Die Schweiz ist eine wichtige weltweite Drehscheibe für den Handel mit Erdöl, Kupfer und Weizen. Die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine verändern die Branche.

In den Zahlen für den Schweizer Rohstoffhandel schlagen sich die Sanktionen gegen Russland deutlich nieder. Im Jahr 2022 sah dies noch anders aus: Der Wert der Rohstoffe, die von Schweizer Rohstoffhändlern aus Russland gekauft und weiterverkauft wurden, betrug damals 88,5 Milliarden Franken, was sogar mehr als im Vorjahr war.

Im vergangenen Jahr rasselte der Wert jedoch laut der Schweizerischen Nationalbank auf 18,5 Milliarden Franken hinunter. Einerseits gingen die Preise für Erdgas und Erdöl zurück, was den Wert gegenüber 2022 reduzierte. Andererseits verringerten sich auch die Mengen.

Sanktionen machen sich bemerkbar

Das Embargo der EU gegen russische Rohöllieferungen trat erst im Dezember 2022 in Kraft, dasjenige gegen Erdölprodukte im Februar 2023. Deshalb ist es wenig überraschend, dass der grosse Einbruch erst im vergangenen Jahr zustande kam. Der Ölhandel machte bisher wertmässig den grössten Teil des Geschäfts von Schweizer Unternehmen mit Russland aus.

Die Sanktionen gegen Russland schlagen sich im Transithandel nieder

Ausgaben für Waren im Transithandel mit Russland, in Mrd. Fr.

Die grossen Handelshäuser sprachen jedoch schon vor zwei Jahren von Selbstsanktionen – auch weil westliche Banken Geschäfte mit Russland nicht mehr finanzieren wollten. Derzeit erklären die Händler einstimmig, nicht mehr mit russischem Rohöl zu handeln, obwohl dies noch bis zu einer bestimmten Preisgrenze möglich wäre. Gleichzeitig hiess es damals noch, dass bestehende Abnahmeverträge für einige Zeit erfüllt werden müssten. Auf alle Fälle zeigen die Zahlen der Nationalbank, wie sich die Handelsflüsse in den vergangenen zwei Jahren verändert haben.

Die Schweiz rühmte sich lange Zeit damit, dass der Grossteil der russischen Rohstoffexporte über die Handelsplätze am Genfersee, in der Innerschweiz und im Tessin läuft. Manche Rohstoffe wie landwirtschaftliche Produkte oder Industriemetalle aus Russland unterliegen weiterhin keinen westlichen Sanktionen. Der Handel mit Erdöl ist aber offenbar abgewandert. Besonders in Dubai entstanden in der vergangenen Zeit neue Gesellschaften, die mit russischen Rohstoffen handeln. Oder es wurden Geschäfte in den Golfstaat ausgelagert.

«Dubai hat derzeit den Höhepunkt erreicht», sagt jedoch Russell Hardy im Gespräch. Der Chef von Vitol, dem weltweit grössten unabhängigen Erdölhändler, meint, die russischen Handelsfirmen und andere Gesellschaften, die ihnen gefolgt sind, seien bereits im Golfstaat. Jetzt gehe es um die Stabilität der Branche in Europa. Die wirtschaftliche Entwicklung der europäischen Länder und die Besteuerung seien Faktoren, die mehr Unternehmen dazu veranlassen könnten, nach Dubai zu ziehen.

Festhalten am hohen Niveau

Der Rückgang des Handels mit Russland hat jedoch das Geschäftsvolumen des Rohstoffhandels in der Schweiz insgesamt wenig beeinträchtigt. Der Handel blüht geradezu. Die Schweiz bleibt weiterhin eine der grössten Drehscheiben der Welt für Geschäfte mit Energie, Kupfer und Weizen. Der sogenannte Transithandel ist zwar 2023 etwas gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen, das Niveau ist jedoch hoch geblieben.

Die Einnahmen aus dem Rohstoffhandel boomen

Nominaler Transithandelssaldo der Schweiz, in Mrd. Fr.

Unter den Begriff Transithandel fallen all die Handelsgeschäfte von Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, bei denen die Ware ge- und verkauft wird, ohne dass die Güter je eine Schweizer Grenze überschreiten. Damit ist vor allem der Rohstoffhandel gemeint. Die Nettoeinnahmen werden als Bruttoertrag aus Warenverkäufen im Ausland abzüglich Aufwendungen im Ausland definiert.

Die Entwicklung des schweizerischen Transithandels spiegelt sich auch in den Ergebnissen der grossen Rohstoffhändler in der Schweiz für das vergangene Jahr. Die Gewinne fielen nicht mehr ganz so üppig aus wie im Rekordjahr 2022, die Kassen der Handelshäuser füllten sich aber deutlich überdurchschnittlich.

So erzielte Vitol laut Medienberichten einen Gewinn von 13 Milliarden Franken, um 2 Milliarden Franken weniger als im Jahr 2022. Trafigura verdiente mit 7,4 Milliarden Dollar gar mehr als im Vorjahr, wobei die Geschäftsjahre jeweils bis Ende September laufen. Auch die Mitbewerber Glencore, Gunvor und Mercuria erreichten aussergewöhnlich hohe Gewinne, die jedoch geringer als im Jahr 2022 ausfielen.

Ähnlich bedeutend wie die Finanzbranche

Das heisst auch, dass die Bedeutung des Transithandels für die Schweiz nicht stark abgenommen hat. Die Aussenhandelsströme fliessen in die Berechnung des Bruttoinlandprodukts ein. Derzeit macht der Handel mit Gütern, die nicht physisch in die Schweiz eingeführt werden, mehr als 9 Prozent der Schweizer Wertschöpfung aus. Dies entspricht dem Beitrag der Versicherungen und Banken zur Schweizer Wirtschaft.

Der Rohstoffhandel hat an Bedeutung zugelegt

Saldo des Transithandels im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt der Schweiz, in Prozent

Die Einnahmen und Ausgaben sind aber nicht mit der Wertschöpfung der Rohstoffhändler gleichzusetzen. Erstens müssten noch Vorleistungen wie Transport-, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen abgezogen werden. Zweitens sind nicht nur Rohstoffhändler im Transithandel tätig, sondern auch Unternehmen anderer Branchen.

Die Schweizerische Nationalbank weist nun auch die Produktgruppen beim Transithandel aus. Es zeigt sich, dass der Rohstoffhandel im vergangenen Jahr einen Anteil von 84 Prozent am Transithandel hatte, vor zehn Jahren waren es 89 Prozent. Anhand dieser Zahlen liegt die Bedeutung des Rohstoffhandels bei knapp 8 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Die Bedeutung von Energiegütern am Transithandel nimmt ab

Anteile einzelner Produktgruppen am Transithandel, in %

Landwirtschaftliche Produkte

Chemikalien, Pharmazeutika

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