Mittwoch, Oktober 9


Wir gratulieren

Der Strandstuhl von Willy Guhl ist Aushängeschild von Ausstellungen, Vorbild schnörkelloser Form und Symbol für Schweizer Innovationskraft. Und er hat den Asbest-Skandal überlebt, eines der grössten Baudebakel des vergangenen Jahrhunderts.

Dabei hat Guhl die Arbeit mit dem damals neuartigen Material Asbestfaserzement schon viel früher beinahe den Job gekostet. Auf Anfrage der Firma Eternit erklärte sich Guhl 1951 nämlich als einziger Lehrer der Zürcher Kunstgewerbeschule bereit, in seinem Unterricht mit asbesthaltigem Faserzement zu experimentieren. Zu einer Zeit, in der «ein unglücklicher Heimatstil wütete», wie er einmal sagte, und seriell Gefertigtes als schlecht galt, kam das gar nicht gut an. Nicht etwa wegen der Fasern: Den Direktor Johannes Itten erreichten Briefe mit der Aufforderung, Willy Guhl sei «sofort zu entlassen – der macht Dinge für die Industrie!».

Guhl aber blieb bei dem Material, das langlebig, leicht und mit einer immensen Freiheit verbunden war, da es noch keine Urform kannte. Nach seiner Blumenkiste mit Bodengriff – heute ebenso ein Designklassiker – widmete er sich 1954 dem Entwurf des ersten Sitzmöbels aus Faserzement. Das Resultat war so einfach wie genial: Der Innenarchitekt und Designer verband die genormten Platten, frisch gepresst aus den Eternit-Maschinen, zu einer endlosen Schleife mit ergonomischem Sitzprofil. Der Produktionsaufwand war gering, der Materialverschleiss ebenso, und dank Guhls vorangegangenen Sitzstudien war der Stuhl sogar einigermassen bequem.

Die schweizerische Gartenbauausstellung «G59» trug den Strandstuhl 1959 schliesslich in die Welt hinaus. Beinahe bis ins Museum of Modern Art (MoMA) in New York. Ein Chauffeur von Welti Furrer hatte ihn schon abgeholt, da erreichte Guhl das Schreiben des MoMA: Man habe den Sessel wieder zurückgesandt, wegen der Asbestfasern. Hinweise, dass diese krebserregend sind, gab es schon früher – Abschied von ihnen nahm die Schweizer Eternit erst 1978. Als weltweit erster Anbieter.

Auch das bedeutete nicht das Ende für den Strandstuhl: Seit 1997 wird er asbestfrei produziert. Guhls Endlosschleife ist eben auch Sinnbild für die Ewigkeit.

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