Didier Reynders behauptet, spielsüchtig zu sein – doch das scheint wenig plausibel. Woher stammt das viele Geld, das er fürs Glücksspiel ausgab? Eine Bank schöpfte schon vor Jahren Verdacht.

Belgiens Justizaffäre spitzt sich immer mehr zu: Vor einer Woche wurde bekannt, dass gegen Didier Reynders, ehemaliger belgischer Minister und bis Ende November EU-Justizkommissar, eine Strafuntersuchung läuft. Der Verdacht lautet auf Geldwäscherei. Reynders – sowie seine Ehefrau, wie nun bekanntwurde – sollen mittels Lottoscheinen jahrelang Schwarzgeld in Umlauf gebracht haben.

Der 66-jährige Wallone äusserte sich zuerst nicht. Am Freitag deklarierte sein Anwalt, dass er die «strafrechtliche Qualifizierung der Geldwäscherei» zurückweise und seine früheren politischen Mandate «nichts mit dem Fall» zu tun hätten. «Le Soir» hat zudem in Erfahrung gebracht, dass Reynders anlässlich seiner stundenlangen Befragung angegeben habe, spielsüchtig gewesen zu sein, und darum grosse Summen in Lottoscheine investiert habe.

Diese Theorie steht aber auf wackligen Füssen – denn nun ist die nationale Lotteriegesellschaft in die Gegenoffensive gegangen. Weil sie sich dem Vorwurf ausgesetzt sah, spielsüchtige Personen nicht zu erkennen und zudem ein Eingangstor für kriminelle Aktivitäten zu sein, veröffentlichte sie am Dienstag ein detailliertes Communiqué. Was darin steht, hat in Belgien, wo Reynders seit Jahrzehnten zum politischen Establishment gehört, wie eine Bombe eingeschlagen.

Kaum gewonnen, schon überwiesen

Die Lotteriegesellschaft spricht von einem «völlig aussergewöhnlichen Fall». Sie verfügt über zwei Millionen aktive Spielkonten, für die man sich per ID registrieren muss. Von all diesen habe es nur gerade zwei gegeben, die «auf diese Weise gleich mehrere Obergrenzen erreicht» hätten – jene des Ehepaars Reynders. Deswegen habe man den Verdacht im März 2022 der Staatsanwaltschaft übermittelt. Weil die Identität und der Rechtsstatus der beiden Spieler – Didier Reynders genoss eine Teil-Immunität – «sehr ungewöhnlich» gewesen sei, habe man den Kreis der Informierten bewusst klein gehalten, heisst es.

Die Art, wie die Reynders dem Glücksspiel nachgegangen seien, widerspiegle «in keiner Weise die Praxis von Millionen Spielern». Sie seien schlicht die beiden auffälligsten Glücksspieler in ganz Belgien gewesen, schreibt die Lotteriegesellschaft. So hätten die beiden praktisch jede Woche für je 500 Euro gespielt, was der festgelegten Obergrenze entspricht. Vor allem hätten sie, sobald sie einen Gewinn einfuhren, diesen sofort von ihrem Spiel- auf ihr Bankkonto überwiesen.

«Frisches» Geld aufs Spielkonto

Alleine im Jahr 2023 transferierten die Reynders auf diese Weise mehr als 30 000 Euro (von fast 50 000 Euro, die sie eingesetzt hatten) – so viel wie niemand sonst in ganz Belgien. Kaum war das Geld auf dem privaten Bankkonto, füllten sie das Spielkonto mit «frischem» Geld auf.

Letzteres Detail ist von besonderer Relevanz: Wenn jemand spielsüchtig ist, neigt er in der Regel dazu, den Gewinn gleich wieder zu verspielen – oftmals, bis alles Geld weg ist. Das Verhalten der Reynders widerspricht diesem Muster und macht sie entsprechend verdächtig, mit ihrem exzessiven Lottospiel andere Ziele als die Befriedigung einer Sucht – oder eines Vergnügens – verfolgt zu haben.

Follow the money

Die Lotteriegesellschaft schreibt, dass sich Glücksspiele nicht zur Geldwäscherei eigneten. Zu gering sei die «Rendite» von durchschnittlich 60 Prozent, zudem gebe es – wie Figura zeigt – zahlreiche Sicherheitsventile. Allerdings sind gewisse Spiele einträglicher, und wie immer ist alles eine Frage der Alternative. Gibt es für Personen, die mit der Unterwelt nicht sonderlich vertraut sind, «bessere» Methoden, um Schwarzgeld in den Umlauf zu bringen?

Für Reynders und seine Frau, deren Anwalt auf eine Anfrage nicht reagierte, gilt die Unschuldsvermutung. Sie werden gegenüber den Ermittlern jedenfalls glaubhafter als bis anhin darlegen müssen, warum sie derart regelmässig und Verdacht erregend spielten – und vor allem, woher das eingesetzte Geld stammte. Wie «Le Soir» berichtet, habe ihre Bank vor über einem Jahrzehnt nachgefragt, warum sie rund 800 000 Euro auf einem Privatkonto deponiert hätten. Danach hätten die Reynders mit dem Glücksspiel begonnen.

Exit mobile version