaler Ausstrahlung auf der Arabischen Halbinsel nicht mehr die Ausnahme, sondern fast schon die Regel. Im August 2022 war Jidda der Ort, an dem Joshua den WM-Rückkampf gegen den Ukrainer Olexander Usik nach Punkten verlor. Letzten Oktober fand die mit viel Getöse inszenierte Begegnung zwischen dem WBC-Champion Tyson Fury und dem Mixed-Martial-Arts-Star Francis Ngannou in Riad statt.

Ein 42-Jähriger mit abgedunkelten Brillengläsern

Kurz darauf fand in der 26 000 Zuschauer fassenden Kingdom Arena, ebenfalls in der Hauptstadt, eine Veranstaltung der Superlative mit acht Vergleichen auf höchstem Niveau statt – ein «Tag der Abrechnung», so das Motto, an dem die Weltranglisten in etlichen Gewichtsklassen neu gemischt wurden.

Selbst das soll am kommenden Samstag noch einmal übertroffen werden, wenn Fury (WBC) und Usik (WBA, IBF, WBO) an gleicher Stelle um alle relevanten Schwergewichtstitel kämpfen. Der Gipfel der ungeschlagenen Champions ist ein historisches Novum in der sogenannten Vier-Gürtel-Ära. Für Turki al-Sheikh bedeutet er «die Kronjuwelen unserer Anstrengungen». Schliesslich ist die immer höhere Kadenz spektakulärer Events Teil einer Strategie, die der 42-Jährige mit den abgedunkelten Brillengläsern konsequent verfolgt – als Vorsitzender der General Entertainment Authority (GEA), die unmittelbar der saudischen Regierung untersteht.

Das Profiboxen sei aktuell «am Boden», erzählte al-Sheikh Anfang Monat dem amerikanischen Sportsender ESPN, «aber ich glaube, wir müssen gar nicht alles wie früher zusammenfügen». Denn mit den Informationen, die er und seine Mitarbeiter in den letzten Jahren gesammelt hätten, liesse sich der einst so populäre Sport aufwerten.

Was das sein könnte, begreift man am besten, wenn man dem kühlen Strategen weiter zuhört. Für ihn ist das Live-Geschäft mit den Boxern eines von vielen Instrumenten, die sein Land als Destination und Standort attraktiver machen sollen – ähnlich wie die neue Golf-Serie, die Saudi Professional League im Fussball oder das vor Jahren eingekaufte Rally Dakar.

Im Westen nennt man das «Sportswashing», und zwar vor dem Hintergrund von Todesurteilen und anderer menschenverachtender Praktiken im autokratisch geführten Land. Die saudiarabischen Sportveranstaltungen setzen viel Geld um und schaffen neue Möglichkeiten. Das globale Boxgeschäft etwa ist durch den Eintritt von al-Sheikhs Agentur richtig durchgeschüttelt worden. Wegen der enormen Summen sind unterdessen selbst die grössten Promoter zu Kooperationen bereit – und verabreden Kämpfe, die sie zum Leidwesen der Fans bisher vermieden haben. «Ich verhandle mit allen», sagt al-Sheikh. Und: «Jetzt haben wir es geschafft, dass sie alle zusammenarbeiten.»

Das hat sich gerade beim «Mega-Fight» gezeigt, der am Samstag in Riad über die grosse Bühne geht. Es war nicht nur al-Sheikhs Checkheft, sondern auch sein persönlicher Einsatz, der die beiden reizbaren Lager immer dann, wenn die Fetzen flogen, wieder an den Tisch brachte. So wie im Februar, als Fury den ursprünglichen WM-Termin wegen einer Platzwunde im Sparring absagte und das Team Usik einen Ersatzgegner vorschlug. Da tauchte der Saudi plötzlich in Nordengland bei der Familie Fury auf, um eine Videokonferenz mit beiden Teams zu moderieren. Das beruhigte die Situation und brachte einen neuen Kampftermin. Denn der Entscheider aus dem Orient wusste ein klares Signal zu setzen: Der Jahrhundertkampf wird am 18. Mai stattfinden – oder gar nie.

Die nächste Boxnacht in Riad folgt sogleich

Mit diesem verbindlichen Stil ist der offizielle Berater des Königs, dem auch der am Ende dieser Saison absteigende spanische Fussball-Erstligist UD Almería gehört, zu einem der wichtigsten Player im Box-Business aufgestiegen. Seine Kenntnisse sind inzwischen so vertieft, dass man ihm keinen alten Kläffer als Windhund verkaufen kann, und seine Ambitionen gehen noch ein ganzes Stück weiter.

Zwei Wochen nach dem samstäglichen «Ring of Fire» wird Riad eine hochwertige Boxnacht mit dem vielgerühmten Halbschwergewichts-Champion Dmitri Biwol als Hauptkämpfer erleben. Anfang August veranstaltet die GEA dann erstmals nicht auf der Arabischen Halbinsel ein Box-Event, sondern in Los Angeles. Kurz darauf soll ein Joshua-Kampf in einem englischen Stadion folgen.

Die an Kinowerbung für Blockbuster angelehnten Clips, mit denen al-Sheikh die Termine bewirbt, mögen nur selten den Geschmack der Boxpuristen treffen. Doch sie hat der gewiefte Marketingexperte auch nicht unbedingt im Visier. Ihm geht es um «den langfristigen Erfolg dieses Sektors», für den er «alle Stakeholder» ins Boot holen will, um «den Markt zu optimieren». So hat in dieser illustren Mikrowelt noch keiner gesprochen.

Turki Alalshikh - The Man Who Changed Boxing

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