Donnerstag, Oktober 10

Markus Büchel verlässt bald die Kathedra. Der Ostschweizer Bischof galt lange als Hoffnungsträger progressiver Katholiken. Doch zuletzt bekam sein Ruf Kratzer.

Selbst im Bistum St. Gallen zeigt man sich überrascht, wie schnell Franziskus reagiert hat. Am 9. August bot der St. Galler Bischof Markus Büchel dem Papst seinen Rücktritt an, wie das alle Oberhirten an ihrem 75. Geburtstag tun müssen. Und nur wenige Tage später ist schon die Antwort aus dem Vatikan da: Büchel bleibt zwar vorerst im Amt. Aber das St. Galler Domkapitel hat den Auftrag erhalten, mit den Vorbereitungen zur Wahl eines Nachfolgers zu beginnen.

Damit endet im Ostschweizer Bistum bald eine Ära, die mit Büchels Wahl 2006 begann. Der Bauernsohn aus dem Rheintal sieht sich weniger als Kirchenpolitiker denn als Seelsorger, der nahe bei den Menschen sein möchte. Mit der rigiden Sexualmoral seiner Kirche hat er immer gefremdelt. Das machte ihn zum Widersacher des erzkonservativen früheren Bischofs von Chur, Vitus Huonder.

Segen für Homosexuelle

Huonder zitierte vor knapp zehn Jahren Stellen aus dem Alten Testament, laut denen Homosexuelle mit dem Tod bestraft werden sollen. Und erklärte, solche Passagen würden «genügen, um der Frage der Homosexualität aus der Sicht des Glaubens die rechte Wende zu geben». Büchel, damals Präsident der Bischofskonferenz, hielt in einem offenen Brief dagegen.

«Unser heutiges Wissen um die Homosexualität als Anlage und nicht frei gewählte sexuelle Orientierung war zur Zeit der Bibel gar nicht bekannt», schrieb Büchel. Die Kirche müsse sich der historischen Lasten im Umgang mit der Homosexualität bewusst stellen und eine neue menschen- und sachgerechte Sprache finden.

Eine Person und ihre Beziehungen dürfen laut Büchel nicht auf die Sexualität reduziert werden. Man solle sich an jeder Beziehung freuen, «in der sich die Partner als gleichwertige, wertvolle, geliebte Kinder Gottes annehmen, die Würde des anderen achten und das Wohl der Personen befördern» – damit gab er implizit auch homosexuellen Beziehungen seinen Segen.

Durch Missbrauchsfall erschüttert

Der Kampf gegen den sexuellen Missbrauch in der Kirche war Büchel immer ein Anliegen. Deshalb hat es ihn erschüttert, als er im letzten Jahr plötzlich nicht mehr als Saubermann dastand, sondern als Verharmloser. «Ich habe einen grossen Fehler gemacht, und das tut mir leid», sagte der Bischof bei einer Medienkonferenz im September. Dies, nachdem die Pilotstudie zum Missbrauch auch einen Fall aus seinem Bistum aufgedeckt hatte.

Es ging um einen Priester, der ab den siebziger Jahren immer wieder übergriffig geworden sein soll. Er bekam von Mädchen, die er betreute, sogar den Übernamen «Pfarrer Tätscheli». Büchels Vorgänger Ivo Fürer liess die Angelegenheit versanden. 2007 feierte der Priester einen Gottesdienst zusammen mit dem neuen Bischof Büchel. Nachdem im Jahr 2010 neue Vorwürfe aufgetaucht waren, forderte das Fachgremium Missbrauch Büchel auf, endlich Massnahmen gegen den Geistlichen zu ergreifen.

Doch der Priester durfte noch bis 2012 als Kaplan einer Seelsorgeeinheit tätig sein. Erst dann versetzte ihn der Bischof in ein Kloster. Er wurde allerdings weiterhin als Seelsorger in verschiedenen Gemeinden eingesetzt, noch im Januar 2023 sind Eucharistiefeiern mit ihm nachgewiesen. Auch wegen dieser Affäre, für die er sich rechtfertigen musste, dürfte sich Büchel am Ende seiner Amtszeit müde und ausgelaugt gefühlt haben.

Einzigartiges Wahlprozedere

Das Bistum St. Gallen ist einzigartig in der katholischen Weltkirche: Büchels Nachfolger wird nicht vom Papst eingesetzt, sondern vom 13-köpfigen Domkapitel gewählt. Laut dem Communiqué des Bistums haben die Vorbereitungen für diese Kür begonnen, das Domkapitel habe dafür drei Monate Zeit.

Ebenso einzigartig ist, dass auch die einfachen Gläubigen mitreden dürfen: Bei einer Umfrage können sie angeben, welche Eigenschaften ein Kandidat mitbringen muss, um «die Menschen im Bistum St. Gallen zu erreichen und den Herausforderungen in der heutigen Kirche und Welt möglichst gut gewachsen zu sein».

Sobald die Rückmeldungen ausgewertet sind, erstellt das Domkapitel die Sechserliste mit Namen von Priestern aus dem Bistum St. Gallen. Diese Auswahl schickt der Nuntius, der päpstliche Botschafter in der Schweiz, daraufhin nach Rom. Nach einer Prüfung durch den Vatikan bekommt das Domkapitel die Liste zurück – wie lange dieser Prozess dauert, ist ungewiss.

Im Anschluss hat das Parlament der Katholikinnen und Katholiken im Kanton das Recht, drei «minder genehme» Kandidaten von der Liste zu streichen. Erst dann kann das Domkapitel zur Wahl schreiten. Papst Franziskus bleibt einzig die Aufgabe, den Nachfolger von Markus Büchel zu verkünden.

Exit mobile version