Obschon das duale Prinzip weltweit bewundert wird und funktionsfähig ist, fördert der Staat umfassende Veränderungen in den Schulen – meistens gegen den Willen der Profis: der berufserfahrenen Lehrer.
Normalerweise, müsste man glauben, ändert sich ein System, wenn es nicht mehr (genügend gut) funktioniert. Kenner der Materie stellen Mängel fest – und fordern folgerichtig Verbesserungen. Im Schweizer Bildungssystem geschieht seit Jahrzehnten das Gegenteil. Obschon es gut funktioniert hat, das duale Prinzip weltweit bewundert – und nachgeahmt – wird, muss es verändert werden. Reform reiht sich an Reform, meistens gegen den Willen der Profis, die das System am besten kennen: der berufserfahrenen Lehrer.
In akademischen Elfenbeintürmen tüfteln Theoretiker an einer Utopie: Die Schüler sollen, natürlich, weiterhin gut ausgebildet und aufs Berufsleben vorbereitet werden. Aber bitte ohne Druck, ohne Leistungsgedanken. Noten? Weg damit. Diese fördern doch bloss einen ungesunden Konkurrenzkampf. Der Lehrer ist ja auch nicht mehr Autoritätsperson, sondern in der Klasse ein Teil des Teams. Wissen ist ohnehin nicht mehr wichtig, vermittelt werden sollen Kompetenzen.
Dieser Reformwahn führt zum Verlust von Schulfächern – oder zur Abschaffung von klassischen Prüfungen. Im KV gibt es kein Rechnungswesen mehr, sondern es steht «Smalltalk», eine sogenannte Handlungskompetenz, auf dem Stundenplan. Dann braucht es, ganz praktisch, auch keine Tests mehr. Es überrascht also nicht, dass in den Berufsschulen dieses Landes ab 2026 keine Abschlussprüfungen mehr im allgemeinbildenden Unterricht (ABU) stattfinden sollen. Warum den Kenntnisstand abfragen in Themen wie Gesellschaft, Wirtschaft, Recht oder Sprache, wenn es auch eine Abschlussarbeit tut (vielleicht noch, ganz gemütlich, verfasst mit KI)?
Das ist so unverständlich, dass kein triftiger Grund für die Reform genannt werden kann. Auch der Bund kann’s nicht, hält aber eisern an der Umsetzung fest. Obschon eine Mehrheit der Kantone, der Parteien, der Verbände, Konferenzen, Ämter und Bildungsinstitutionen sich gegen die Abschaffung wehrt.
Was jedoch klar ist: Wenn die Anforderung sinkt, wird auch das Niveau sinken. Das ist den Verantwortlichen vielleicht gar nicht so wichtig, denn Ideengeber und Umsetzer sind oft dieselben: private Bildungsfirmen. Diese haben naturgemäss ein Interesse an Veränderungen: Wenn es Geld einbringt, ist eine Reform, auch wenn sie inhaltlicher Unfug ist, stets genehm. Es dürfte niemanden wundern, dass die Abschaffung der Abschlussprüfungen an den Berufsschulen ein Vorschlag von privater Seite war, wie in einem Protokoll festgehalten ist.
Abgenickt werden diese Verschlimmbesserungen des Bildungssystems von Beamten, die kaum je in einer Schule gearbeitet haben. Und die pädagogischen Hochschulen, die die künftigen Lehrer ausbilden, machen mit. Weil sie, erstens, abhängig sind von Drittmitteln und, zweitens, weil auch sie oftmals geführt werden von hochdekorierten Technokraten ohne Praxiserfahrung.
Zu welchem Unsinn die Geisteshaltung im Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) führt, zeigen offizielle Dokumente: Das SBFI ist tatsächlich der Ansicht, dass es in den Berufsschulen «eine Veränderung zum Status quo» brauche, weil mit einer schriftlichen Prüfung «nach wie vor die Gefahr» bestehe, «keine Kompetenzen, sondern Wissen abzufragen».
Wissen ist schlecht. Was Kompetenzen sind, weiss niemand so genau. Können die Schüler das googeln?
Die Folgen sind katastrophal: Schweizer Schüler schneiden in Leistungsvergleichen immer schlechter ab. Fast zwei Millionen Erwachsene sind mit einfachsten Aufgaben überfordert. Und am verheerendsten: Der Staat fördert aktiv – indoktriniert via Schulen – eine Gesellschaft, in der Leistung und Ambition verpönt sind. Hauptsache, alle sind gleich – wenn auch nur gleich schlecht?