Sonntag, März 30

Seit 2019 hat der SC Bern keine Play-off-Serie mehr gewonnen. Nach einem denkwürdigen Auftritt in der Belle gegen Gottéron geht das Warten weiter – das riskante Vabanquespiel des Trainers Jussi Tapola ist nicht aufgegangen.

39 Jahre gibt es den Play-off-Modus im Schweizer Eishockey bereits; der SC Bern hat zehn seiner 16 Meistertitel in diesem Format gewonnen. Die Historie dieses Prestigeklubs ist reich befrachtet mit Triumphen, Wendungen und Meriten. Es ist selten geworden, dass in diesem Verein etwas Geschichtsträchtiges geschieht – einfach, weil er fast alles schon durchlebt hat. Aber es sieht so aus als würde sich bald ein Novum einstellen: Dass ein Trainer die Schmach überlebt, zwei Mal in Folge im Play-off-Viertelfinal zu scheitern.

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Beim SCB gab es das noch nie, schon gar nicht unter dem impulsiven Impresario Marc Lüthi, der den Klub seit über 25 Jahren kontrolliert. Lüthi hat Trainer schon für weit weniger triftige Gründe entlassen – den dreifachen Meistercoach Larry Huras beispielsweise einst aufgrund von zu wenig attraktiver Spielweise.

Doch für Jussi Tapola scheinen im SCB andere Regeln zu gelten. Seit der Finne im Sommer 2023 in Bern landete, ist die Klubführung ihm auffallend wohlwollend begegnet und hat ihn mit einer erstaunlichen Machtfülle ausgestattet. Tapola, 50, ist ein hochdekorierter Coach mit einem vollen Trophäenschrank. Er war vier Mal finnischer Meister und 2023 Champions-League-Sieger. Tapola hat diesen Kader mit bemerkenswerter Gestaltungsfreiheit nach seinen Vorstellungen modellieren dürfen; auf seinen Geheiss gab es viele Mutationen. Teilweise wirkten sie wie Aktionismus – das mysteriöse Try-Out des in Lausanne nicht mehr berücksichtigten lettischen Nationalstürmers Ronalds Kenins fällt in diese Kategorie: Ihn entsandte der SCB nach Finnland, er sollte dort Spielpraxis sammeln. Nach einer nächtlichen Eskapade im hohen Norden wurde das Try-Out stillschweigend beendet.

Was die Tauschgeschäfte und Transfers aber fraglos bewirkten: Der SCB wurde grösser und kräftiger. Möglicherweise auch eindimensionaler.

Der in Bern missverstandene Dominik Kahun ist in Lausanne aktuell der Play-off-Topskorer der Liga

Als Tapola vor dem Play-off-Start gefragt wurde, wie lange es erfahrungsgemäss dauere, bis ein Verein die Ideen und DNA eines Trainers verinnerlicht habe, sagte er: «Eineinhalb bis zwei Jahre». Und dass der SCB Ausgabe 2024/25 sich «zumindest ziemlich nahe» an seiner persönlichen Idealvorstellung bewege. Er dürfte diese Meinung nach den vergangenen zwei Wochen revidiert haben: Der SCB gewann in diesem Viertelfinal keine einzige Partie in der regulären Spielzeit und verlor erst zum zweiten Mal in seiner Historie eine Play-off-Serie gegen den erbitterten Rivalen Gottéron.

Tapola sagte auch: «Ich will Spieler, die alles dafür unternehmen, besser zu werden. Wir wollen ein Arbeitsklima des Ehrgeizes. Wer damit nicht umgehen kann, ist hier am falschen Ort. Es geht um Leistungskultur. Ich mache diesen Job nicht, um Freunde fürs Leben zu finden».

«My way or the highway» nennen die Amerikaner diese Vorgehensweise. Einer, der sich für den Highway entschied ist der deutsche Nationalstürmer Dominik Kahun. Der Ausnahmeangreifer nahm Mitte Februar aufgrund von fehlender Harmonie mit Tapola trotz einem bis 2027 gültigen Vertrag die Autobahn nach Lausanne. Er ist dort aktuell mit zehn Punkten aus sieben Spielen Play-off-Topskorer der Liga.

Der SCB hätte am Mittwochabend einen kreativen Takt- und Ideengeber vom Format Kahuns gebrauchen können, angesichts der verletzungsbedingten Abwesenheit des Topskorer Austin Czarnik sogar dringend. Dank zwei Siegen nach Verlängerung hatten die Berner die Viertelfinalserie gegen den Rivalen Gottéron ausgeglichen und alles Momentum an sich gerissen. Sie waren in Spiel 7 der klare Favorit. Und lieferten dann aber einen der rätselhaftesten Darbietungen der letzten Jahre ab. Es wirkte als hätte jemand dieser Mannschaft den Stecker gezogen. Ihr fehlten Energie, Sauerstoff und irgendwann offenkundig auch der Glaube. Im zweiten Drittel war das Publikum so verärgert, dass es Pfiffe hagelte.

1:4 unterlag der SCB einem limitierten, aber leidenschaftlichen Gottéron. Tapola sprach von «einer der bittersten Niederlagen meiner Trainerkarriere». Ein paar Meter von ihm entfernt jubelten zwei Männer, mit illustrer Berner Vergangenheit: Lars Leuenberger, der SCB-Meistercoach von 2016. Und Yves Sarault, das gefürchtete Raubein der «Big Bad Bears»-Jahre. Auch dank ihnen schüttelte Freiburg die Misserfolge der letzten zwei Partien einfach ab, so wie das der Stürmer Kevin Nicolet prophezeit hatte. Der Lohn ist ein Rendez-vous im Halbfinal mit Lausanne. Den zweiten Finalisten ermitteln ab Samstag die ZSC Lions und der HC Davos.

Auf den Sportdirektor Martin Plüss wartet viel Arbeit

In Bern kann das Eis derweil schon wieder im März abgetaut werden. Die Frage ist, welche Konsequenzen das haben wird. Es ist weitgehend unvorstellbar, dass Tapola zur Debatte stehen könnte – zumal der Klub dessen Vertrag im Sommer lange vor dem ersten Bully eilig bis 2026 verlängerte. Der Sportdirektor Martin Plüss gab sich am späten Mittwochabend alle Mühe zu betonen, dass es eben dauere, bis ein Fundament errichtet sei und dass die Entwicklung stimme. Aber er musste auch einräumen, dass «wir noch nicht da sind, wo wir stehen sollten».

Es gibt Einiges, was Plüss zu denken gegeben haben muss. Der bis 2026 gebundene schwedische Torhüter Adam Reideborn verlor seinen Nummer-1-Status an Philip Wüthrich, der im Sommer aber zu Ambri-Piotta wechselt. Die Defensive wirkte wie schon vor Jahresfrist gegen Zug wie Flickwerk, die Fehler im Spielaufbau waren teilweise haarsträubend. Von den drei ausländischen Verteidigern überzeugte einzig die tschechische Aushilfskraft Lukas Klok. Der Captain Ramon Untersander, während Jahren so etwas wie die Lebensversicherung in der SCB-Defensive, wirkte gegen Gottéron um Jahre älter als die ohnehin schon fortgeschrittenen 34, die er im Januar erreichte. Samuel Kreis spielte eine Saison zum Vergessen.

Und auch im Angriff mangelte es nicht an Enttäuschungen: Marco Lehmann und Tristan Scherwey waren gegen Gottéron unsichtbar, sie fanden schlicht nicht statt.

Tapola sagte, er sei trotz dem jähen Saisonende stolz auf seine Mannschaft: «Wir sind Dritter geworden und die Arbeitseinstellung war hervorragend.»

Man hat den Eindruck, dass die Ansprüche in Bern auch schon höher lagen.

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