Dienstag, März 18

Eine Vermischung von Justiz und Politik charakterisiert auch die weiteren Strafprozesse gegen den ehemaligen und vielleicht künftigen Präsidenten. Das liegt auch am System der USA.

Der Schuldspruch der zwölf Geschworenen aus Manhattan ist erstaunlich schnell erfolgt. Denn die Anklage wirkt auch nach 21 Prozesstagen und einem sechsstündigen Plädoyer konstruiert. Zudem hat der Kronzeuge, Trumps Ex-Anwalt Michael Cohen, ein vieldiskutiertes Glaubwürdigkeitsproblem. Doch aus Sicht der Geschworenen hat die Staatsanwaltschaft hinreichende Beweise dafür geliefert, dass Donald Trump die Schweigegeldzahlung an den Pornostar Stormy Daniels falsch verbuchte. Er hat so versucht, eine mutmassliche Affäre mit ihr zu vertuschen. Die Schweigegeldzahlung kurz vor den Präsidentschaftswahlen 2016 wird als Verstoss gegen das New Yorker Wahlgesetz eingestuft.

Die Geschworenen haben ihre Arbeit getan, ihr Urteil ist zu respektieren und muss als Erfolg des New Yorker Staatsanwalts Alvin Bragg verbucht werden. Entgegen den Unterstellungen von Donald Trump und seiner Entourage sind die zwölf Geschworenen aus Manhattan keine homogene linksliberale Kampftruppe. Bei der Jurywahl erklärten zwei Mitglieder, ein Banker und ein Verkäufer, dass sie unter anderem konservative Medien nutzten, Fox News und Truth Social, Trumps soziale Plattform. Auch sie sprachen den Ex-Präsidenten schuldig; in Strafverfahren muss ein Geschworenenurteil einstimmig erfolgen, sonst scheitert dieses an einer sogenannten «hung jury».

Mischmasch von Politik und Justiz

Trotzdem kann das Urteil gar nicht anders als politisch wirken. Dafür sorgt nur schon die Tatsache, dass der Prozess mitten im Wahljahr stattfand und gegen den republikanischen Präsidentschaftskandidaten geführt wurde.

Nun gibt es triftige Gründe dafür, Trump vor Gericht zu ziehen, und es ist nicht die Rolle einer unabhängigen Justiz, sich nach dem politischen Kalender zu richten. Aber das Timing des Prozessbeginns just im Moment, als die Vorwahlen entschieden waren, wirkte mindestens für Republikaner suspekt.

Als der Schweigegeldprozess am 15. April begann, benutzten beide Parteien den Gerichtssaal als Wahlkampfarena. Republikanische Politiker strömten in Gruppen herbei, um Trump vor laufenden Kameras zum Märtyrer und Justizopfer zu stilisieren. Die Biden-Kampagne konnte es am Tag der Plädoyers nicht lassen, vor dem Gerichtssaal zu einem Pressetermin einzuladen. Angesichts des Spektakels muss man sich fragen, ob der Prozess der Glaubwürdigkeit der Justiz nicht einen Bärendienst geleistet hat.

Eine unbehagliche Vermischung von Justiz und Politik charakterisiert auch die weiteren hängigen Strafprozesse. In Florida verzögert die von Trump eingesetzte Richterin Aileen Cannon den Geheimdokumenteprozess seit Monaten. In diesem Fall ist Trump der Unterschlagung von Geheimdokumenten aus dem Weissen Haus angeklagt sowie schwerer Justizbehinderung. Die 43-jährige Richterin fällt dadurch auf, dass sie gleich mehreren Verfahrensbeschwerden der Trump-Anwälte, die eine klare Verzögerungstaktik verfolgen, Gehör geschenkt hat.

Es ist unklar, wann der Prozess beginnen kann, wohl kaum vor den Wahlen im November. Die «New York Times» zeichnete das Bild einer eifrigen, aber unerfahrenen Richterin, die mit ihrem Zaudern ein Verfahren torpediert. Dass die Demokraten darin die politische Absicht sehen, den Prozessanfang auf die Zeit nach der Wahl vom November zu verschieben, versteht sich von selbst.

Donald Trump als Spaltpilz

In Washington schliesslich verzögert sich der demokratiepolitisch gewichtigste Trump-Prozess, bei dem es um den Umsturzversuch und den Sturm auf das Capitol geht. Die Anklage erfolgte auf Betreiben des vom Justizministerium eingesetzten Sonderermittlers bereits im Juli 2023. Doch die Richterin am Bezirksgericht des District of Columbia, Tanya Chutkan, kann den Prozess nicht beginnen, bis der Oberste Gerichtshof entscheidet, ob Präsidenten der USA während ihrer Amtszeit Immunität geniessen. Je nachdem, wie der Supreme Court voraussichtlich im Juni entscheidet, kann der Prozess fortgesetzt oder muss er eingestellt werden.

Dass der Supreme Court sich Zeit dafür lässt, irritiert die Demokraten. Denn seit dem Dobbs-Urteil, das die Abtreibungsfreiheit der amerikanischen Frauen zurückstutzte, sind sie überzeugt, dass die konservative Mehrheit gezielt eine ideologische Agenda verfolgt. Eine politische Polarisierung macht sich auch innerhalb der höchsten Gerichtsinstanz bemerkbar. Die drei linksliberalen und die sechs konservativen Richter wirken in ihren mündlichen Anhörungen und schriftlichen Urteilsverkündungen oft zerstritten.

Der Glaubwürdigkeit nicht zuträglich sind ideologisierte Selbstdarstellungen, wie jüngst der Fahnen-Skandal des Richters Samuel Alito. Die «Washington Post» hatte aufgedeckt, dass auf zwei Anwesen Alitos Flaggen gehisst waren, die auch beim Sturm auf das Capitol in Gebrauch waren. Die eine steht für die «Stop the Steal»-Bewegung der Trump-Anhänger, die andere ist bei christlichen Nationalisten beliebt.

Eine politische Färbung der Justiz ist im rechtsstaatlichen System der USA angelegt. Bundesrichter und der Justizminister werden vom Präsidenten nominiert und dann durch den Senat bestätigt. Der Supreme Court beispielsweise wandelte sich unter Präsident Trump politisch markant, als dieser gleich drei Richtersitze mit Konservativen besetzen konnte.

Staatsanwälte und Polizeikommandanten werden in vielen Teilstaaten vom Volk gewählt. Sie legen einen Eid ab, dass sie ihr Amt unabhängig und unparteilich ausüben. Doch das scheint immer schwieriger zu sein, ganz besonders wenn der Angeklagte Donald Trump heisst und ein Präsidentschaftskandidat ist. Der politische Spaltpilz hat die Justiz kontaminiert.

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