Montag, November 18

Sein undiplomatischer Stil ist sein Markenzeichen, seine Lust an der Provokation sein Erfolgsrezept: Der streitbare Ire Michael O’Leary hat aus Ryanair die grösste Airline Europas gemacht.

Es gibt Websites, die sich ganz den Sprüchen und Zitaten des Ryanair-Chefs Michael O’Leary widmen. «Geh zurück an die Arbeit, du Faulpelz, oder du bist gefeuert», soll er einem Angestellten gesagt haben. Die Verkaufspraktiken seiner Airline beschrieb er einst wie folgt: «Wenn der Verkauf von Drinks rückläufig ist, sorgen unsere Piloten für Turbulenzen, was die Zahlen schlagartig erhöht.» Manchmal lacht O’Leary in seinen rhetorischen Rundumschlägen auch über sich selbst: «Zu den Schwächen der Firma gehört, dass sie ein wenig zu geizig, zu heiter und zu bösartig ist – und das widerspiegelt meine Persönlichkeit.»

Freude an der Provokation

O’Learys undiplomatischer Stil ist längst zu seinem Markenzeichen geworden. Es erstaunte daher niemanden, dass der Ryanair-Chef jüngst in der Kampagne vor den Parlamentswahlen in Irland vom 29. November für Schlagzeilen sorgte. Bei einer Veranstaltung der regierenden Mitte-rechts-Partei Fine Gael erklärte er, er wünsche sich angesichts der grossen Infrastrukturherausforderungen des Landes mehr Vertreter aus der Privatwirtschaft statt Lehrer in der Politik. «Ich habe ja nichts gegen Lehrer, aber ich würde sicher nicht eine Gruppe von Lehrern anstellen, wenn ich möchte, dass etwas effizient erledigt wird.»

Die Gewerkschaften und die politische Konkurrenz reagierten mit Empörung, und auch der Regierungschef Simon Harris distanzierte sich von den «krassen und schlecht informierten» Äusserungen seines Unterstützers. Doch O’Leary legte noch einen drauf und nahm direkt die Kultur- und Tourismusministerin Catherine Martin ins Visier, die im Sommer eine Passagierobergrenze am Flughafen Dublin durchgesetzt hatte. «Sie wäre im Klassenzimmer viel besser aufgehoben.»

Die Freude an der Provokation gehörte stets auch zu den unternehmerischen Erfolgsrezepten O’Learys. Der 63-jährige Ire stammt aus einer Familie von Textilfabrikanten und studierte am renommierten Trinity College in Dublin. Anstatt in einer Grossfirma Karriere zu machen, versuchte er sich als Kleinunternehmer. 1985 kaufte er zwei marode Dubliner Zeitungsläden und verlängerte die Öffnungszeiten. Im damals noch erzkatholischen Irland schreckte er nicht davor zurück, die Türen am Weihnachtstag zu öffnen, um den Kunden überteuerte Batterien und Schokolade zu verkaufen.

Grösste Airline Europas

1988 liess sich O’Leary vom Aviatiker und Mitbegründer von Ryanair, Tony Ryan, als Finanz- und Steuerberater anstellen. Innert Kürze stieg er zum Finanzchef von Ryanair auf. 1994 übernahm er die Rolle des CEO – und machte die unprofitable Regionalfluggesellschaft zur grössten Airline Europas.

O’Leary setzte auf das Low-Cost-Modell, das die Southwest Airlines in den USA begründet hat. Die meisten Fluggesellschaften überlegten, wie sie die Ticketpreise erhöhen könnten, sagte O’Leary 2001 in einem Interview. Ryanair hingegen versuche, die Ticketpreise so weit wie möglich zu senken. Der CEO reduzierte die Kosten und den Komfort an allen Ecken und Enden und begann, den Passagieren für alle Zusatzleistungen Geld abzuknöpfen. Das Shopping an Bord, die Vermittlung von Mietautos oder die Gebühren für die Sitzwahl oder die Gepäckstücke subventionierten die billigen Tickets.

Darüber hinaus steuerte Ryanair abgelegene Regionalflughäfen an, die weniger Gebühren verlangten. Heute fliegt die Airline 250 Destinationen in 37 Ländern in Europa und Nordafrika an – vom nordenglischen Leeds über das spanische Alicante bis zum bayrischen Memmingen. Damit ist Ryanair die Fluggesellschaft mit dem grössten Netz Europas – und mit rund 182 Millionen Fluggästen im Jahr 2023 auch jene mit den höchsten Passagierzahlen. Auf interkontinentale Strecken verzichtet Ryanair hingegen, da O’Leary nicht an die Rentabilität des Low-Cost-Modells für Langstreckenflüge glaubt.

Hassliebe zu den Kunden

Der Vater von vier Kindern gilt als exzentrische Persönlichkeit mit einer Vorliebe für hohes Tempo. In seiner Freizeit züchtet er Rennpferde, die renommierte Rennen wie etwa das britische Grand National gewannen. Für seinen Mercedes erwarb er sich eigens eine Taxi-Lizenz, um in den für Busse und Taxis reservierten Fahrbahnen möglichst hindernisfrei durch den Dubliner Verkehr brausen zu können.

Sein Managementstil gilt als ungestüm. Sein rüpelhafter Umgang mit Politikern, Gewerkschaftern, Flughafenbehörden oder Konkurrenten ist legendär. Zudem beklagt sich O’Leary, der die Luftfahrt mit seinem Low-Cost-Modell für die Unterschicht erschwinglich gemacht hat, auch immer wieder über das Verhalten seiner Fluggäste. Jüngst forderte er die Flughäfen dazu auf, den Alkoholausschank auf zwei Getränke pro Passagier zu begrenzen, um Schlägereien an Bord und Pöbeleien gegen das Kabinenpersonal zu unterbinden.

Allerdings übergiesst Ryanair seine Passagiere nicht gerade mit Kundenfreundlichkeit. Am Londoner Stansted Airport, dem grössten Hub von Ryanair, verkommt das Flugerlebnis zur spartanischen Massenabfertigung. Fluggäste werden unsanft zur Kasse gebeten, wenn ihr Gepäckstück die erlaubte Grösse übersteigt. «Man sagt, der Kunde habe immer recht, aber das stimmt nicht», erklärte O’Leary einmal. «Manchmal hat er auch unrecht, was man ihm dann auch direkt ins Gesicht sagen muss.»

Knackt er den Superbonus?

O’Leary beklagt sich gerne über Politiker, die ihm das Geschäft erschweren. Während der Pandemie kritisierte er die Reisebürokratie. Den Klimawandel bezeichnete er vor wenigen Jahren noch als «kompletten Unsinn». Auch den Brexit hat er immer wieder als «schwachsinnige Idee» gegeisselt. Jüngst erklärte er, Britinnen und Briten hätten keine Lust, als Kabinenpersonal zu arbeiten. Gleichzeitig hinderten ihn die «verrückten» Brexit-Visa-Regeln daran, ausländische Arbeitskräfte für seine dreizehn Standorte in Grossbritannien zu rekrutieren.

Wirtschaftlich lief es Ryanair jüngst weniger gut als erhofft. In den sechs Monaten bis Ende September 2024 verzeichnete die Airline einen Gewinn von 1,8 Milliarden Euro – fast ein Fünftel weniger als in der Vorjahresperiode. Ryanair musste im Sommer die Preise senken, um die Flüge besser auszulasten. Eine Belastung ist auch die Lieferverzögerung von 300 bestellten Boeing-Maschinen. Diese führt laut O’Leary dazu, dass die Airline mit «zu viel Personal, zu vielen geplanten Flügen und zu hohen Kosten» dasteht.

Daher hat O’Leary, dessen Vermögen auf rund 1 Milliarde Euro geschätzt wird, bisher auch seinen Megabonus von 100 Millionen Euro nicht einkassieren können. Dieser ist ihm vertraglich zugesichert, sobald der Ryanair-Aktienkurs den Wert von 21 Euro erreicht und während 28 Tagen hält. Kritische Fragen zu seiner Entschädigung wies O’Leary im Frühling im «Wall Street Journal» barsch zurück. «Wenn Kylian Mbappé 130 Millionen Euro erhält, um für fucking Real Madrid Fussball zu spielen, dann ist mein Vertrag ein Schnäppchen für die Ryanair-Aktionäre.»

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