Beat Röthlisberger ist der neue Chef der Postfinance. Er will mit der Staatsbank trotz Kreditverbot weiter wachsen und kommt mit einem radikalen Vorschlag.

Der neue Chef der Postfinance steht vor einer schwierigen Aufgabe. Die Zinssenkungen der Nationalbank haben mit dazu geführt, dass der Gewinn der Post-Tochter zurückgegangen ist. Gleichzeitig hat die Bank durch das geltende Kreditverbot einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der Konkurrenz. Anders als sein Vorgänger strebt Beat Röthlisberger jedoch keine Privatisierung der Postfinance an.

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Herr Röthlisberger, seit Juli sind Sie Chef der Postfinance. Die Bank ist kein gewöhnliches Finanzinstitut. Wegen des Kreditverbots ist ihr sozusagen eine Hand auf dem Rücken festgebunden. Was reizt Sie an dem Job?

Diese Frage habe ich mir während des Bewerbungsprozesses ebenfalls gestellt. Was mich an dem Job reizt, ist, die Bank wieder stärker auf die Kunden auszurichten. Das ist auch das klare Mandat, welches mir der Verwaltungsrat erteilt hat. Dieser Fokus hat während der Negativzinsphase gelitten. Wir mussten damals schauen, dass wir nicht zu viele Kunden verlieren. Mein Vorgänger Hansruedi Köng hat die Postfinance zwar gut durch diese Phase gebracht, für die Bank war es aber auch ein Überlebenskampf. Diese sieben Jahre waren für uns eine lange Zeit.

Nun wollen Sie die Bank reorganisieren. Vergangene Woche haben Sie einen Umbau der Geschäftsleitung angekündigt. Zudem müssen sich dem Vernehmen nach zahlreiche Mitarbeiter intern neu für ihre Stellen bewerben. Können Sie das bestätigen?

Nein.

Ist mit der Reorganisation ein Stellenabbau verbunden?

Für eine Aussage hierzu ist es noch zu früh. Die Umstellung erfolgt im Dezember. Wir werden aber versuchen, Stellenverluste wenn möglich zu vermeiden.

Sie sind Chef einer Bank mit 2,4 Millionen Kunden. Ärgert es Sie nicht doch manchmal, dass Sie wegen des Kreditverbots diesen nicht mehr anbieten können?

Das Kreditverbot gab es schon, als ich mich für den Job entschieden habe. Und ich glaube nicht, dass es etwas bringt, sich über Dinge zu ärgern, die man nicht selbst ändern kann. Obwohl wir schon Mittel hätten, um aktiver zu werden, etwa bei der Finanzierung von KMU.

Sie haben den Vorschlag gebracht, dass 25 Milliarden Franken aus dem Anlageportfolio der Bank anstatt im Ausland in die Finanzierung von Schweizer Firmen investiert werden sollen.

Das Kreditverbot ärgert mich in dem Bereich, weil ich vom KMU-Geschäft herkomme. Ich kenne das Dilemma der Unternehmen, wenn sie nicht an die nötigen Finanzierungen kommen, um sich weiterentwickeln zu können. Wir wären rasch bereit, um hier etwas zu ändern.

Dazu müsste aber das Postorganisationsgesetz geändert werden. Wie hat die Politik auf Ihren Vorschlag reagiert?

Wir haben unsere Bereitschaft zur Finanzierung von KMU platziert. Das schulden wir dem Werkplatz Schweiz. Die Politik soll die Frage in einem sauberen politischen Prozess diskutieren. Dann schauen wir, ob dieser eine Mehrheit findet oder nicht. Wichtig ist auch, mir geht es mit dem Vorschlag nicht um das Hypothekengeschäft. Da gibt es bereits genügend Angebote im Markt.

Was wollen Sie den KMU anbieten?

Neben der Finanzierung von Liquidität könnten wir uns zum Beispiel auch unter der Führung der UBS oder der ZKB an Konsortialkrediten für etwas grössere Firmen beteiligen.

Soll denn neben den Kantonalbanken eine weitere Bank im Staatsbesitz ins Kreditgeschäft einsteigen?

Als Teil des Postkonzerns haben wir auch eine Verantwortung gegenüber dem Werkplatz Schweiz. Also sollte es möglich sein, dass wir Firmenkredite vergeben können. Sonst müsste jede Kantonalbank mit expliziter Staatsgarantie den Betrieb einstellen. Sie vergeben ebenfalls Kredite und Hypotheken.

Sie wünschen sich keine Privatisierung der Postfinance. Ihr Vorgänger war dem Vorhaben gegenüber positiv eingestellt.

Wir sind sehr stolz, zur Post zu gehören. Würden wir das nicht mehr, würde das auf der Seite der Kunden wie der Mitarbeiter einen enormen Schaden verursachen, und zwar ohne dass genau klar wäre, was im Falle einer Privatisierung überhaupt besser wäre. Zudem ist bei dem Thema noch vieles ungeklärt. Mir konnte noch niemand die Frage beantworten, wer denn die Eigenkapitalgeber einer privatisierten Postfinance wären. Klar ist aber auch: Der Ruf nach Privatisierung kam auch, weil man genau gewusst hat, dass er sich nicht umsetzen lässt. Das zeigte sich in der anschliessenden Diskussion im Parlament 2022. Kein einziger Parlamentarier ist auf die Vorlage eingetreten.

Wegen des Kreditverbots ist die Postfinance stärker als andere Banken vom herrschenden Zinsniveau abhängig. 2024 war ihr Zinsertrag rückläufig. Wie weit können Sie sich von dem Geschäft lösen?

Vollständig vom Zinsgeschäft lösen können wir uns nicht. Wir können es aber auf verschiedene Arten steuern. Zum Beispiel durch die Passivzinsen, die wir den Kunden auf ihren Konten geben, oder durch unsere Finanzanlagen. Zusammen mit unserem Anlageportfolio können wir aktuell eine Marge von 0,4 bis 0,5 Prozent erreichen.

Aber das ist deutlich tiefer als bei einer klassischen Retail-Bank mit Hypothekargeschäft.

Unsere Zinsmarge liegt im Durchschnitt zwischen 0,6 und 0,7 Prozentpunkten tiefer. Um resistenter zu werden, müssen wir das zinsindifferente Geschäft wie Anlegen und die Vorsorge stärken.

Im Zusammenhang mit einem Schuldschein, den Sie vor mehr als zehn Jahren an das mittlerweile insolvente Spital Wetzikon vergeben haben, mussten Sie 2024 einen Abschreiber vornehmen. Von 25 Millionen im ersten Halbjahr sind die Abschreibungen fürs ganze Jahr auf 40 Millionen Franken gestiegen. Haben Sie nun den gesamten Schuldschein abgeschrieben?

Bei den 40 Millionen Franken handelt es sich um mehrere Positionen, welche wir wertberichtigen mussten. Bei der Gegenpartei, die Sie ansprechen, hat sich im letzten halben Jahr unsere Einschätzung der Situation verschlechtert. Das ist aber ein Einzelfall. Auf unser gesamtes Anlageportfolio von 70 Milliarden hatten wir in den letzten zehn Jahren keinen einzigen Abschreiber. Wir sind mit unseren Schuldscheinfinanzierungen ein wichtiger Partner von Gemeinden, Städten und staatsnahen Unternehmen wie Spitälern.

Das Schuldscheinportfolio der Postfinance umfasst 14 Milliarden Franken. Eigentlich handelt es sich dabei um eine Art von ungedeckten Krediten. Ritzen Sie damit nicht das Kreditverbot?

Nein, diese Kritik verstehe ich nicht. Es wurde mehrfach von unabhängigen Stellen überprüft und von den Behörden bestätigt, dass die Vergabe von Schuldscheinen durch das Postorganisationsgesetz gedeckt ist. Sonst dürften wir auch keine Anleihen zeichnen, das sind ja ebenfalls Kredite.

Sehr gut läuft dagegen die Neobank Yuh, ein Gemeinschaftsunternehmen von Postfinance und Swissquote. Yuh hat 2024 zum ersten Mal einen Gewinn in der Höhe von 1,7 Millionen Franken erwirtschaftet. Ist Yuh eigentlich die bessere Postfinance?

Es kommt darauf an, für welches Segment. Etwas von null aufzubauen, ist auch eine Chance. Yuh konnte sehr leicht starten ohne die gesamte Infrastruktur, wie wir sie haben, also etwa die Filialen. Ganz mit der Postfinance vergleichen lässt sich Yuh allerdings doch nicht. Klar ist die Neobank ein Stück weit auch eine Konkurrenz für uns. Sie existiert aber doch nur digital und verfügt auch nicht über so viele Angebote wie wir. Zudem haben die allermeisten Neobanken nach wie vor einen sehr geringen Anteil als Hausbank. Doch Yuh hat sich hervorragend am Markt positioniert, und wir werden sehen, wie sich das weiterentwickelt.

Hat Yuh bereits etwas zum Ergebnis von Postfinance beigesteuert?

Die Neobank ist für uns in erster Linie ein strategisches, kein finanzielles Engagement. Wir rechnen auch für die kommenden Jahre nicht mit grossen Gewinnbeiträgen. Das würde bedingen, dass Yuh Dividenden ausschüttet. Diese Phase hat Yuh aber noch nicht erreicht.

Wie stark belastet Sie eigentlich der Grundversorgungsauftrag wirtschaftlich, den Sie als Teil des Service public erbringen müssen? Für das Jahr 2024 haben Sie bei den Schalterzahlungen ein Minus von 58 Millionen Franken ausgewiesen.

Stellen Sie sich die Kritik vor, wenn wir diese einstellen würden. Obwohl es für uns ein defizitäres Geschäft ist, diskutieren wir keine Sekunde darüber, ob wir sie anbieten sollen oder nicht. Schalterzahlungen sind eine Dienstleistung, welche wir im Rahmen der Grundversorgung anbieten müssen. Sie gehören zu unserem gesetzlichen Auftrag.

Nach dem Ende der Credit Suisse arbeitet die Politik an einer Reform der Bankenregulierung. Als systemrelevante Bank betrifft die Postfinance die geplante Einführung der staatlichen Liquiditätshilfe, des sogenannten Public Liquidity Backstop. Was bringt der Ihnen?

Im Grunde genommen ist das eine Art von Versicherung, vor allem für die Kunden von grossen Banken. Diese soll den Schweizer Finanzplatz sicherer machen. Alles, was für mehr Sicherheit sorgt, ist in unserem Sinn. Die Frage ist nur, wie sich die Kosten für die Abgeltung dieser Versicherung verteilen. Wir sind bereit, einen vernünftigen Teil dazu beizutragen. Aufgrund der Grössenverteilung unter den systemrelevanten Banken gehen wir jedoch davon aus, dass die UBS den grössten Teil dieser Abgeltung übernehmen wird.

Wie sehen Sie die weiteren Regulierungsvorhaben, etwa die angedachte Erweiterung der Kompetenzen der Finanzmarktaufsicht?

Die Finma ist für uns ein wichtiger Partner, und wir arbeiten intensiv mit der Behörde zusammen. Aber ich hoffe, dass dieser Ruf nach zusätzlicher Regulierung vor allem für die inlandorientierten Banken doch wieder etwas nachlässt.

Beat Röthlisberger

Vor seinem Amtsantritt bei der Postfinance war Röthlisberger stellvertretender CEO der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB) wo er den Bereich Unternehmenskundenberatung leitete. Zuvor war der 53-Jährige bei der UBS tätig. Er hat Betriebsökonomie studiert, ist verheiratet und hat zwei Töchter. Er lebt im Kanton Basel-Landschaft.

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