Samstag, Dezember 21

Der Untersuchungsbericht des Parlaments zur CS-Krise liefert eine Liste von Hinweisen für die künftige Grossbankenregulierung. Ohne Reformen bringt man die Risiken für den Steuerzahler nicht weg.

Will die Schweiz weiter eine globale Grossbank beheimaten? Oder sind die Risiken grösser als die Chancen? Wie lassen sich die Risiken für die Steuerzahler eingrenzen? Wie kann man die faktische Staatsgarantie für die UBS versenken oder wenigstens abschwächen? Oder ist das gar nicht möglich?

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Solche Fragen werden im kommenden Jahr das Bundesberner Politiktheater umtreiben. Dann will nämlich der Bundesrat konkrete Gesetzes- und Verordnungsvorschläge zur künftigen Bankenregulierung bringen – mit besonderer Berücksichtigung der UBS. Damit will die Regierung die Lehren aus dem Schlamassel der Credit Suisse umsetzen.

Der am Freitag vorgelegte Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) seziert dieses Schlamassel – mit dem Fokus auf der Rolle der Behörden. Rüffel verteilt die PUK vor allem an die Finanzmarktaufsicht (Verdikt: zu grosszügige Gewährung von Erleichterungen bei den Kapitalvorgaben) und an den früheren Finanzminister Ueli Maurer (grosse CS-Freundlichkeit und Skepsis gegenüber einer starken Finanzmarktaufsicht).

Durchgefallen im Härtetest

Nach der Finanzkrise mit der UBS-Rettung von 2008 durch den Staat hat die Schweiz wie viele andere Länder die Regeln für grosse Banken zwecks Senkung der Risiken für die Steuerzahler deutlich verschärft. Zu den Kernelementen gehörten strengere Vorgaben für Eigenkapital und Liquidität sowie Pflichten für eine Krisenplanung mit Notfallvorkehrungen zur Sicherung der «systemrelevanten» Teile von betroffenen Instituten. Die Grundidee: Grosse Banken sollten nicht mehr auf eine faktische Staatsgarantie zählen können.

Trotzdem kamen bei der Lösung der Credit-Suisse-Krise wieder Staatskrücken ins Spiel – unter anderem mit einer Verlustgarantie des Bundes für die UBS als Schmiermittel für die Fusion der beiden Grossbanken. Als Alternative zur Fusion hatte die Finanzmarktaufsicht einen im Regelwerk vorgesehenen Plan zur Sanierung der Credit Suisse vorbereitet.

Dass der Sanierungsplan nicht zum Zuge kam, belegt noch nicht die Untauglichkeit der Notfallvorkehrungen im Sinn des Regelwerks. Zu denken gibt aber, dass diverse Entscheidungsträger nicht an den Sanierungsplan glaubten und für den Fall eines Scheiterns der Fusion anscheinend sogar eine (vorübergehende) Verstaatlichung der gesamten Credit-Suisse-Gruppe als kleineres Übel betrachtet hatten.

Antrag zur Verstaatlichung

Belege für diesen Befund liefert nun auch der PUK-Bericht. «Trotz umfangreichen Abklärungen» ist es indes laut dem Bericht «nicht restlos klar», ob es ohne Einigung zwischen UBS und CS zu einer Zwangsfusion gegen den Willen der CS, zu einer Sanierung ohne Staatsbeteiligung an der Krisenbank oder zu einer vorübergehenden Verstaatlichung gekommen wäre.

Der Bericht legt nahe, dass die Nationalbank und schliesslich auch das Finanzdepartement die Option mit Verstaatlichung als kleineres Übel betrachtet haben. Für den Fall eines Scheiterns der Fusion lag laut der PUK ein Antrag des Finanzdepartements zuhanden des Gesamtbundesrats für die Verstaatlichung der CS vor.

Zitiert ist zudem die Chefin der Eidgenössischen Finanzverwaltung mit der Aussage, dass der internationale Druck gegen eine Abwicklung der CS in Form einer Sanierung oder eines Konkurses «unglaublich gross» gewesen sei. Aus alldem muss man einen ernüchternden Schluss ziehen: Das aufgebaute Regelwerk zur Abwicklung von Grossbanken hat im Fall Credit Suisse den ersten Härtetest nicht bestanden – es gibt die faktische Staatsgarantie für Grossbanken noch immer.

Der Begriff «Abwicklung» steht hier für ein Verfahren, das die Aufsichtsbehörde Finma auslöst, wenn laut ihrer Einschätzung das betroffene Institut nicht mehr eigenständig überleben kann. Ein solches Verfahren kann eine Sanierung mit Teilverkäufen, Chefwechseln und Wandlung von Krisenanleihen in neues Eigenkapital bedeuten. Es kann aber theoretisch auch eine Liquidation mit Teilverkäufen und dem Konkurs der Restmasse bedeuten.

Ist ein glaubwürdiges Notfallregime für die Abwicklung einer globalen Grossbank realistisch, und wie wäre dies allenfalls zu erreichen? Solange diese Fragen offen bleiben, sind die anderen Regulierungsdiskussionen nur Nebenschauplätze. Doch der PUK-Bericht beantwortet diese Kernfragen nicht. Gespräche mit Mitgliedern der Kommission deuten eher auf Skepsis. Die PUK erachtet es jedenfalls angesichts der Diskussionen um eine mögliche CS-Verstaatlichung als «sinnvoll», die Einführung der Option einer vorübergehenden Verstaatlichung grosser Banken in der ordentlichen Gesetzgebung «vertieft» zu prüfen.

Offizielle Staatsgarantie?

Die gesetzliche Verankerung einer solchen Option würde nach einer quasioffiziellen Staatsgarantie riechen – was im direkten Widerspruch zum Ziel der Vermeidung von Staatskrücken stünde. Der Bundesrat hatte dies bisher abgelehnt, und er hielt am Freitag an dieser Ablehnung fest. Die Regierung begründete ihre Ablehnung unter anderem mit Hinweisen auf mögliche Fehlanreize und Wettbewerbsverzerrungen. Hier mag unter Umständen ein klassisches Problem der Zeitunstimmigkeit vorliegen: Man will sich nicht im Voraus auf eine Massnahme festlegen, die man dann später im konkreten Fall vielleicht dennoch beschliesst. Hinzu kommt, dass der Staat sich mit der Übernahme einer globalen Grossbank enorme Risiken einhandeln würde, ohne die entsprechenden Managementkapazitäten zu haben.

Glaubt man nicht daran, dass in einer grossen Krise die Abwicklung der UBS ohne Staatskrücken möglich wäre, würde dies einen stärkeren Schutz der Steuerzahler durch klar höhere Eigenkapitalvorgaben für die UBS nahelegen. In der PUK gab es aber keinen Konsens für generell strengere Eigenmittelregeln. Einen Konsens gab es in der Eigenkapitalfrage nur für das Gebot, dass die Gewährung von Erleichterungen gegenüber den regulären Vorschriften transparent auszuweisen sei, zeitlich begrenzt sein müsse und einen klaren Ausstiegsplan erfordere. Diese Vorgaben entsprechen dem, was im Fall Credit Suisse gefehlt hat. Der Bundesrat bezeichnete diesen Anliegen am Freitag als prüfenswert.

Sanfte Empfehlungen

«Die CS hatte kein Kapitalproblem, sondern ein Liquiditäts- und Vertrauensproblem»: Diese nach der Verkündung der Fusion im März 2023 verbreitete Parole von Behörden und Bankenvertretern wurde in der Folge stark relativiert. Das bestätigt nun auch der PUK-Bericht mit seiner Feststellung, dass die CS ohne Sondervergünstigungen durch die Finma die regulären Mindestvorgaben für das Eigenkapital spätestens 2022 nicht mehr erfüllt hätte.

Auf den ersten Blick mag dieser Befund Rückenwind für Forderungen nach strengeren Eigenkapitalvorgaben für die UBS geben. Doch auch das gegenteilige Argument ist zu hören – etwa nach folgendem Motto: Wenn die CS die regulären Kapitalvorgaben erfüllt hätte, hätte sie kein Kapitalproblem gehabt. Die PUK beschränkt sich hier mangels Konsens für weitergehende Massnahmen auf eine harmlose Prüfempfehlung – zur Frage, ob Qualität und Quantität der Eigenmittel der systemrelevanten Banken genügend seien. Als systemrelevant gelten in der Schweiz nebst der UBS auch die inlandorientierten Institute Raiffeisen-Gruppe, Postfinance und Zürcher Kantonalbank.

Insgesamt mündet der über 500-seitige PUK-Bericht in zwanzig Empfehlungen und gut zehn parlamentarischen Vorstössen. Diese betreffen vor allem die künftige Bankenregulierung und die Rollen der Behörden. Die genannten Anliegen zur Bankenregulierung sind grossenteils wenig griffig, und/oder der Bundesrat hat sie in seiner Analyse vom April dieses Jahres bereits aufgenommen. Der Wunsch der 14-köpfigen PUK nach einem einstimmig verabschiedeten Bericht war nicht kompatibel mit weiter gehenden Forderungen. Aus dem linken Lager kamen am Freitag aber rasch solche Anliegen in Sachen UBS – wie etwa ein Bonusverbot und die Abgeltung der faktischen Staatsgarantie.

Mehr Schub für die Finma

Konsens gab es in der PUK für das Anliegen, «die Durchsetzungskraft der Finma zu stärken». Eine PUK-Motion fordert vom Bundesrat, geeignete Massnahmen dazu vorzulegen. Zu prüfen seien unter anderem die Einführung der Bussenkompetenz der Finma gegenüber den systemrelevanten Banken und auch gegenüber Privatpersonen sowie die Erweiterung der Finma-Instrumente zur Frühintervention. Der Bundesrat ist hier bereits am Prüfen.

Sukkurs liefert die PUK im Grundsatz für das Gesetzesprojekt des Bundesrats zur Einführung einer staatlichen Liquiditätssicherung für systemrelevante Banken in der Krise. Im Modell der Regierung würde der Bund der Schweizerischen Nationalbank (SNB) eine Verlustausfallgarantie für Liquiditätshilfen geben, damit eine grosse Bank in der Krise auch ohne Sicherheiten SNB-Hilfen bekommen könnte. Dieses Sicherheitsnetz soll in einer Bankenkrise eine Massenflucht von Bankkunden eindämmen.

Doch sollen die grossen Banken jährlich eine Versicherungsprämie für dieses Sicherheitsnetz bezahlen müssen und wenn ja, wie viel? Diese Frage war nicht Gegenstand der PUK-Diskussionen. Im Parlament dürfte dieser Punkt noch grosse Kontroversen auslösen.

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