Mittwoch, Januar 15

Er gilt als prominentester Rechtsextremer und Islamkritiker Grossbritanniens und sieht sich selber als Märtyrer für die Meinungsfreiheit. Nun ist Tommy Robinson im Zuge der schweren Ausschreitungen im Land in den medialen Fokus geraten.

Normalerweise schiesst die rechte Boulevardzeitung «Daily Mail» rhetorisch scharf gegen links. Im Zuge der gewaltsamen Unruhen in Grossbritannien der letzten Tage nahm das Blatt nun aber Tommy Robinson, den bekanntesten Exponenten der rechtsextremen Szene Grossbritanniens, ins Visier. Aufgrund von Videos, die Robinson in den sozialen Netzwerken veröffentlicht hatte, eruierten die Journalisten, dass sich der 42-Jährige mit seinen drei Kindern in einem Fünfsternehotel auf Zypern befand. Daraufhin warf das Boulevardblatt Robinson vor, er schüre von seinem Liegestuhl im Luxusresort aus Hass und verleite seine «Fusssoldaten» dazu, die Heimat mit Vandalenakten in Angst und Schrecken zu versetzen.

Einfluss in den sozialen Netzwerken

Robinson, der mit bürgerlichem Namen Stephen Yaxley-Lennon heisst, hat auf der Plattform X über 880 000 Follower. Von Zypern aus veröffentlichte er aggressive Aufrufe zu Protesten. Seit Ende Juli ein 17-Jähriger mit rwandischen Wurzeln eine brutale Messerattacke auf Schulkinder verübt hatte, wird das Land von Krawallen heimgesucht. In Rotherham versuchte am Wochenende eine Meute, ein in eine Unterkunft für Asylsuchende umfunktioniertes Hotel in Brand zu stecken. In Bolton gerieten Muslime und Rechtsextreme aneinander, vielerorts kam es zu Plünderungen und Übergriffen auf die Polizei.

2018 hatte die damals noch Twitter genannte Plattform Robinson gesperrt, doch schaltete das Netzwerk sein Konto nach der Übernahme durch Elon Musk wieder frei. Die hohe Zahl von Followern ist Ausdruck dafür, dass Robinson seit Jahren ein Wortführer der rechten Szene ist und immer wieder an Demonstrationen auftritt. 2009 gründete er in seiner Geburtsstadt Luton ausserhalb von London die English Defence League (EDL), nachdem muslimische Extremisten aus dem Irak zurückkehrende britische Soldaten beschimpft hatten.

Luton hatte damals einen hohen Anteil muslimischer Einwohner und eine radikal-islamistische Szene. Als Jugendlicher schloss sich Stephen Yaxley-Lennon lokalen Fussball-Hooligans an. Eine Lehre als Flugzeugmechaniker musste er abbrechen, nachdem er wegen einer Körperverletzung gegen einen Polizeibeamten zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt worden war. In der Folge nahm er das Pseudonym Tommy Robinson an, das seine wahre Identität verschleiern und an einen prominenten Hooligan aus dem Umfeld des Klubs Luton Town FC erinnern sollte.

Robinson macht immer wieder mit antimuslimischer Rhetorik auf sich aufmerksam, vermeidet aber Aufrufe zur Gewalt. Dennoch geriet er mit dem Gesetz in Konflikt und sass viermal im Gefängnis. Hinter Gitter musste er beispielsweise 2013, weil er mit dem Pass eines Freundes illegal in die USA eingereist war. Zudem hat er sich wiederholt gerichtlichen Anordnungen widersetzt, was ihm in einschlägigen Kreisen über Grossbritannien hinaus den Ruf eines Märtyrers für freie Meinungsäusserung eingetragen hat.

Rechtsextreme Szene ist dezentralisiert

Die von Robinson gegründete EDL schlug in der Geschichte des britischen Rechtsextremismus ein neues Kapitel auf. Zuvor hatten Gruppierungen wie die British National Party (BNP) versucht, in der Parteienlandschaft Fuss zu fassen. Die EDL hingegen verstand sich als ausserparlamentarische Bewegung und setzte auf Mobilisierung in den sozialen Netzwerken. Doch bewegte sich die Gruppierung auch im Grenzbereich zum Terrorismus, einige Mitglieder pflegten Kontakte zum norwegischen Massenmörder Anders Behring Breivik.

Robinson sagte sich 2013 von der EDL los. Darauf löste sich die Gruppierung formell auf, wobei sie nach wie vor als informeller Sammelbegriff herumgeistert. 2023 sprach der damalige Premierminister Rishi Sunak nach Ausschreitungen im Zentrum Londons von «EDL-Rowdys».

Auch im Zuge der jüngsten Krawalle in England und Nordirland ist immer wieder von der EDL und von Robinson die Rede. Laut Jacob Davey, einem Experten bei der auf Radikalisierung spezialisierten Nichtregierungsorganisation Institute for Strategic Dialogue, ist dieser Fokus aber zu vereinfachend. Gegenüber dem «Observer» betonte er, bei den Protesten gebe es zwar rechtsextreme Rädelsführer und bekennende Neonazis, aber auch besorgte Bürger, Hooligans und Mitläufer.

Zusammengehalten würden diese Akteure durch ein loses Online-Netzwerk, das sich über Kanäle wie Telegram mobilisiere. Ähnlich wie in anderen westlichen Ländern sei die rechtsextreme Szene auch in Grossbritannien viel fragmentierter und dezentralisierter als früher, erklärte Davey. Entsprechend fällt es Medien und Politikern schwer, das Phänomen der Krawalle zu fassen.

Robinson mag dank seinem Online-Einfluss die Unruhen zusätzlich befeuern, doch werden die Krawalle nicht zentral gesteuert. Die strukturellen Hintergründe sehen Beobachter bei der Perspektivenlosigkeit für die britische Unterschicht sowie einem Unmut über die hohen Migrationszahlen. Wann Robinson nach Grossbritannien zurückkehrt, ist offen. Er liess durchblicken, er sorge sich um seine Sicherheit. Mit der Verbreitung eines Dokumentarfilms dürfte sich Robinson zudem gerichtlichen Anordnungen widersetzt haben. Doch beteuerte er, er werde sich von der Justiz keinesfalls zum Schweigen bringen lassen.

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