Mittwoch, März 26

Während die mutmassliche Korruption vor Vergaben für Fussball-Weltmeisterschaften nicht aufgearbeitet wurde, verbiss sich die Bundesanwaltschaft in einen isolierten Vorwurf an zwei Top-Funktionäre. Jetzt enden die Verfahren mit einer Blamage.

Vor knapp zehn Jahren erhielt die Bundesanwaltschaft einen Auftrag von internationaler Bedeutung. Nach den Razzien in der Zürcher Zentrale des Weltfussballverbands (Fifa) und im benachbarten Hotel Baur au Lac im Mai 2015 erwartete die Weltöffentlichkeit, dass die Schweizer Justiz der systemischen Korruption im Fussball auf den Grund geht.

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Spätestens seit dem Dienstag, an dem der Freispruch des ehemaligen Fifa-Präsidenten Joseph Blatter und seines Weggefährten Michel Platini bestätigt wurde, steht endgültig fest: Die Bundesanwaltschaft ist am Fussball-Komplex gescheitert. Ihre Bilanz nach fast zehnjährigen Bemühungen ist ein Totalschaden.

Während andere Verfahren versandeten, ebenfalls mit Freisprüchen endeten oder nach grotesken Verzögerungen verjährten, verbiss sich die Bundesanwaltschaft in den isolierten Vorwurf, Blatter habe mit der Zahlung von zwei Millionen Franken an Platini im Jahr 2011 seine eigene Organisation betrogen.

Wie zu erwarten war, erwies es sich für die Kläger in zweiter Instanz erneut als unmöglich, den Betrug zu beweisen. Unverändert behaupteten Blatter und Platini auch vor der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts, sie hätten vor etlichen Jahren einen mündlichen Vertrag über Beraterdienste abgeschlossen, der die Zahlung rechtfertigt. Das Gericht konnte die Existenz einer solchen informellen Abmachung unter vier Augen nicht ausschliessen – wie auch?

Es wirkt schwer nachvollziehbar, weshalb die Bundesanwaltschaft den erstinstanzlichen Freispruch angefochten und das aussichtslose Verfahren somit nochmals um fast drei Jahre in die Länge gezogen hat. Zu Recht stand Michael Lauber, der ehemalige Leiter der Behörde, wegen seines umstrittenen Agierens in den Fussball-Verfahren im Kreuzfeuer der Kritik. Der Entscheid zum Rekurs fiel indes bereits in die Verantwortung seines Nachfolgers Stefan Blättler.

Jetzt schuldet die Eidgenossenschaft Blatter und Platini jeweils fünfstellige Entschädigungen, doch das ist noch das geringste Problem. Die mutmassliche Korruption im Umfeld der Fifa vor mehreren Grossanlässen bleibt juristisch unaufgearbeitet. Ob das üppige Salär des Funktionärs-Beraters Platini angemessen war, ist letztlich Geschmackssache – doch die Frage, in welchen Ländern Fussball-Weltmeisterschaften stattfinden, ist tatsächlich von ökonomischer und gesellschaftlicher Relevanz. Die Turniere sind Wirtschaftsfaktoren, sie schaffen Arbeitsplätze und prägen das Image der Gastgeber.

Wie auf dem Silbertablett wurden der Bundesanwaltschaft immer wieder Verdachtsfälle auf Schmiergeldzahlungen präsentiert. Die Merkwürdigkeiten erstreckten sich von der WM 2006, die an Deutschland vergeben wurde, nachdem Robert Louis-Dreyfus über einen Schweizer Treuhänder 10 Millionen Franken an Mohamed bin Hammam in Katar überwiesen hatte, bis zur WM 2022 in Katar mit einem ganzen Sammelsurium an Auffälligkeiten. Es wirkt, als hätten die obersten Schweizer Ermittler vor dem Geflecht an Zahlungen, Absprachen und Hinterzimmer-Deals kapituliert.

In einem ihrer Tätigkeitsberichte schrieb die Bundesanwaltschaft, sie habe die Fussball-Verfahren «von Beginn an höchstpriorisiert». Daraus resultierten im wesentlichen Teilerfolge in Verfahren gegen den einstigen Generalsekretär Jérôme Valcke und ein Strafbefehl gegen einen südamerikanischen Funktionär namens Eduardo Deluca.

Die dürftige Aufarbeitung der Blatter-Ära hat Auswirkungen bis in die Gegenwart. Der heutige Fifa-Präsident Gianni Infantino kann das zahme Auftreten der Bundesanwaltschaft als Ermutigung verstehen, weiterhin gefahrlos mündliche Absprachen vorzunehmen.

Unter Infantino geschehen Merkwürdigkeiten, die bis jetzt ohne jegliche Konsequenz geblieben sind, beispielsweise ein Auftritt mit dem US-Präsidenten Donald Trump am Weltwirtschaftsforum in Davos. Trump behauptete dort, er habe die Vergabe der WM 2026 an sein Land gemeinsam mit Infantino eingefädelt, noch bevor er erstmals ins Amt gekommen sei. Seine erste Präsidentschaft begann im Januar 2017, während der Zuschlag für die USA sowie Kanada und Mexiko offiziell erst im Juni 2018 in einer Kampfabstimmung gegen Marokko erfolgte. Das passt nicht zusammen – aber es scheint niemanden zu stören.

Eine andere offene Frage ist die, warum die Fifa das Prozedere vor der Vergabe der WM 2034 so sehr straffte, dass nur noch Saudiarabien als Bewerber übrig blieb, während sich Australien brüskiert fühlte. Auch das scheint kaum jemanden umzutreiben.

Zuletzt kokettierte die Fifa immer wieder mit einem möglichen Wegzug aus der Schweiz. Aus juristischer Sicht kann ihr von dieser Massnahme nur abgeraten werden: In der Schweiz hat sie nach bisherigen Erkenntnissen am wenigsten Ärger zu befürchten.

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