Sonntag, April 13

Die Zürcher haben den Erfolg neben Geld und der exzellenten Nachwuchsarbeit auch den Visionen ihres Managers zu verdanken. Im Play-off-Final greift Leuenberger ab Dienstag nach seinem siebenten Titel.

Vor ein paar Monaten, in den trüben Tagen des Novembers, wurde Sven Leuenberger gefragt, ob sich bei ihm keine Ermüdungserscheinungen bemerkbar machten. In der 18. Saison als Sportchef, einem Job mit beträchtlichem Burnout-Risiko. Leuenberger, 55, wirkte überrascht, fast so, als würde er die Frage nicht verstehen. Eine Verwunderung darüber, wie man auf die Idee kommen könnte, den Traumjob als Manager nicht zu lieben. Denn das Wirken als Sportchef ist für ihn mehr Berufung denn Beruf; er sagte: «Dieses Gefühl, wenn du Meister wirst, das ist für mich ein grosser Treiber.»

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Sechs Meistertitel konnte Leuenberger schon feiern, das ist Rekord im Schweizer Eishockey, vier mit dem SC Bern und zwei mit den ZSC Lions. In knapp zwei Wochen könnte es zum siebenten Mal so weit sein, der ZSC bestreitet ab Dienstag erneut den Play-off-Final. Es ist das neunte Mal, dass ein Leuenberger-Team im April um den Titel spielt.

Leuenbergers famose Bilanz hat auch mit Geld zu tun, klar, mit Möglichkeiten. Er leitete den SCB an, als dieser über das grösste Budget der Liga verfügte. Und er befindet sich heute beim ZSC im Schlaraffenland: Der Klub, der die Zürcher finanziell überbieten kann, muss erst noch erschaffen werden. Und der ZSC hat den grossen Vorteil, dass Spieler wie der ungeahnte Sphären erreichende Play-off-Topskorer Sven Andrighetto in der Schweiz ohnehin nirgendwo anders spielen wollen. Sie sind in Zürich aufgewachsen, ausgebildet worden, und es fehlt ihnen hier beruflich wie privat an nichts.

Leuenberger hat zehn Meistermedaillen zu Hause

Leuenberger sagt: «Wenn es Leute gibt, die sagen, dass es in Zürich und Bern keine Kunst ist, Meister zu werden, dann muss ich entgegnen: Es gab schon viele andere Leute in diesen Jobs, die keine Titel gewinnen konnten.» Er sei privilegiert, keine Frage. Es sei ein ganz anderer Stress, wenn man gegen den Abstieg spielen müsse. Das wünsche er niemandem. Und er hoffe, dass er es nie erleben müsse.

Der 55-Jährige war schon als Spieler erfolgsverwöhnt. Er entstammt einer Hockey-Familie, sein Bruder Lars ist Coach von Fribourg-Gottéron. Leuenberger wurde in der einst legendären Nachwuchsabteilung des EHC Uzwil gross, ehe er den SCB prägte und als gewiefter Abwehrstratege zwischen 1989 und 1997 vier Mal Meister wurde. Es waren prägende Jahre, die ihn etwas darüber lehrten, was ein Team ausmacht und welchen Mix es braucht, um den Trophäenschrank zu füllen.

Leuenberger ist ein Nimmersatt, er macht auch nach total zehn Meistertiteln nicht den Eindruck, genügsam zu werden. Er ist ein Mensch, der sich kümmert, im Tagesgeschäft manchmal fast zu intensiv. Es gab auch schon Trainer, die sich daran rieben, wie präsent er ist, das Wort «Mikromanagement» fiel. Er sagt: «Es gibt auch Leute in meinem Umfeld, die mich ermahnen, gelassener zu werden. Aber ich bin der Überzeugung, dass man nicht Meister wird, wenn man diesen Extra-Effort nicht leistet.»

Seine Methode, seine Kompetenz und das innere Feuer haben ihn weit gebracht. Gäbe es eine physische «Hall of Fame» im Schweizer Eishockey, man müsste eigentlich eine opulente Marmorbüste mit seinem Konterfei in die Eingangshalle stellen. Aber der Erfolg hat seinen Preis.

Andrew Ebbett, bis 2024 Sportchef des SC Bern, sagte kürzlich, er habe in drei Jahren einen einzigen Tag nicht gearbeitet, die Belastung sei enorm gewesen. Leuenberger sagt, bei ihm sei es ähnlich: «Es ist ein Opfer, das dieser Job mit sich bringt. Wenn ich in die Ferien reise, beantworte ich jeden Vormittag die Mails und kümmere mich um Hockey-Dinge. Mich hat das nie gestört. Ich habe über die Jahre vielen Kollegen gesagt: Du kannst dir schon deine freien Tage einrichten als Sportchef. Aber dann hast du diesen Job wahrscheinlich nicht lange. Meine Frau pflegt zu sagen, dass wir sozial ab September bis zum Saisonende nicht existieren. Wahrscheinlich hat sie damit recht.»

Leuenbergers Arbeit hat sich über die Jahre immer wieder verändert, sie ist komplexer geworden. Er sagt: «Als ich 2006 anfing, haben die Agenten einfach ihre Spielerlisten gefaxt. Und dann hast du dir mal die Statistiken angeschaut und damit begonnen, zu telefonieren. Heute kannst du jeden Spieler auf der Welt per Video intensiv scouten, wir sind vom ‹gläsernen Athleten› wirklich nicht mehr weit weg.»

Die Kompetitivität des Torhüters Hrubec ist berüchtigt

Im Herbst hat Leuenberger seinen Vertrag bis 2027 verlängert. Vermutlich kann er sich selbst aussuchen, wie lange er den ZSC noch modellieren will. In der Saison 2015/16 wechselte Leuenberger kurz die Rolle, er betreute die Elite-Junioren des SCB als Cheftrainer und wurde, klar, Meister. Seither hält sich hartnäckig das Gerücht, dass er ganz gerne mal als Trainer arbeiten würde. Er sagt: «Ich fände das reizvoll. Aber das muss überhaupt nicht ein Headcoach-Mandat in der National League sein. Wieso nicht mit sechzig im Nachwuchs arbeiten, vielleicht auch als Assistent?»

Sechzig, das ist in fünf Jahren, mutmasslich muss sich die Konkurrenz darauf einstellen, dass von Leuenberger zusammengestellte Teams bis dann noch ein paar Mal ganz vorne mitspielen.

In dieser Saison ist das trotz Luxuskader keine Selbstverständlichkeit. Oft genug ist im Jahr nach einem Titelgewinn eine mentale Müdigkeit festzustellen, und man hätte sie dem ZSC nicht einmal vorwerfen können – bis dato hat die Mannschaft bereits 76 Pflichtspiele bestritten, die Champions Hockey League gewonnen und einen emotionalen Trainerwechsel verarbeiten müssen.

Worauf kommt es bei der Teamzusammenstellung an, Sven Leuenberger? «Du brauchst Spieler, die vorangehen. Davon haben wir glücklicherweise einige. Simon Hrubec etwa, um nur ein Beispiel zu nennen. Ich habe einst mit Renato Tosio gespielt und hätte nicht gedacht, dass ich noch einmal auf einen so verbissenen Goalie treffe. Wenn er das Gefühl hat, dass ihn die Mannschaft im Stich gelassen hat, ist er zwei Minuten nach dem Schlusspfiff geduscht und knallt die Türe zu. Da weiss jeder, was es geschlagen hat. Und jeder schaut, dass das gar nicht erst passiert.»

Bei allem Talent ist es auch diese Verve, der den ZSC bald zum elften Titel seiner Geschichte führen könnte.

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