Mittwoch, Oktober 2

Lauri Marjamäki coacht, seit er 17 Jahre alt ist. Weil der EHC Kloten vor der neuen Saison nach Stabilität lechzt, stellt sich die Frage: Kann Marjamäki den Klub befrieden?

Bevor Lauri Marjamäki seine Spieler im Spätsommer zum ersten Mal aufs Eis bat, hatte er ihnen einen Fragebogen gereicht. Mit Fragen wie: Was erwartest du vom Trainerstab? Welche Ziele hast du in deiner Karriere? Wo siehst du dich in drei Jahren?

Letzteres ist eine sehr gute Frage, zumal im Fall von Marjamäki, der im EHC Kloten nur einen Einjahresvertrag unterschrieben hat. Wo sieht er sich 2027? Seine Antwort: «Hoffentlich arbeite ich dann immer noch in der Schweiz.» Und ergänzt: «Ich wäre glücklich darüber, dann immer noch in Kloten zu sein.»

Das hiesige gehobene Lohnniveau dürfte ein willkommener Nebeneffekt sein

Das ist nicht selbstverständlich, denn es ist einigermassen erstaunlich, dass Marjamäki in Kloten gelandet ist. Der 47-Jährige gehört zu den grossen Namen der finnischen Trainergilde; er wurde mit Kärpät zwei Mal Meister, stieg zum Nationaltrainer auf und betreute Jokerit Helsinki, lange der Vorzeigeklub des Landes. Es ist fast so, als würde Ralph Krueger in der Blüte seines Schaffens plötzlich Iserlohn coachen.

Doch Jokerit, früher regelmässig Gast am Spengler-Cup in Davos, war für Marjamäki so etwas wie ein Karriereknick. Im Frühjahr 2022 zog sich der Verein kurz nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs aus der osteuropäischen KHL zurück; Spieler und Trainer wurden quasi über Nacht arbeitslos. Marjamäki hätte Jokerit zum Saisonende zwar ohnehin verlassen, aber sein neuer Arbeitgeber war ebenfalls ein KHL-Verein. Für Marjamäki stand es ausser Frage, diesen Job unter den neuen Gegebenheiten anzutreten.

Stattdessen übernahm er noch einmal Kärpät, den Spitzenklub aus Oulu nahe am Polarkreis, wo der frühere ZSC-Goalie Ari Sulander als Tierbestatter arbeitet. Es war der Versuch, eine alte Romanze neu zu beleben, doch beide Seiten mussten zur Einsicht kommen, dass man das besser gelassen hätte – im Dezember 2023 wurde der Coach entlassen.

Heute sagt Marjamäki: «Ich war müde. Und realisierte, dass ich eine neue Herausforderung brauchte.» Er beauftragte seinen Agenten, ihn ins Ausland zu vermitteln. Die Schweiz war seine Präferenz; er hält die National League für die beste Liga in Europa – und hatte in der Schule einst fünf Jahre lang Deutsch gelernt. «Mit sehr schlechten Noten», fügt Marjamäki lachend an. Das hiesige gehobene Lohnniveau dürfte ein willkommener Nebeneffekt sein: In der finnischen Spitzenliga verdienen einheimische Trainer in der Regel um die 100 000 Franken pro Jahr. In der Schweiz fällt die Besoldung grosszügiger aus.

So fand Marjamäki nach Kloten, zu einem Klub, der sich auf seiner langen Trainersuche auch mit Marco Bayer befasst hatte. Der Zürcher hätte als ehemaliger U-20-Nationaltrainer prächtig ins Konzept gepasst, steht aber bei den GCK Lions unter Vertrag und erhielt von der ZSC-Organisation keine Freigabe.

Letzte Saison verbrauchte der EHC Kloten drei Trainer

Marjamäki ist eine starke Alternative für einen Verein, der allein in der letzten Saison drei Trainer beschäftigte (Gerry Fleming, Larry Mitchell und Stefan Mair), seit dem Aufstieg von 2022 etliche Personalwechsel auf allen Ebenen hinter sich hat und entsprechend nach Stabilität lechzt. Der zum Berater umfunktionierte Aufstiegscoach Jeff Tomlinson, eine der wenigen Konstanten im Klub, sagt: «Wir brauchen Balance. Und eine Identität. Lauri ist dafür der richtige Mann. Er ist sehr erfahren, setzt auf den Nachwuchs und lässt die Art von Hockey spielen, die wir in Kloten sehen wollen: schnell und aggressiv.»

Die Rückkehr - Der EHC Kloten ist zurück in der National League

Für Marjamäki ist Kloten die erste Station im Ausland – und das ist nicht die einzige Umstellung. Er sagt, er habe gehört, dass manche Spieler in der National League die Nase rümpften, wenn ein Auswärtsspiel in Genf anstehe, wegen einer dreieinhalbstündigen Carfahrt. Bei Kärpät war keine andere Destination in weniger als vier Stunden zu erreichen.

Wesentlicher aber ist, dass Marjamäki üblicherweise Titelkandidaten coacht. Von diesem Status befindet sich Kloten in jeder Hinsicht um ein paar Galaxien entfernt; schon Platz 12 in der Regular Season wäre ein kleiner Erfolg. Marjamäki sagt, er werde sich bemühen, geduldig zu sein. Er hat das Thema schon mit seinem eigenen Mentaltrainer vertieft, auf dessen Dienste er seit einem Jahrzehnt vertraut.

In der Autofabrik sinnierte er über die Trainingsgestaltung

Beharrlichkeit ist eine Tugend, die in seinem Leben oft gefragt war. Weil ihm das Talent für eine Spielerkarriere fehlte, begann er schon im Alter von 17 zu coachen. Acht Jahre lang schlug er sich mit Gelegenheitsjobs durch; in seiner Heimatstadt Tampere arbeitete er in einer Autofabrik von fünf Uhr morgens bis nach dem Mittag. Und sinnierte während dieser Tätigkeit darüber, welche Übungen er später im Training vorzeigen könnte.

Einer seiner Mentoren war Rauno Korpi, einer der erfolgreichsten finnischen Trainer der Geschichte, der kurz den EV Zug coachte. Marjamäki sagt über Korpi: «Ich kann mich erinnern, wie er als Nationaltrainer einmal eine wichtige Partie verlor. Und danach an der Bande den Tränen nahe war. Ich dachte: Wow. Diese Leidenschaft will ich auch entwickeln.»

Es ist die Art von Passion, die Marjamäki auf seine neue Mannschaft übertragen will. Fehler, sagt er, seien in diesem Sport unvermeidbar. Elementar sei, wie man auf sie reagiere, mit welcher Einstellung man spiele, ob man auch dann Charakter zeige, wenn sich die Niederlagen häuften.

Die Frage ist, wie schnell Marjamäki seine Ideen verwirklichen kann. Man erhält in seinem Metier traditionell sehr wenig Zeit; Fleming wurde in Kloten 2023 nach knapp zwei Monaten entlassen. Die Erfolgsaussichten hängen massgeblich davon ab, ob es Marjamäki gelingt, die in der letzten Saison praktisch durchs Band ungenügenden Ausländer zu revitalisieren. Den Center Miro Aaltonen, der auch aufgrund mehrerer Infekte bitter enttäuschte, hatte er bereits in Finnland gecoacht.

Er wolle nicht über die Vergangenheit sprechen, sagt Marjamäki, die desillusionierende letzte Saison sei vergessen. Aber der EHC Kloten dürfte erneut vor einer diffizilen Meisterschaft stehen. Es wäre bereits etwas wert, wenn der Klub sein Publikum halbwegs bei Laune halten könnte und nicht in Abstiegsgefahr geriete. Und eine exaktere Idee davon entwickelte, wo er stehen könnte, in drei Jahren.

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