Freitag, März 14

Bern muss beim Inventar der schützenswerten Ortsbilder nachbessern. Doch der Bund trödelt. Das ist ein Affront gegenüber der Zürcher Bevölkerung.

Seit letztem Juni haben Bauwillige in der Stadt Zürich ein neues bürokratisches Hindernis zu bewältigen. Als wäre das Bauen nicht schon kompliziert genug. Schon das reguläre Bewilligungsverfahren ist langwierig, danach folgen meist Rekursverfahren, oft über alle Instanzen. Immer wieder enden solche Verfahren in Leitentscheiden, die dann neue Regeln zur Folge haben.

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So ist es auch im Zusammenhang mit dem Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung, kurz: Isos. Gemäss einem Bericht des Bundes ist dieses als «eine von mehreren Grundlagen» für die Interessenabwägung bei Verdichtungsprojekten gedacht. Es soll sicherstellen, dass Bauherren nicht rücksichtslos Bauten niedermähen, um sich mit grössenwahnsinnigen Projekten selbst zu verwirklichen.

So weit, so vernünftig.

Fast die ganze Stadt ist inventarisiert

Der Haken ist aber: Drei Viertel des Zürcher Stadtgebiets sind im Isos verzeichnet. Das ist zu viel – auch wenn nicht überall so strenge Vorschriften gelten, wie beispielsweise in der Altstadt.

Verschiedene Gerichtsentscheide haben nun aber dazu geführt, dass Isos für die Mehrheit der Bauprojekte zum Thema geworden ist. Nämlich im Zusammenhang mit der sogenannten Direktanwendung.

Sobald ein Baugesuch eine Bundesaufgabe tangiert – etwa wenn in die Nähe von Grundwasser gebaut wird oder eine Photovoltaikanlage geplant ist – muss das Gesuch vom kantonalen Amt für Raumentwicklung geprüft werden. Kommt das Amt zum Schluss, dass das Isos allenfalls durch das Projekt beeinträchtigt werden könnte, muss das Vorhaben in Bern begutachtet werden.

Allein wegen der Grundwasserthematik sind Bauvorhaben in Zürich fast überall ein Fall für die Isos-Direktanwendung. Die Schnittmenge zwischen inventarisiertem Stadtgebiet und Grundwasservorkommnissen ist gross.

Die Stadt Zürich warnte zuletzt im Sommer 2024, die Handhabe der Isos-Direktanwendung werde in einer Baublockade enden. Der Bund ist klar über das Ziel hinausgeschossen.

Schon bald stapelten sich die Fälle auf den Tischen des Kantons. Das Amt signalisierte, nur noch eine bestimmte Anzahl Fälle bearbeiten zu können. Beim Bund zeigte man sich unbeeindruckt.

Isos-Anwendung verschärft Wohnungsknappheit

An Dringlichkeit hat das Thema seither nicht verloren. Inzwischen sind in der Stadt Zürich Projekte für über 4000 Wohnungen blockiert. Einige davon werden wohl gar nie gebaut werden können.

Das dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein. Gemäss dem Amt für Städtebau sistieren viele Bauwillige ihre Projekte. Es fehlt ihnen an Planungssicherheit. Sie warten lieber ab, bis die Stadt mit dem Bund eine bessere Handhabe ausgehandelt hat.

Betroffen sind vor allem grosse Vorhaben mit vielen Wohnungen. Darunter sind auch viele genossenschaftliche Projekte. Sie haben bereits eine lange Vorlaufzeit und werden in Etappen umgesetzt. Kommt eine davon ins Stocken, verzögert sich der Ersatz ganzer Siedlungen. Für die Stadt Zürich und ihren überstrapazierten Wohnungsmarkt ist das eine unzumutbare Situation.

Für runde Tische ist es schon zu spät

In Bern agiert man derweil weiter nach dem Motto: «Nume nid gsprängt». An einem runden Tisch im Mai sollen Vorschläge für die künftige Handhabe gesammelt werden. Erste Ergebnisse – also keine finale Lösung – stellt das Bundesamt für Kultur unter der SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider für Ende Juni in Aussicht.

Diese Trägheit ist ein Affront. Nicht nur für die Zürcher Politik, sondern insbesondere für die Bevölkerung, die unter der Wohnungsknappheit leidet.

Der Kanton Zürich hat schon 2014 davor gewarnt, dass die für die Stadt vorgesehene Verdichtung nicht mit der umfassenden Inventarisierung vereinbar sein werde.

Nun zeigt sich das Ausmass des Problems und noch immer hat man in Bern nicht begriffen, dass ein «lasst uns mal zusammensitzen» der Situation nicht gerecht wird. Es braucht jetzt eine Veränderung und nicht erst dann, wenn das Bauen in der Stadt komplett zum Stillstand gekommen ist.

Sinnvoll wäre, wenn besonders häufig ausgelöste Bundesaufgaben, etwa zum Thema Grundwasser, nicht mehr in jedem Fall in Bern bearbeitet werden müssten. Das käme keineswegs einem Freipass für Bauherren gleich. Die kantonalen Stellen haben schon heute ein Auge darauf, wenn in Wassernähe gebaut wird.

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