Freitag, Januar 10

Die Vereinigten Staaten sind verärgert über das Vorgehen der Wada, so etwa im Fall des chinesischen Schwimmteams. Das ist für die Wada heikel: Die USA finanzieren sechs Prozent ihres Jahresbudgets.

Die Geschichte zuerst: An den Olympischen Spielen in Tokio 2021 trat
die Volksrepublik China mit einem Schwimmteam an, von dem knapp die Hälfte der Athletinnen und Athleten wenige Monate zuvor positiv auf ein Arzneimittel für Herzkranke namens Trimetazidin getestet worden war. Das Medikament steht wegen seiner leistungssteigernden Wirkung auf der Liste der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada).

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Entgegen gängiger Praxis hatte die chinesische Kontrollorganisation Chinada den dreiundzwanzig betroffenen Sportlern allerdings einen Freibrief erteilt. Weil angeblich die Substanz eher zufällig beim Essen in einem Mannschaftshotel in ihre Körper gelangt sei.

Der Fall wurde nach Kräften verschleiert. Weder die über den Vorgang informierte Wada noch der internationale Schwimmverband sahen Anlass, die Entscheidung der Chinada infrage zu stellen. Und beide Organe hielten es für unnötig, den Fall zu vermelden. Die chinesischen Schwimmer gewannen in Tokio unbehelligt sechs Olympiamedaillen, darunter dreimal Gold.

Eine Ansage, die in den USA als Erpressungsversuch interpretiert wurde

Erst als im April des letzten Jahres die «New York Times» und der deutsche Fernsehsender ARD über den Vorgang berichteten, bekam die Öffentlichkeit einen Eindruck davon, was hinter den Kulissen abgelaufen war. Zu den brisantesten Informationen gehörte etwas völlig Neues: Offensichtlich hatte das FBI bereits 2023 eigene Ermittlungen aufgenommen.

Als juristisches Fundament für den Polizeieinsatz diente das amerikanische Anti-Doping-Gesetz von 2020, genannt Rodchenkov Act. Dieses gestattet den amerikanischen Behörden, auch im Ausland etwaigem Missbrauchsverdacht nachzugehen. Besonders dann, wenn die fraglichen Athleten bei internationalen Sportwettbewerben wie Olympischen Spielen gegen amerikanische Sportler antreten.

Seit den Enthüllungen eskaliert die Auseinandersetzung. Weil die USA unzufrieden mit der Wada sind. Als im letzten Juli die Vergabe der Winterspiele 2034 an Salt Lake City bekanntgegeben wurde, behielt sich das Internationale Olympische Komitee (IOK) vor, diesen Entscheid rückgängig zu machen, sollten die USA nicht länger die «oberste Gewalt der Welt-Anti-Doping-Agentur vollständig respektieren».

Eine Ansage, die in den USA als Erpressungsversuch interpretiert wurde. Und die eine überdeutliche Reaktion provozierte: Die Biden-Regierung weigerte sich, den für das laufende Jahr zugesagten Zuschuss von 3,625 Millionen Dollar an die Wada zu überweisen. Das Geld wäre am 31. Dezember fällig gewesen.

Der Schritt geniesst die Unterstützung der amerikanischen
Anti-Doping-Agentur Usada und ihres einflussreichen Chefs Travis Tygart, der in der Vergangenheit prominente Landsleute wie Marion Jones und Lance Armstrong zur Strecke gebracht hatte und der jenen Informanten half, die den massiven russischen Dopingskandal aufgedeckt hatten.

Tygart ist schon früh laut gegen die in Montreal ansässige Wada in Stellung gegangen. Im August beklagte er sich über «die verzweifelten und gefährlichen Versuche der Wada-Führung, andere, einschliesslich Informanten, zu verleumden, anstatt grundlegende Fragen darüber zu beantworten, warum sie China gestattet hat, positive Tests zu vertuschen».

Der amerikanische Drogenbeauftragte Rahul Gupta verlangte gemäss der Nachrichtenagentur AP: «Die Wada muss konkrete Massnahmen ergreifen, um das Vertrauen in das weltweite Anti-Doping-System wiederherzustellen und den Athleten das volle Vertrauen zu geben, das sie verdienen. Wenn amerikanische Steuergelder zugewiesen werden, müssen wir für volle Rechenschaftspflicht sorgen. Es liegt in unserer Verantwortung, sicherzustellen, dass diese Mittel angemessen verwendet werden.»

Die Zahlungen aus Washington finanzieren sechs Prozent des Jahresbudgets der Wada. Fünfzig Prozent der Wada-Ausgaben werden vom IOK getragen, die andere Hälfte steuern die Regierungen von rund hundertachtzig Ländern bei, mit den USA als grösstem Geldgeber.

Die Reaktion aus Montreal folgte am letzten Mittwoch. Und sie zeigte, dass die Hardliner in der Wada nicht zum Einlenken gegenüber der mächtigsten Sportnation der Welt bereit sind. Unter Berufung auf die Wada-Statuten entzog die Organisation den zahlungssäumigen USA Sitz und Stimme sowohl im sogenannten Foundation Board, einer Art Aufsichtsrat, als auch im geschäftsführenden Komitee. Beide Gremien werden vom Polen Witold Banka als Präsident und von der Chinesin Yang Yang als Vize-Präsidentin geleitet.

Weil bald Trumps zweite Amtszeit beginnt, wird die neuerliche Kontroverse kaum so bald beigelegt

Die Pattsituation erinnert an Auseinandersetzungen aus der
Vergangenheit mit amerikanischen Ermittlungsbehörden, wie im Falle des Bestechungsskandals um die Vergabe der Olympischen Winterspiele 2002 an Salt Lake City, bei dessen Aufarbeitung der amerikanische Kongress den damaligen IOK-Präsidenten Juan Antonio Samaranch zu einer Anhörung nach Washington zitierte. Hier wurde der Spanier frontal attackiert und zum Rücktritt aufgefordert.

Oder wie beim Schlag der Staatsanwaltschaft in Brooklyn, die mithilfe der Schweizer Polizei 2015 im Zürcher Hotel Baur au Lac hochrangige Fifa-Funktionäre festnehmen liess, ihre Auslieferung bewirkte und in einem langjährigen Verfahren die Korruption im internationalen Fussballverband aktenkundig machte.

Die neuerliche Kontroverse wird vermutlich nicht so bald beigelegt. Am 20. Januar beginnt Donald Trumps zweite Amtszeit als US-Präsident, womit Personalwechsel in allen Ministerien verbunden sind. Dabei können Monate vergehen.

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