Donnerstag, Oktober 10


Frühlingserwachen

Nach den dunklen, farblosen Tagen des Winters wirken Magnolien wie opulenter Luxus. Ihre extravagant grossen Blütenkelche entfalten sich derzeit zu Hunderten auf den Zweigen noch blattloser Bäume.

Plötzlich sind sie da. Extravagant grosse Blütenkelche entfalten sich von einem Tag auf den anderen zu Hunderten auf den Zweigen noch blattloser Bäume. Von elegantem Weiss über zartes Rosa bis zu tiefem Magenta und manchmal sogar Gelb – nach den dunklen, farblosen Tagen des Winters wirken Magnolien wie opulenter Luxus. Auch andere Bäume blühen spektakulär, aber keine Gattung hat so imposante Blüten wie die Magnolie.

Auch aus der Nähe betrachtet sind Magnolienblüten ungewöhnlich. Sie muten übertrieben stabil an, fast wie aus Wachs modelliert. Was überflüssig solide erscheint, hat jedoch seinen Grund. Magnolien entwickelten sich bereits vor rund 100 Millionen Jahren. Damals gab es Dinosaurier, aber noch keine Bienen. Für ihre Bestäubung verlassen sich Magnolien daher auf Käfer, und die sind nicht immer sanft, wenn sie im Blütenkelch umherkrabbeln. Robustheit ergibt also Sinn.

Wo die Magnolie ihre Wurzeln hat

Im 17. Jahrhundert entdeckten Europäer die ersten Magnolien in Amerika. Zu Hause wurden die Bäume zur Sensation, denn die einheimische Flora hatte nichts vergleichbar Spektakuläres zu bieten. Fossile Funde belegen zwar, dass es Magnolien einst auch in Europa gab. Warum sie ausstarben, dafür gibt es bislang aber keine schlüssige Erklärung. Kurz nachdem man die ersten amerikanischen Arten eingeführt hatte, entdeckten Europäer auch in Ostasien Magnolien. Sie erkannten, dass viele der asiatischen Arten im europäischen Klima besser gedeihen.

Eine Magnolie aus Amerika blieb trotzdem beliebt: Magnolia grandiflora. Der aus den Südstaaten stammende Baum ist immergrün mit glänzenden Blättern. Seine feinen, crèmeweissen Blüten sind so gross wie Suppentassen und duften verschwenderisch nach Zitrone. Diese Magnolie gibt dem Garten das ganze Jahr über eine exotische Note. Sie eignet sich allerdings nur für Gebiete, in denen es nicht kälter wird als minus 5 Grad.

Die unterschiedlichen Magnolienarten

Viele andere Magnolienarten sind auch in kälteren Gebieten winterhart. Später Frost lässt Knospen und Blüten zwar unschön braun werden, den Bäumen schadet das jedoch nicht. Bei Gärtnern ist in den letzten Jahren Magnolia stellata beliebt. Als recht kleiner Baum oder Strauch benötigt die Sternmagnolie wenig Platz und produziert schon als junge Pflanze grosse, sternförmige Blüten.

Es gibt zahlreiche unterschiedliche Magnolien. Nach neuesten genetischen Analysen umfasst die Gattung über 200 Arten. Der grösste Teil der Magnolienbäume in Gärten und Parks gehört gleichwohl einer einzigen Hybridart an: Magnolia × soulangeana. Sie ist benannt nach Étienne Soulange-Bodin, der um 1820 die beiden aus Asien stammenden Arten Magnolia denudata und Magnolia liliiflora kreuzte.

Die Hybride wurde schnell zum beliebten Ziergehölz, denn sie war einfacher zu halten. Anders als viele andere Magnolien toleriert sie kalkhaltigen Boden und wächst und blüht auch in windigen Lagen. Dabei sehen die Blüten von Magnolia × soulangeana keineswegs immer gleich aus. Es gibt über hundert verschiedene Züchtungen mit unterschiedlichen Farben und Formen.

Der Klassiker sind kelchförmige Blüten in Weiss mit einer rosa Zeichnung, die in ihrer Form stark an Tulpen erinnern. «Tulpen-Magnolie» ist daher ein anderer Name. Dieser kann jedoch schnell zu Verwechslungen führen, denn ein «Tulpenbaum» ist keine Magnolie. Tulpenbäume gehören zwar ebenfalls zur Familie der Magnoliengewächse, aber in der eigenen Gattung Liriodendron.

Die amerikanische Art Liriodendron tulipifera ist die einzige, die man in Europa ausserhalb von botanischen Gärten antrifft, aber auch das nur selten. Ein Grund dafür ist, dass der Baum sich für Gärten schlecht eignet, denn er wird riesig. In Parks ist er hingegen ein Blickfang, aber nicht wegen der Blüten, sondern durch sein golden leuchtendes Herbstlaub. Die Blüten übersieht man meist. Sie erscheinen erst, wenn der Baum bereits mehr als zwanzig Jahre steht, sind weniger auffällig als Magnolienblüten und verlieren sich im dichten Sommerlaub. Vielleicht sollte der Tulpenbaum seinen Namen an die Magnolie abtreten.

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