Montag, Oktober 7

Im Washingtoner Verfahren gegen Donald Trump hat der Sonderermittler Jack Smith überraschend seine Anklageschrift angepasst. Er versucht, neue Vorgaben des Supreme Court zu umgehen, gemäss denen Trump Immunität für gewisse Amtshandlungen geniesst.

Überraschende Wende im Rechtsstreit um die Rolle, die Donald Trump beim Sturm auf das Capitol in Washington am 6. Januar 2021 spielte. Der Sonderermittler Jack Smith hat am Dienstag eine überarbeitete Anklageschrift gegen den republikanischen Ex-Präsidenten vorgelegt. Smith ersetzt damit die ursprünglich im August 2023 von einer Grand Jury erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe gegen Trump.

Im Kern dreht sich die überarbeitete Anklageschrift immer noch um vier mögliche Verstösse Trumps gegen das amerikanische Strafgesetzbuch. Smith wirft dem Präsidentschaftskandidaten vor, nach der verlorenen Präsidentenwahl den Versuch gestartet zu haben, sich widerrechtlich an der Macht zu halten.

Fokus auf Trump, die Privatperson

Angepasst hat der Sonderermittler aber gewisse Formulierungen. So fehlt nun die Passage, in der Smith detailliert erklärte, wie der damalige Präsident nach seiner Wahlniederlage im November 2020 Druck auf das Justizministerium ausübte. Stattdessen betont der Sonderermittler, dass Trump eine Handvoll von Privatpersonen beauftragt habe, den Wahlsieg des Demokraten Joe Biden umzustossen. Diese anonyme Liste umfasst auch Rudy Giuliani, den ehemaligen New Yorker Bürgermeister.

Auch an anderen Stellen führt Smith aus, dass Trump als Privatperson gehandelt habe. So sprach er am Morgen des 6. Januar 2021 zwar ganz in der Nähe des Weissen Hauses zu Zehntausenden seiner Anhängerinnen und Anhänger. Bei dieser Veranstaltung habe es sich aber um einen privaten politischen Anlass gehandelt, der nicht über Steuergelder finanziert worden sei, heisst es in der neuen Anklageschrift. «Während der Rede griff der Angeklagte auf viele der unbegründeten, objektiv unvernünftigen und öffentlich widerlegten Lügen zurück, um die versammelte Menge zum Marsch zum Capitol aufzufordern», schreibt Smith.

Alle Augen auf die Bundesrichterin Chutkan

Mit diesen Korrekturen möchte der Sonderermittler eine Hürde umgehen, die der Supreme Court in Washington im vorigen Monat aufgebaut hatte. Mit sechs zu drei Stimmen entschied die konservative Mehrheit des Obersten Gerichts in den USA, dass ein ehemaliger Präsident auch nach Ablauf seiner Amtszeit «absolute Immunität» vor Strafverfolgung geniesse. Allerdings nur dann, wenn sich die Vorwürfe gegen ihn auf offizielle Amtshandlungen bezögen, die seine «eindeutigen und ausschliesslichen» verfassungsrechtlichen Befugnisse beträfen.

In einer Eingabe an die Bundesrichterin Tanya Chutkan schreibt der Sonderermittler, die stark überarbeitete Anklageschrift spiegele die Bemühungen der Exekutive wider, die Anweisungen des Supreme Court «zu respektieren». Insgesamt 9 Seiten fielen der Bearbeitung zum Opfer; nun ist das Dokument noch 36 Seiten lang.

Donald Trump beschwerte sich in einer ersten Reaktion bitterlich über die neue Anklage. Er nannte die Eingabe von Smith auf seinem Internetdienst Truth Social «lächerlich» und rief die Bundesrichterin dazu auf, das Verfahren umgehend einzustellen. Trump behauptete zudem, der Sonderermittler sei unrechtmässig ernannt worden – eine Ansicht, die kürzlich von einer Bundesrichterin im Gliedstaat Florida geteilt worden war. Die Richterin Aileen Cannon gab einem Antrag von Trumps Anwälten statt und stellte das Gerichtsverfahren in der Dokumentenaffäre ein. Smith hat gegen diese Entscheidung bereits Berufung eingelegt.

In Washington könnte der Sonderermittler mit seinem überraschenden Vorgehen nun den bisherigen Terminplan von Bundesrichterin Chutkan umstossen. Sie wollte eigentlich in den nächsten Wochen bekanntgeben, wie sie das Leiturteil des höchsten Gerichts umsetzen werde.

Die Zeit drängt. Die Präsidentenwahl findet am 5. November statt. Sollte Trump diese Wahl gewinnen, dann würde er spätestens nach seinem Amtsantritt am 20. Januar 2025 das Justizministerium beauftragen, das Verfahren gegen ihn einzustellen. Seine Kontrahentin Kamala Harris wiederum hat sich bisher nicht ausführlich dazu geäussert, ob sie nach einer Wahl zur Präsidentin den Sonderermittler weiter gewähren lassen würde. Als vor einigen Wochen an einer Wahlkampfveranstaltung der Demokraten das Publikum spontan in den Sprechchor «Lock him up» (etwa: Sperrt ihn hinter Gitter!) ausbrach, da unterbrach sie ihre Anhängerinnen und Anhänger. Harris sagte: «Die Gerichte werden sich darum kümmern. Wir werden ihn im November schlagen.»

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