Dienstag, November 26

Der Erfolgsschriftsteller aus Olten ist ein wahrer Verwandlungskünstler. In seinem neusten Buch zeigt sich Alex Capus – vielleicht versehentlich – als fabelhafter Satiriker.

Dem Mann gelingt einfach alles. Der Schriftsteller Alex Capus kann anpacken, was er will. Immer zaubert er ein kleines Kunststück aus dem Hut. Er versteht sich aufs historische Erzählen, er beherrscht das Melodrama, selbst die Liebesgeschichte ist bei ihm in besten Händen. Und als sei dies alles noch nicht genug, betreibt der Oltner in seiner Heimatstadt auch noch eine Bar. Er ist ein Chamäleon. Und gleichgültig, in welcher Rolle er einem begegnet, immer glaubt man, den ganzen Capus vor sich zu haben.

Nun hat der Verwandlungskünstler eine weitere wunderliche Häutung vollzogen. Und wieder versetzt er seine Leser ins Staunen. Was soll das denn sein? Da erscheint jetzt ein dünnes Büchlein von gerade einmal 150 Textseiten. «Das kleine Haus am Sonnenhang» heisst es. Man kann das ganz gut als Roman lesen. Denn das Büchlein erzählt die Geschichte eines kleinen alten Hauses in der ligurischen Abgeschiedenheit, das Alex Capus als junger Mann für wenig Geld hatte kaufen können. Dort verbringt er mit seiner Freundin ein paar Jahre lang die Monate vom Frühjahr bis zum späten Herbst.

Schreiben wie im Rausch

Aber ein Roman ist dieses Buch erklärtermassen nicht. Jedenfalls steht nichts davon auf dem Umschlag. Ist es also eine Art autobiografischer Bericht aus einer kleinen Idylle, wo der junge Mann zum Autor reift? Ja, so könnte man es lesen. In munteren Szenen erzählt Capus die Freuden und Leiden eines angehenden Schriftstellers, der auf einer Hermes Baby seinen ersten Roman schreibt, die Manuskriptseiten an die Deckenbalken pinnt und das letzte Kapitel nach langem Zaudern und Zögern in sieben Stunden und wie im Rausch – wie denn sonst? – herunterfetzt.

Oder ist es weder Roman noch Bericht über die Geburt des Autors aus dem Geist des Klischees? Die ligurische Idylle jedenfalls wird hier von einem Diebstahl empfindlich gestört, dessen Spuren, dem Himmel sei’s geklagt, geradewegs zu den Kumpanen im Dorf führen. Ist das Buch also ein Drittes? Nämlich eine Reflexion auf das Schreiben im Allgemeinen und die Verwandlung von Lebensstoff in Literatur im Besonderen? Denn das Werk liest sich wie eine Poetikvorlesung in Romanform und beantwortet zum Beispiel die Frage, wie viel Erfindung nötig ist, um die eigene Lebensgeschichte plausibel werden zu lassen.

Merksätze für Dichter

Dem Wirt einer Bar, der in einem seiner Romane ganz nach seinem Vorbild geschaffen sei, habe er, so erzählt Capus, drei Kinder angedichtet, obwohl er im wirklichen Leben fünf Kinder habe. Wozu die kleine Lüge? «In der Realität mögen die abstrusesten Dinge geschehen, in der Fiktion hat das Unglaubwürdige keinen Platz.» Capus hat auch sonst noch ein paar gute Merksätze für angehende Dichter zur Hand. Der schönste lautet: «Grundsätzlich ist es gewiss eine gute Idee, über Dinge zu schreiben, über die man Bescheid weiss; besser jedenfalls, als über Dinge zu schreiben, über die man nicht Bescheid weiss.»

Hier jedenfalls schreibt einer, der sehr genau Bescheid weiss und sein Wissen in einen vergnüglichen Pastiche verwandelt: Er persifliert die Poeten mit ihren hochtrabenden Poetikvorträgen. Er mokiert sich über die Autobiografen, die ihre Geburt als Schriftsteller in die immergleichen Stereotype mit den immergleichen Accessoires kleiden. Und schliesslich formt er daraus einen luftig-leichten Text, den er nur darum Roman zu nennen verschmäht, weil er mit all den kleinen Sottisen und Klischees eher die Parodie eines Romans als einen veritablen Roman geschrieben hat. Ein kleines Kunststück eben. Bleibt allein die Frage: War es Absicht – oder ist’s ein Versehen?

Alex Capus: Das kleine Haus am Sonnenhang. Hanser-Verlag, München 2024. 160 S., Fr. 29.90.

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