Donnerstag, Oktober 10


Modetrend

Die silbernen Kreise und Spitzen erfüllten einst praktische Zwecke, dann wurden sie zum aufmüpfigen Symbol der Gegenkultur. Dass sie auch elegant aussehen können, beweisen aktuelle Entwürfe.

Das New Yorker Modelabel Khaite ist eigentlich für einen sehr erwachsenen und eleganten Look bekannt. Doch das derzeit gefragteste Teil aus dessen Kollektion sind nicht die Cashmerejacken oder voluminöse Abendkleider – es ist ein mit Nieten besetzter Ledergürtel namens «Benny».

«Benny» fällt aufmerksamen Beobachtern des Modegeschehens auf Instagram schon seit Anfang des Jahres auf: Wer auch immer chic, hübsch und mit vielen Followern gesegnet ist, trägt den Gürtel, bevorzugt zu Jeans und T-Shirts und crèmefarbenen Pullovern. Während der Gürtelriemen selbst eher durchschnittlich breit ist, fallen die runden Nieten so gross aus wie das Zifferblatt einer Uhr und leuchten wie nasse Fischaugen.

Khaite ist nicht das einzige Label, das Nieten wieder für sich entdeckt hat. Versace verziert zurzeit damit Denimjacken und streut Perlenstickereien um silberne Nieten. Bei Prada breiten sich Lochnieten auf einem Strickpullover aus, und ein Lederkleid wird mit Nieten verziert, die spiralförmige Muster ergeben. Bei Acne Studios bedecken sie eine Baggy-Jeans von oben bis unten.

Der Look fällt dadurch auf, dass das glänzende Detail anders daherkommt, als es seinem Image entspricht. Die Nieten sind meist rund und flach, formen verspielte Muster oder erscheinen auf klassischen und schlichten Silhouetten. Selbst der Gürtel, der in mehreren Varianten aus schwarzem Leder oder Suede erhältlich ist, wirkt durch die Grösse der Nieten und die an den Ecken breiter werdende Schnalle eher luxuriös und raffiniert als punkig und unangepasst.

Von den Schuhen zum Nieten-Total-Look

Dabei liegen in der Punk-Bewegung natürlich die Wurzeln der Niete als «Fashion Statement». Ursprünglich erfüllte sie als Teil eines Kleidungsstücks oder einer Uniform rein funktionale Zwecke. Im Mittelalter wurden damit Metallplatten unter Stoffschichten festgenietet – das Ergebnis war ein gepanzertes Kleidungsstück namens Brigantine, das Fusssoldaten im Kampf schützen sollte. 1873 tauchte die Niete auf den robusten Jeans des Schneiders Jacob Davis und seines Geschäftspartners, des Händlers Levi Strauss, auf – mit den Nieten wurden die Taschen verstärkt, in die die potenziellen Kunden der (später als Levi’s bekannten) Denimhose, die Goldgräber im Westen der USA, ihre Goldnuggets stecken konnten. In der DDR wurde die Jeans Nietenhose genannt.

Die Punk-Bewegung, die in den siebziger Jahren von Bands wie den Sex Pistols angeführt wurde, schmückte jedoch nicht nur ihre Hosen mit Nieten. Sie trug Lederjacken, Halsbänder und Gürtel, auf denen Nieten in allen Formen und Variationen auftauchten: rund und glatt, eckig und spitz. Als Schmuckelement, das in der Mode nach damaligen bürgerlichen Standards eigentlich nichts zu suchen hatte, wirkte die Niete aggressiv und rebellisch, auffällig und kämpferisch. Und passte damit perfekt zu einer Generation von jungen Menschen und Kreativen, die gegen die Konventionen, die Politik und das Establishment ihrer Zeit aufbegehrten.

Wie Nieten auf den Laufsteg kamen

Bis High-Fashion-Designer sich der Niete als dekorativem Element annäherten, sollten noch ein paar Jahre vergehen. Gianni Versace erschuf beispielsweise mit Entwürfen aus schwarzem Leder, die mit goldenen Nieten verziert waren und an Punk-Looks ebenso erinnerten wie an Fetisch-Kleidung, provokante, aber heute legendäre Looks. Auch Karl Lagerfeld bewies mit seinen Kollektionen für Chanel, dass die Kombination aus Niete und schwarzem Leder damenhaften Silhouetten wie Kostümen oder Röcken eine andere, überraschende Anmutung verleihen konnte.

In den nuller Jahren wurden Nieten im Rahmen eines Millennium-Rockstar-Looks wiederentdeckt und zu tiefsitzenden Jeans, engen Party-Tops und schmalen Lederjacken getragen. Der Look, der heute «Indie Sleaze» genannt wird, ist wieder sehr beliebt. Die Designer-Interpretation der Nieten gibt sich jedoch betont edel und fokussiert sich auf die runde flache Niete, die weicher und sanfter wirkt als die spitze und eckige Variante.

Provozieren tut der Look ohnehin nur in den seltensten Fällen. Als stilistischer Bruch oder Kontrast zu eleganteren Schnitten funktioniert er aber noch immer. Und manchmal braucht es dafür nur einen Gürtel.

Exit mobile version