Samstag, September 28

Der sogenannte Primat des Papstes war jahrelang ein Stolperstein für die Ökumene. Ein Papier der vom Schweizer Kardinal Kurt Koch geleiteten vatikanischen Ökumene-Behörde bringt nun neuen Schwung in die festgefahrene Diskussion.

Seit 2010 steht Kardinal Kurt Koch, der emeritierte Bischof von Basel, dem päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen vor – es ist das Ökumene-Amt der Kurie in Rom und mithin eine wichtige Behörde in der katholischen Kirche. Am Donnerstag nun hat Koch gewissermassen sein Opus magnum vorgelegt, eine Schrift unter dem simplen Titel «Der Bischof von Rom».

Was auf den ersten Blick harmlos daherkommt, ist von einiger Brisanz. Denn in dem Dokument geht es um nicht weniger als um die künftige Stellung des Papstes in der christlichen Welt. Dessen Primat galt und gilt seit je als einer der grossen Stolpersteine der Ökumene. Das Erste Vatikanische Konzil von 1870 definierte den Papstprimat als höchste Rechtsgewalt und höchste Lehrvollmacht und führte die Unfehlbarkeit des Papstes in dogmatischen Fragen ein. Es sind diese Festlegungen, die die verschiedenen christlichen Kirchen heute trennen.

Breite Vernehmlassung

Versuche, in diesen Streitpunkten voranzukommen, gab es schon viele. Papst Johannes Paul II. hatte 1995 ein Lehrschreiben unter dem Titel «Ut unum sint» vorgelegt und darin eine andere Art der Ausübung des Papstamtes in Aussicht gestellt. 2020 stelle der gegenwärtige Papst fest, «dass wir in dieser Hinsicht wenig Fortschritte gemacht haben», und ermunterte Kardinal Kochs Behörde, das nun vorliegende Dokument zu verfassen.

Es ist das Ergebnis einer akribischen, fast schweizerisch anmutenden Vernehmlassungsarbeit. In drei Jahren trug Kochs Ökumene-Amt zusammen, was an Texten, theologischen Erwägungen und Verlautbarungen in all den Jahren verfasst wurde, und leitete intensive Gesprächsrunden innerhalb der katholischen und mit den anderen christlichen Kirchen. Das Papier wurde von Papst Franziskus zur «Veröffentlichung freigegeben», wie Koch an einer Medienkonferenz in Rom mitgeteilt hat, und es wird in die zweite Runde der grossen Weltsynode einfliessen, die im Oktober in Rom stattfinden wird.

Konkret schlägt das Dokument vor, die Lehren des Ersten Vatikanischen Konzils «neu zu interpretieren». Damit stellt man, wenn auch etwas verklausuliert, eine offene Diskussion über die Unfehlbarkeit des Papstes in Aussicht. Eigentlich handle es sich dabei ja um die von den Bischöfen gestützte «Unfehlbarkeit der Kirche, die lediglich durch den Papst ausgedrückt wird», erklärte Koch in Rom.

Ein zweiter Vorschlag besteht darin, besser zu unterscheiden zwischen den Aufgaben des Papstes als Bischof von Rom und denjenigen als Verantwortlichem für die Einheit der Kirchen. Denkbar sei, so wird es in dem Papier angetönt, dass der Papst in gewissen Fragen mit den orthodoxen Kirchen des Ostens auf einer Stufe stehen könnte.

Der dritte Vorschlag zielt auf eine Verstärkung der sogenannten Synodalität ab, also auf den vermehrten Einbezug des «gesamten Volkes Gottes» in die kirchlichen Entscheidungen. Auch soll die Rolle der nationalen und regionalen Bischofskonferenzen überdacht werden.

Schliesslich regt das Dokument vermehrte, vom Papst einzuberufende Treffen zwischen den verschiedenen Kirchenführern an, um die «konziliare Gemeinschaft» zu fördern. Der römische Pontifex wäre vor diesem Hintergrund dann womöglich noch so etwas wie der von den anderen anerkannte Ehrenvorsitzende der christlichen Kirchen.

Mit den Reformierten wird’s schwieriger

Noch handelt es sich um Vorschläge ohne Verbindlichkeit. Das Dokument soll nun den anderen Kirchen zur Beratung zugeschickt werden. Man erhofft sich weitere Gespräche und «positive Antworten». Die an der Medienkonferenz in Rom zugeschalteten Vertreter der Armenischen Apostolischen Kirche und der anglikanischen Kirche reagierten schon einmal positiv auf das Dokument. Auf eine entsprechende Journalistenfrage räumte Kardinal Koch ein, dass sich der Dialog mit Kirchen, die wie zum Beispiel die evangelisch-reformierte nicht über bischöfliche Strukturen verfügen, wohl anspruchsvoller gestalten werde.

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