Statt zu wummernden Bässen zu tanzen, müssen die Nachtschwärmer den dumpfen Baulärm vor dem Polizeirevier ertragen. So spielt das Leben.

War früher alles besser? Jein, sagt der neue Kölner «Tatort», der mit einer Sexszene beginnt und dann auf den Mann schneidet, wie er tot in seiner Wohnung liegt. Etwa dreissig Jahre liegen zwischen Liebe und Tod. Das Opfer ist der Kölner Szenefotograf und Dealer Alex Schmidt, der in den neunziger Jahren überall zur Stelle war, wo fotogene Menschen Spass hatten und Drogen brauchten.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Die Kripo spürt eine Handvoll ehemaliger Weggefährten auf, die aber alle Gedächtnislücken aufweisen, was den Toten angeht. Den Befragten glauben die Ermittler Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) kein Wort. Witzig, wie die Regisseurin Charlotte Rolfes das im Splitscreen-Verfahren inszeniert: die skeptischen Polizistenblicke, die motzigen Zeugenaussagen. Ballauf und Schenk spähen mit komischem Effekt durch Lamellenrouleaus, um die Reaktionen der Verdächtigen im Blick zu behalten. Dann wird es düster.

Es stellt sich heraus, dass ein Mitglied der Partymenschen seit Jahrzehnten vermisst wird. Gina (Emma Bading), um die sich damals alle Männer rissen, verschwand nach einer Technoparty auf dem Fernmeldeturm «Colonius». Die Ermittler suchen nach Verbindungen zwischen dem Toten und ihr. Dabei werden die Verhörszenen virtuos mit atmosphärisch dichten Rückblicken auf die Raver im Turm verknüpft.

Regenbogenfarbene Tanzfläche

Das Wechselspiel zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Rausch und Ernüchterung ist in ausgefeilter Symmetrie an diese zwei Schauplätze geknüpft: Hier das graue Polizeirevier, auf dem das Leben der Zeugen in klammen Stillstand gerät. Dort die über den Dächern der Stadt in Regenbogenfarben getauchte Tanzfläche, auf der alles in Bewegung war. Anstatt zu wummernden Bässen zu tanzen, müssen die Nachtschwärmer von damals jetzt dumpfen Baulärm vor den Fenstern des Polizeibüros ertragen. Beim Verhör nehmen ihre Figuren Konturen an. Aus den Freunden sind Fremde und schliesslich Feinde geworden.

Wie die Euphorie im Wolkenkuckucksheim zur Talfahrt in die harte Wirklichkeit wird, kann man als Sinnbild verstehen. Aber der von Eva und Volker A. Zahn geschriebene Film zwingt einem keine Lesarten auf. Auch die Kommissare halten sich zurück mit ihren sonst gern freigiebig verteilten Weisheiten und legen selbstironische Distanz an den Tag. «Mann, Freddy», mahnt Ballauf, «wir sind doch nicht von der Moralpolizei.»

Wie er das sagt, stehen die Kölner am Fenster des verlassenen «Colonius», das Panorama der ganzen Stadt zu ihren Füssen. Es ist einer der besten Kölner «Tatorte» der letzten Jahre, und einer, in dem Köln nicht nur draufsteht, sondern auch drin ist. Sogar der lokale Dialekt, den ortsfremde Schauspieler oft zitieren wie eine entlegene Fremdsprache, klingt korrekt aus dem Mund eines Hausmeisters (Gerd Köster).

Sogar der Dom ist ganz klein

Meistens ist der Tatort im «Tatort» ja nur eine Kulisse, die im Hintergrund vorbeirauscht. Dieses Mal steht der Ort im Mittelpunkt. Ein seit vielen Jahren für die Öffentlichkeit nicht mehr zugängliches Gebäude, ein «lost place», ist der Star. Dort wurde auch gedreht: Der 266 Meter hohe Fernmeldeturm mit ehemaligem Restaurant, einer als Diskothek genutzten Fläche und Aussichtsplattform ist ein Kölner Wahrzeichen.

Dieser Platz über den Wolken liess die Stadt und sogar den Dom klein aussehen. Nostalgie über den verlorenen (Party-)Ort wird spürbar. Aber wo das Leben am lautesten ist, lauert im «Tatort» natürlich gleich der Tod.

«Tatort» aus Köln: «Colonius». Sonntag, 20.05/20.15 Uhr, SRF 1 / ARD.

Exit mobile version