Donnerstag, Oktober 31

Der Verwaltungsrat der Finanzmarktaufsicht hat Stefan Walter zum Direktor gewählt. Auf den Deutschen wartet eine Herkulesaufgabe.

Das lange Warten auf einen neuen Chef der Finma hat ein Ende. So ist Stefan Walter vom Verwaltungsrat der Aufsichtsbehörde zum neuen Direktor gewählt worden. Der Bundesrat hat die Wahl am Mittwoch genehmigt. Walter soll seine Funktion am 1. April antreten. Bis dahin bleibt Birgit Rutishauser ad interim Finma-Direktorin.

Damit greift die Finma auf eine externe Lösung im doppelten Sinn zurück. Der 59-Jährige hat bisher nicht bei der Finma gearbeitet, und der neue Chef kommt aus dem Ausland. Der deutsche Staatsangehörige hat dabei einen Grossteil seiner Jugend und seiner akademischen Ausbildung in den USA genossen.

Der designierte Finma-Direktor ist seit 2014 Generaldirektor bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Dort hat er die Bankenaufsicht für die systemrelevanten Banken im Euro-Raum aufgebaut. Der Ökonom leitete den Bereich während sechs Jahren. Ab 2020 wurde er bei der EZB mit dem Aufbau der horizontalen Aufsicht betraut, was sämtliche Risikobereiche im Bankengeschäft umfasst.

Inmitten der Krisenbewältigung

Mit Stefan Walter gewinne man «eine erfahrene Führungspersönlichkeit mit fundierter internationaler Finanzmarkterfahrung in der Bankenaufsicht», betont die Finma-Präsidentin Marlene Amstad. Speziell seine Kenntnisse bei der Grossbankenaufsicht und seine Beziehungen zu internationalen Aufsichtsbehörden seien für die Aufsichtstätigkeit der Finma bei den systemrelevanten Schweizer Banken ein grosses Plus, fügt sie an.

Stefan Walter folgt auf Urban Angehrn. Dieser hatte den Job als Finma-Direktor nach knapp zwei Jahren auf Ende September 2023 wieder abgegeben. Zur Begründung war damals die «hohe und dauerhafte Belastung» des Amtes genannt worden; diese Belastung habe gesundheitliche Folgen gehabt. In die Amtszeit von Angehrn fielen die CS-Krise und die Übernahme der damals zweitgrössten Schweizer Bank durch die Konkurrentin UBS.

Die Finma steht aufgrund der CS-Krise und des Kollapses der traditionsreichen Bank in der Kritik. Der Behörde wird vorgeworfen, sie habe zu spät und zu zögerlich auf die Fehlentwicklungen der Bank reagiert. Kritisiert wurde auch die unklare Aufgabenteilung zwischen Angehrn und Amstad, die ihre Funktion als Präsidentin umfassender interpretiert als ihre Vorgänger. Eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) soll die Rolle der Aufsichtsbehörde in der CS-Krise beleuchten.

Finma will mehr Kompetenzen

Um medial und politisch aus der Defensive zu treten, veröffentlichte die Finma im Dezember ihre eigene Lesart der Ereignisse. Der Bericht zu den Lehren der CS-Krise präsentierte die Rolle der Finma in sehr günstigem Licht; auf eigene Versäumnisse ging man kaum ein. Die Finma habe ihre Aufsichtspflicht im CS-Fall umfassend wahrgenommen, betonte Amstad. Gleichzeitig machte sie sich aber stark für erweiterte Kompetenzen, um die Governance der Banken stärker beeinflussen zu können.

Die Finma fordert drei Dinge: erstens ein Senior-Manager-Regime, was bedeutet, dass die beaufsichtigen Institute schriftlich festhalten müssen, welcher Manager genau wofür zuständig ist. Zweitens drängt man auf die Einführung einer Bussenkompetenz durch den Gesetzgeber. Und drittens will die Finma sogenannte Enforcement-Verfahren regelmässig veröffentlichen können; solche Verfahren können zu Rügen, persönlichen Berufsverboten oder einem Bewilligungsentzug für das Institut führen.

Der neue Direktor muss die Finma inmitten einer turbulenten Zeit auf eine solide Basis stellen. Eine grosse Herausforderung wird sein, das aus der CS-Krise geborene Klumpenrisiko der neuen UBS wirksam zu kontrollieren. Nach diversen Abgängen hochrangiger Finma-Angestellter und Querelen rund um die Führungsverantwortung muss Walter zudem wieder Ruhe in den internen Betrieb bringen.

Ein stiller Schaffer

Ob Walter hierfür die richtige Person ist, wird sich zeigen; er gilt als stiller Schaffer, der bisher selten öffentlich in Erscheinung trat. An der fachlichen Qualifikation gibt es angesichts des bisherigen Werdegangs aber wenig Zweifel. So gewann er bei der EZB einen vertieften Einblick in die Überwachung von Grossbanken. Das umfasste auch die Handhabung von Kredit- und Liquiditätsrisiken und die Durchführung von Stresstests. Es sind dies Aufgaben, für die hierzulande vor allem die Schweizerische Nationalbank (SNB) zuständig ist.

Walter dürfte daher der SNB auf Augenhöhe begegnen können. Das ist angesichts der engen Kooperation zwischen den beiden Organisationen wichtig. Zwar ist die Finma nur für die Bankenaufsicht und somit die Überwachung der einzelnen Institute zuständig, während die SNB aus einer Gesamtperspektive die Finanzstabilität im Blick hält. Der neue Finma-Chef wird aber die ergänzende Rolle der SNB so gut verstehen wie keiner seiner Vorgänger. So hat Walter während dreizehn Jahren in diversen Positionen bei der amerikanischen Notenbank gearbeitet, auch im Bereich der Finanzstabilität.

Nützlich sein dürfte zudem der kurze Abstecher in die Privatwirtschaft. So war Walter vor seiner Tätigkeit bei der EZB während zweier Jahre beim Beratungsunternehmen Ernst & Young angestellt. Auch dort ging es vor allem um Fragen der Bankenregulierung. Wie private Finanzhäuser versuchen, mit den regulatorischen Fesseln der Aufsichtsbehörden zurechtzukommen und diese bisweilen etwas zu lockern, dürfte ihm daher bekannt sein.

Beteiligt am Basler Regelwerk

Prägend waren zudem die Jahre 2006 bis 2011. In dieser Zeit war Walter beim Basler Ausschuss für Bankenaufsicht als Generalsekretär tätig. Der Ausschuss ist das zentrale Gremium für die internationale Koordination der Bankenregulierung und dient als Forum für die Zusammenarbeit bei Fragen der Bankenaufsicht. Ruhig dürfte es Walter in Basel kaum gehabt haben, fiel in seinen Aufenthalt doch die globale Finanzkrise 2007/08.

Die Aufgabe des stark amerikanisch geprägten Ökonomen war es in Basel, die internationalen Verhandlungen zur Reform der Regulierungen zu koordinieren – all dies mit dem Ziel, das Finanzsystem zu festigen. Er war damit auch involviert in die Entstehung des Reformpakets Basel-III. Dieses im Nachgang zur Krise geschnürte Paket auferlegte den Banken strengere Kapitalanforderungen, eine Begrenzung der Verschuldung und einen Mindeststandard für Liquidität.

Das Basler Regelwerk hat den Finanzsektor zwar stabiler gemacht. Es hat eine Krise wie jene der CS aber nicht verhindern können. Experten sind sich uneins, ob es bei der Bankenregulierung nur eine Anpassung des in Basel gebauten Rahmens braucht oder einen Neustart. Die Vermutung liegt nahe, dass Walter aufgrund seiner Tätigkeit in Basel eher zu den Verteidigern des dort entstandenen Regelwerks gehört. Doch auch wenn «Basel» nur minim angepasst werden sollte: An grösseren Umwälzungen vor allem an heimischer Front wird der designierte Finma-Chef kaum vorbeikommen.

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