Donnerstag, Oktober 10

Han Kang wird laut der Schwedischen Akademie für «ihre intensive poetische Prosa, die sich mit historischen Traumata auseinandersetzt» geehrt.

wek. /(dpa) Die südkoreanische Schriftstellerin Han Kang erhält den Nobelpreis für Literatur 2024. Das hat die schwedische Akademie in Stockholm am Donnerstag mitgeteilt. Kang werde «für ihre intensive poetische Prosa, die sich mit historischen Traumata auseinandersetzt und die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens offenlegt» ausgezeichnet, wie der Ständige Sekretär der Akademie, Mats Malm, bei der Preisbekanntgabe in der Stockholmer Altstadt sagte.

Han Kang ist die 18. Frau, die den Literaturnobelpreis erhält – und die erste Frau unter den bislang verkündeten Nobelpreisträgern dieses Jahres.

Rund 200 Namen standen laut Auskunft der Akademie auf der erweiterten Kandidatenliste – wer darunter ist, wird nach der Bekanntgabe traditionell 50 Jahre lang geheim gehalten.

Im vergangenen Jahr war der Literaturnobelpreis an den Norweger Jon Fosse gegangen. Er wurde damit für seine innovativen Theaterstücke und seine Prosa geehrt, die «dem Unsagbaren eine Stimme» gibt, wie es damals von der Akademie hiess. Im Jahr davor war mit der Französin Annie Ernaux ebenfalls ein grosser Name der Weltliteratur zur Nobelpreisträgerin erklärt worden.

Die 1970 in Gwangju geborene Han Kang hat ihre literarische Laufbahn 1993 mit Gedichten und Erzählungen begonnen, ehe sie vor der Jahrtausendwende Romane zu veröffentlichen begann. 2016 erhielt sie mit dem Man Booker International Prize die erste grosse internationale Auszeichnung für die englische Übersetzung ihres in Korea bereits 2007 erschienenen Romans «Die Vegetarierin». 2016 war damit das Jahr ihres internationalen Durchbruchs. «Die Vegetarierin» erschien kurz nach der englischen Übersetzung auch auf Deutsch.

Bereits Han Kangs Vater war Schriftsteller, was ihre Kindheit im Positiven wie auch im Negativen geprägt hat. Sie sei stets von Büchern umgeben gewesen, sagte sie 2016 in einem Interview mit der NZZ. «Möbel gab es bei uns wenig, aber überall lagen Bücher. Denn mein Vater verdiente nicht sehr viel, so dass wir arm waren, was auch der Grund war, warum wir häufig umzogen. In meinen sechs Jahren Grundschule sind wir fünfmal umgezogen.» Dieses unstete Leben sei nicht einfach gewesen, sagte sie. Sie habe immer wieder ihre Freunde verloren und musste neue suchen. «Bis ich welche fand, las ich Bücher und entfloh in die Welt der Phantasie. Diese Einsamkeit meiner Kindheit hat dazu geführt, dass ich lernte, mir eine fiktive Welt auszudenken. Vielleicht bin ich darum Schriftstellerin geworden.»

Der Roman «Die Vegetarierin» erzählt von einer Frau, die sich weigert, Fleisch zu essen, und eine Pflanze werden will. Auch Han Kang hat während einer Zeit auf den Verzehr von Fleisch verzichtet. «Ich bin sehr durch die buddhistische Tradition geprägt, und der Buddhismus lehrt bekanntlich, dass man nicht töten soll», sagte sie im Gespräch mit der NZZ. Nach einer schweren Krankheit rieten ihr jedoch die Ärzte, nicht ganz auf Fleisch zu verzichten.

Im Mittelpunkt des Romans steht denn auch dieser unauflösbare Widerspruch, dass der Mensch nicht überleben kann, ohne sich andere Organismen, seien es tierische oder pflanzliche, einzuverleiben. Er müsste geradezu eine Pflanze werden, wenn er dem Dilemma entgehen möchte. Die Protagonistin des Romans geht diesen radikalen Weg. Sie demonstriert damit auch einen vehementen Protest gegen die Gewaltgeschichte der Menschheit. Im Roman selber bleibt die Figur weitgehend unfassbar. Sie erhält bloss Konturen durch die fragmentierte Aussagen Dritter über sie.

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