Mosers Vertrag läuft Ende Saison aus, nachdem er zuletzt degradiert worden ist. Will der frühere Nationalspieler im SC Bern bleiben, muss er wahrscheinlich auf viel Geld verzichten.
Es war eine kurze Reise zurück in die Vergangenheit und beinahe so, als hätte es die letzten Jahre voller Rückschläge und Enttäuschungen für den SC Bern nicht gegeben. Die Zuschauer in der Postfinance-Arena skandierten am Freitagabend «Steht auf, wenn ihr Berner seid». Und der Grossteil der mehr als 15 000 Fans folgte der Aufforderung, die zuerst von der Stehrampe gekommen war.
Der 7:2-Sieg gegen den Play-off-Finalisten Lausanne HC war Balsam für die wunde Berner Eishockey-Seele. Der SCB blickt auf harzig verlaufene Saisons zurück, und allein ein einigermassen geglückter Meisterschaftsstart macht nun nicht alles vergessen, was passiert ist. Von 2016 bis 2019 hatten die Berner drei Meistertitel gewonnen und die Liga mehr oder weniger dominiert. Im Zentrum jener Mannschaft stand das kongeniale Sturmduo Mark Arcobello / Simon Moser, das harmonierte und die Tore im Akkord schoss. Der Amerikaner Arcobello spielt unterdessen seit vier Jahren in Lugano – und Moser gilt in Bern als eine Art Symbolfigur für den verpassten Umbruch.
Moser hatte sich erfolglos in der NHL versucht
Der langjährige Captain und Kopf der ersten Sturmlinie ist gegenwärtig nur noch Ergänzungsspieler. Die Captain-Funktion, die durch ein C auf der Brust dokumentiert ist, hat ihm der Trainer Jussi Tapola auf diese Saison hin weggenommen und sie an Ramon Untersander weitergereicht. Moser nahm die Degradierung klaglos an. Er sagte, man habe mit ihm darüber gesprochen, er habe kein Problem damit. Es ist das Statement eines Leaders, der sich ganz in den Dienst der Mannschaft stellt.
Moser ist so etwas wie die Inkarnation des alten SCB. Ein kantiger Kämpfer, der ohne Rücksicht auf seinen Körper vorangeht. Aufgewachsen in Worb an der Schnittstelle zwischen der Stadt Bern und dem Emmental, begann er seine Karriere im Nachwuchs der SCL Tigers. Nach dem letzten Abstieg der Langnauer schloss er sich 2013 dem SCB an. Ehe er das Dress des grossen Rivalen überstreifte, hatte er sich noch in der NHL-Organisation der Nashville Predators versucht, wo Roman Josi heute Captain und Leader ist. Mosers Talent und sein Wille reichten aber nicht, um sich dauerhaft in der NHL zu etablieren. Stattdessen wurde er zu einer Stütze im SC Bern.
What a Goal…😱🤯 Unser Capitano Simu Moser, mit einem Traumtor zum 2:1 gegen den @ehc_kloten_1934 🥅🏒🔥 Was sagt ihr dazu?😁
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— SC Bern (@scbern_news) December 22, 2022
Doch mittlerweile ist Moser 35 Jahre alt und sein Körper gezeichnet von der langen Karriere. Sein Vertrag läuft im kommenden Frühling aus. Nachdem er die Ovationen und die Auszeichnung als bester Spieler der Partie nach dem 7:2-Sieg gegen Lausanne entgegengenommen hatte, stand er in der Interview-Zone der Postfinance-Arena, dem sogenannten Bärengraben, und ging von Mikrofon zu Mikrofon, um überall dasselbe zu sagen: Ein Match wie dieser sei eine Befreiung, doch wirklich zufrieden könne man noch nicht sein. Moser verwies auf die Saisonbilanz des SCB, die nicht genüge: Der Klub steht nach 19 Spielen unterdessen bei 8 Siegen, das ergibt Zwischenrang 5, die Verfolger Zug und Kloten haben je eine Partie weniger ausgetragen.
Der SCB hat mit dem finnischen Trainer Tapola wieder ein Gesicht entwickelt, das sich sehen lässt und dem verwöhnten Publikum Freude bereitet. Das Team spielt aufsässig, schnell und hart. Trotzdem verlässt es das Eis noch zu oft als Verlierer. Immerhin war am Abend nach der Gala gegen Lausanne ein weiterer Sieg gefolgt, ein 3:2 nach Verlängerung in Ambri-Piotta. Es war der erste Auswärtssieg der Berner in dieser Saison. Und Moser stand erneut mittendrin.
In der Nationalmannschaft fiel er der Verjüngung zum Opfer
Der Stürmer hat noch nicht genug vom Eishockey. Am Freitag hatte er gesagt: «Ich will nach dieser Saison ganz sicher weiterspielen. Wo, werden wir sehen. Priorität hätte sicher der SCB. Ich weiss nicht, wie der Markt für Spieler wie mich heute ist.»
Moser wird in Bern vom Publikum und von der Klubführung nach wie vor geschätzt. Doch er hat eine Hypothek, die in Bern recht verbreitet ist: Er verdient zu viel für die Rolle, die er noch hat. Als Schlüsselspieler der Meisterjahre wurde sein Vertrag mehrmals zu Konditionen verlängert, die sich der SCB, einstiger Musterschüler der Liga, nicht mehr leisten kann.
Die Zusammenstellung des Teams liegt heute in den Händen zweier Männer, mit denen Moser noch auf dem Eis gestanden hat: des Sportdirektors Martin Plüss und des General Managers Patrik Bärtschi. Bisher haben die beiden noch keine Gespräche mit Moser geführt. Am Samstag sagte Bärtschi: «Wir haben vereinbart, dass wir diese in der ersten Nationalmannschaftspause aufnehmen werden.» Diese Pause beginnt nun. Das Schweizer Nationalteam reist für die ersten Testspiele der Saison an den Karjala-Cup nach Finnland. Moser bleibt zu Hause. Seit zwei Jahren ist er nicht mehr Teil der Nationalmannschaft; er fiel einer Verjüngung zum Opfer.
Wie geht man mit verdienten, älteren Spielern um? Das ist eine Frage, die nicht nur den SCB und dessen neuen General Manager Patrik Bärtschi umtreibt. Das Beispiel von Philippe Furrer, der in Bern gegen den Widerstand des eigenen Anhangs in den Legendenstatus erhoben wurde, zeigt, dass das Thema Fallstricke birgt.
Bärtschi kennt die Situation aus seiner eigenen Karriere. 2017 beendete er sie bei den ZSC Lions, weil diese das Kader verjüngen wollten. Nun wird er möglicherweise einem bewährten Routinier mitteilen müssen, dass er sich nach einem neuen Arbeitgeber umzusehen hat.
Der SCB hat den Verjüngungsprozess bereits erfolgreich eingeleitet. Spieler wie der 25-jährige Marco Lehmann bilden heute die Achse, um die das Team für die Zukunft gebaut werden soll. Marco Müller wird auf die nächste Saison hin aus Lugano zum SCB zurückkehren. Der ehemalige NHL-Stürmer Joël Vermin wurde vom Trainerstab auf diese Saison hin zum Verteidiger umfunktioniert. Dort findet er einen neuen Platz und seine Berechtigung im Kader.
Und Simon Moser? Wie soll es mit ihm weitergehen? Beim 7:2-Sieg gegen Lausanne erzielte er die ersten beiden Treffer; er zeigte, dass er durchaus noch seinen Wert für die Mannschaft hat. Doch zu welchem Preis?
Das Dossier von Moser ist mit jenem des Torhüters Philip Wüthrich und von Thierry Bader das wichtigste, das auf dem Schreibtisch des General Managers Bärtschi liegt. Bader ist in den kommenden Tagen mit dem Nationalteam unterwegs. Moser hingegen hat Zeit, um zu verhandeln. Der Moment ist für ihn nicht schlecht. Doch ob zwei Treffer gegen Lausanne für einen neuen Vertrag reichen? Die Ansprüche in Bern sind nach den Jahren voller Rückschläge gestiegen.