Niels Hintermann kann nach einer schockierenden Diagnose in diesem Winter keine Rennen absolvieren. Was den Zürcher nun erwartet – und wie ihm der Sport in der Therapie helfen kann.
Es ist eine niederschmetternde Diagnose, die der Skirennfahrer Niels Hintermann in der Vorbereitung auf die Weltcup-Saison erhalten hat: Der Speedspezialist hat Lymphdrüsenkrebs. «Leider sieht man einmal mehr, wie unvorhersehbar und unplanbar das Leben ist», sagt der 29-jährige Zürcher. Plötzlich sei der Sport weit weggerückt. Hintermann gab am Mittwochnachmittag eine Medienkonferenz in der Klinik Hirslanden in Zürich, an der er über seinen Zustand informierte.
Vor ein paar Wochen hatte Hintermanns Physiotherapeut im Trainingslager in Südamerika bei einer Behandlung einen dicken Lymphknoten am Hals festgestellt. Zurück in der Schweiz, zeigten die Abklärungen, dass es sich dabei um Lymphdrüsenkrebs handelt. Es wurde ein Tumor links am Hals sowie einer gleich daneben unter dem Schlüsselbein gefunden.
Walter O. Frey spricht von 85 Prozent Heilungschancen
Hintermann wird sich nun einer ambulanten Chemo- und Radiotherapie unterziehen. «Das allein dauert drei Monate. Die Saison ist damit gelaufen.» Dass er schon wieder ans Skifahren denkt, zeigt, wie zuversichtlich der zweifache Weltcup-Sieger ist. «Die Diagnose bleibt schockierend, allerdings bin ich unendlich dankbar, dass diese Art von Krebs sehr gut heilbar ist.» Nun gelte es den einzig wichtigen Kampf zu überstehen.
Walter O. Frey, der verantwortliche Arzt Alpin und Chief Medical Officer von Swiss-Ski, spricht von 85 Prozent Heilungschancen. Für ihn gibt es zwei Punkte, die Hintermann in diesem Kampf als Sportler zugutekommen: «Als fitter Profisportler ist er grundsätzlich viel robuster und besser gegen Nebenwirkungen und Immunprobleme gerüstet.» Er könne so von einem besseren Niveau aus in die Therapie starten als andere Menschen.
Doch auch im mentalen Bereich helfe ihm die Grundeinstellung eines Spitzensportlers. «Er ist es gewohnt, sich aufzurappeln, zu beissen oder zu kämpfen, wenn er mal nicht mag, wenn einem von der Chemotherapie schlecht ist.»
Eine Operation bringt in Hintermanns Fall nichts
Auf Hintermann warten nun zwei Zyklen Chemotherapie. Er wird alle ein bis zwei Wochen für rund einen halben Tag für die Infusionen in der Klinik Hirslanden weilen, den Rest bei sich zu Hause. Danach erfolgt noch eine Bestrahlung. Die operative Entfernung der Tumore bringe in Hintermanns Fall nichts, sagt Frey, denn der Krebs befinde sich überall in den Lymphbahnen, er fliesse also durch den ganzen Körper – und dort finden ihn die Medikamente, die Hintermann über die Chemotherapie erhält.
Hintermann wird während der Behandlung in engem Austausch mit Frey stehen. Dass Sport die Sterbe- und Rückfallquote allgemein bei Krebs verbessert und die Therapie unterstützt, haben Studien gezeigt. Wie dieser Sport aber aussehen wird, wird laufend neu entschieden. «Vielleicht sind das nur Spaziergänge», sagt Frey. «Vielleicht bewegt er sich für fünf Minuten auf dem Hometrainer, dies aber jede Stunde.»
Hintermann streicht sein gutes Umfeld hervor, auf das er zählen kann. «Wir ziehen alle an einem Strang. Dies wird mir die Kraft geben, diese schwierige Zeit zu überstehen.»
Ein positiver Aspekt ist, dass Hintermann sich gut und fit fühlt und keine Symptome hat. Ihm wäre der Knoten am Hals nicht einmal aufgefallen. Er befand sich in starker Trainingsform, hatte den vergangenen Winter in der Abfahrt mit einem Sieg beendet.
Sollte alles nach Plan laufen, kann er darauf hoffen, bereits in der Saison 2025/26 wieder im Ski-Weltcup dabei zu sein.