Freitag, Oktober 18

Die Schweizer Bemühungen um einen Frieden in der Ukraine schlagen immer höhere Wellen.

In den letzten Jahren haben sich die Mienen von Ignazio Cassis und Sergei Lawrow stark verändert. Einst hielten sich der Schweizer Aussenminister und sein russischer Amtskollege noch ganz fest und lächelten – wie etwa bei der Eröffnung der neuen Schweizer Botschaft in Moskau 2019. Wie ein Treffen in New York vom letzten Januar zeigt, sind die Blicke und die Bilder in der Zwischenzeit ernster geworden. Nun hat sich Lawrow auf Cassis eingeschossen.

Seit dem Einmarsch der Russen in die Ukraine ist die Beziehung richtig kompliziert. Cassis und die Schweiz sind für Lawrow und Russland «unfreundlich» geworden, weil nicht mehr neutral. Cassis und Bundespräsidentin Viola Amherd möchten Lawrow wiederum mit am Tisch haben, um an einem «Gipfel» in der Schweiz mit der Ukraine über einen Frieden zu verhandeln. Danach sieht es bis dato indes nicht aus.

Russland zählt nicht auf Schweiz

Immerhin: Zwei Monate nach der Lancierung der Schweizer Friedensbestrebungen haben die offiziellen Stellen in Bundesbern in die offizielle Sprachregelung aufgenommen, was von Beginn an für alle klar war. Nämlich, «dass ein dauerhafter Frieden letztlich den Einbezug Russlands erfordert». Friedensgespräche könnten nur mit dem Einverständnis der beiden Kriegsparteien stattfinden, schreibt das Aussendepartement (EDA).

Das heisst im Umkehrschluss auch, dass es allein an den beiden Kriegsparteien sein wird, sich auf die Bedingungen zu einigen. Damit ist der Zehn-Punkte-Plan des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski bereits überholt. Die Maximalforderungen der Ukrainer, wie etwa der Abzug russischer Truppen und die Wiederherstellung der territorialen Integrität, bleiben illusorisch, solange Russland den Krieg nicht verliert. Und im Moment sieht es nicht danach aus.

Trotz dieser aus russischer Sicht eher komfortablen Ausgangslage stört sich Lawrow nach wie vor am Setting, wie die Schweiz den Friedensgipfel aufzugleisen versucht. In Cassis’ Vorgehen, zuerst die Ukraine sowie die ganze Welt zu mobilisieren und Russland dann erst später zu begrüssen, sehe man «keine Perspektiven», sagte Lawrow am vergangenen Samstag nach dem Diplomatie-Forum in Antalya. Die Schweiz sei ein Spielball Kiews geworden. «Wir zählen nicht auf die Dienste der Schweiz», soll Lawrow laut einer Zusammenfassung des russischen Aussenministeriums gesagt haben.

Lawrows Kritik hat im EDA zunächst für Entrüstung gesorgt. Allerdings scheint es nun im alltäglichen diplomatischen Austausch keine Anzeichen dafür zu geben, dass die bisherigen Kanäle und Kontakte verstimmt, geschweige denn verstopft sind. Auf beiden Seiten lässt man durchblicken, dass Lawrows Äusserungen im Rahmen der üblichen verbalen Muskelspielereien zu interpretieren seien. Die Gefasstheit vor allem in Cassis’ Stab könnte aber mit einer Entwicklung zu tun haben, die doch eher überraschend kommt.

Fasel fliegt nach Brasilien

Diese Woche hat nicht nur der chinesische Sonderbeauftragte den für den Friedensgipfel zuständigen Schweizer Botschafter Gabriel Lüchinger in Brüssel empfangen. China kommunizierte danach offensiv und – vor allem – offen. Man würdige die Bemühungen der Schweiz, und man werde sich ebenfalls dafür einsetzen, «einen baldigen Waffenstillstand und ein Ende der Kämpfe zu erreichen», schreibt das chinesische Aussenministerium. Das sind neue Töne. Noch am vergangenen WEF in Davos machte der chinesische Ministerpräsident deutlich, dass man sich nicht in eine bestimmte Rolle drängen lassen werde.

Nicolas Bideau, der Kommunikationschef von Cassis, spricht in «Le Temps» denn auch von einem «positiven Signal». Die Westschweizer Zeitung berichtete am Freitag auch, dass Staatssekretär Alexander Fasel, der oberste Diplomat des Landes, demnächst nach Brasilien reisen wolle, um die BRICS-Staaten vom Friedensgipfel zu überzeugen. All diese Kontakte zeigten, dass die Schweizer Bemühungen ernst genommen werden, so wird Bideau weiter zitiert. «Die Schweiz wird immer noch als Land wahrgenommen, das Konflikte lösen kann.» Die Hoffnung, dass es demnächst wieder Bilder gibt, auf denen sich Lawrow und Cassis höflich anlächeln, sie lebt weiter.

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