Einmal mehr ist in Europa ein grosser Reisekonzern pleite. Nach Thomas Cook trifft es nun die Münchener FTI Group, Europas drittgrössten Reiseveranstalter. Berlin will diesmal keine Hilfe leisten.
Der Vogel ist abgestürzt: Der Touristikkonzern FTI, der stilisierte Flügel im orangefarbenen Logo führt, die an eine im Wind gleitende Möwe erinnern, hat am Montag beim Amtsgericht München einen Insolvenzantrag gestellt. Dadurch zittern wohl nicht nur rund 11 000 Mitarbeiter um ihren Job, sondern auch Tausende Touristen um ihre Reise. Die Münchener FTI Touristik GmbH ist die Obergesellschaft der FTI Group und nach TUI sowie der zum Rewe-Konzern gehörenden DER Touristik der drittgrösste Reiseveranstalter in Europa.
Milliardärsfamilie Sawiris will bei FTI aussteigen
Der mit rund einer Milliarde Euro verschuldete Konzern kämpft schon lange um seine Zukunft. Wie alle Reiseunternehmen war die FTI Group durch die Corona-Pandemie in eine existenzielle Krise geraten. Damals eilte der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) dem Konzern mit 595 Millionen Euro zu Hilfe. Davon soll erst ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag zurückgezahlt worden sein. Andere Unternehmen, etwa Lufthansa und TUI, haben die Hilfen aus dem WSF längst beglichen.
Mehrheitseigner von FTI ist die ägyptische Milliardärsfamilie Sawiris. Diese will das Engagement aber nicht fortführen, weshalb die Suche nach einem neuen Investor nötig geworden ist. In der Schweiz ist der Investor und Unternehmer Samih Sawiris durch das touristische Grossprojekt Andermatt Swiss Alps im Kanton Uri bekannt. In Andermatt hat er ein Ferienzentrum mit Hotels, Ferienhäusern und Ferienwohnungen errichtet.
Mitte April hatte FTI bekanntgegeben, dass nach einer langen und komplexen Investorensuche ein Konsortium um den amerikanischen Finanzinvestor Certares die FTI Group für einen symbolischen Euro übernehmen und 125 Millionen Euro neues Kapital in das Unternehmen fliessen lassen will. Dazu ist es nun jedoch nicht mehr gekommen.
Zum einen sind laut Unternehmensangaben die Buchungszahlen deutlich hinter den Erwartungen geblieben, zum anderen hätten zahlreiche Lieferanten auf Vorkasse bestanden. Der dadurch höhere Liquiditätsbedarf konnte bis zum Abschluss der Transaktion nicht überbrückt werden. Laut Medienberichten bestand eine Deckungslücke in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrages, die keiner der Beteiligten überbrücken wollte. Die deutsche Bundesregierung hat laut Medienberichten am Wochenende weitere Hilfen abgelehnt.
Erster Einsatz für den deutschen Reisesicherungsfonds
Derzeit arbeitet FTI nach eigenen Angaben daran, dass angetretene Reisen planmässig beendet werden könnten. Noch nicht begonnene Reisen würden jedoch voraussichtlich ab Dienstag, den 4. Juni, nicht mehr oder nur teilweise durchgeführt. Das Auswärtige Amt hat derweil betroffenen Feriengästen seine Unterstützung zugesagt. Laut einem Sprecher steht das Amt über seinen Krisenstab im engen Austausch mit dem Deutschen Reiseverband und dem Deutschen Reisesicherungsfonds (DRSF), um sich Klarheit über die Lage zu verschaffen.
Laut Branchenexperten gilt in Deutschland für Pauschalreisen die Sicherungspflicht. Dabei bekommen Kunden bei der Buchung von einer Versicherungsgesellschaft oder dem DRSF einen Sicherungsschein. Dadurch dürften die Käufer von Pauschalreisen, bei denen ein Veranstalter zwei oder mehr Leistungen als Paket anbietet, vor Unbill geschützt sein. Der Schutz greift allerdings nicht, wenn Kunden nur eine einzelne Leistung bei den verschiedenen Marken von FTI gebucht haben. Diesen Kunden bleibt wohl nur die Möglichkeit, ihre Ansprüche beim Insolvenzverwalter mit sehr ungewissem Ausgang geltend zu machen
Der DRSF war erst vor wenigen Jahren nach der Insolvenz von Thomas Cook gegründet worden, weil damals die Versicherungssummen von insgesamt 110 Millionen Euro nicht ausgereicht hatten. Dadurch wären Tausende Kunden auf ihren Forderungen und Verlusten sitzen geblieben, weshalb schliesslich der Staat eingesprungen war.
Der geschaffene Fonds soll sich bei der Pleite eines Veranstalters um die Erstattung der Vorauszahlungen der Kunden, den Rücktransport gestrandeter Feriengäste sowie deren Unterbringung bis zum Rücktransport kümmern. Inzwischen verfügt der DRSF, der von den Reisefirmen alimentiert wird, über mehr als 750 Millionen Euro.
Einige Marken (noch) nicht von Insolvenz betroffen
Laut einer Mitteilung von FTI ist von der Insolvenz zunächst nur die Veranstaltermarke FTI Touristik betroffen. In der Folge würden aber auch weitere Konzerngesellschaften entsprechende Anträge stellen. Die Windrose Finest Travel GmbH mit der Luxusmarke Windrose soll die Geschäfte jedoch weiterführen. Zudem gehören die eigenständigen Firmen Euvia GmbH und deren Reise-Shopping-Kanal sonnenklar.TV sowie das Franchise-System der Touristik-Vertriebsgesellschaft GmbH (TVG) mit den Marken sonnenklar.TV Reisebüros, 5vorFlug Reisebüros sowie Flugbörse nicht zur FTI Group.
Die Insolvenz von FTI kurz vor Beginn der europäischen Hauptreisezeit dürfte zur Belastungsprobe für die gesamte Branche werden, da fraglich ist, was mit gebuchten Kapazitäten bei Partnerunternehmen wie Fluggesellschaften und Hotels nun geschehen wird. Derzeit ist noch unklar, wie der Reisemarkt diese Neujustierung verarbeiten wird.
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