Eine Befragung zeigt erstmals, wie viel Wertschöpfung Musikfans 2024 in Zürich generierten.
Es ist ein warmer Sommertag in Zürich. Die Sonne brennt, manche holen sich eine Glace, andere kühlen sich im See ab. Alles wie immer. Nur: Immer wieder stolzieren Personen in glitzernden und funkelnden Kostümen vorbei. Die meisten reden Englisch. Sie sind überall, egal ob im Tram, an der Bahnhofstrasse oder vor dem Letzigrund. Und sie alle warten auf den Auftritt ihres Idols: US-Megastar Taylor Swift.
Im Juli 2024 ist die Stadt im Taylor-Swift-Fieber – so wie der Rest der Welt. Swift hat mit ihrer Eras-Tour alle Zuschauerrekorde gebrochen. Auch in Zürich, wo sie zwei ausverkaufte Konzerte im Letzigrund spielt, vor tobenden und kreischenden Fan-Massen.
Damals bleiben die zwei Abende vor allem wegen der allgegenwärtigen «Swifties» – so nennen sich die Anhänger der Sängerin – in Erinnerung. Nun, acht Monate später, legt eine Umfrage noch einen anderen Schluss nahe: Der Konzertsommer mit der Taylor-Swift-Manie als Höhepunkt hat sich auch wirtschaftlich positiv auf Zürich ausgewirkt.
Fans haben 92,5 Millionen Franken ausgegeben
Für die besagte Umfrage hat die Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) auf Initiative des Verkaufsportals Ticketcorner 1552 Konzertbesucher befragt, die im vergangenen Sommer «ein Konzerterlebnis mit zwei Shows» besuchten, an dem insgesamt fast 100 000 Personen teilnahmen. Die Befragten sind zu 70 Prozent unter 40 und zu 80 Prozent weiblich.
Den wirtschaftlichen Effekt schätzen die Urheber der Befragung aufgrund von Angaben zum Konsumverhalten der Besucherinnen und Besucher ein. Laut diesen soll das «Konzerterlebnis» eine Wertschöpfung von mehr als 92,5 Millionen Franken generiert haben.
Die Auswirkungen reichen laut HWZ und Ticketcorner weit über die Stadtgrenzen hinaus und betreffen die gesamte Schweiz wie auch das Ausland. Besonders profitiert haben sollen die Sektoren Tourismus, Handel und Gastronomie.
Die befragten Besucherinnen und Besucher haben nach eigenen Angaben am meisten Geld für Tickets (24,4 Millionen Franken) und für die Hin- und Rückreise ausgegeben (ebenfalls 24,4 Millionen). Für Gastronomie liessen sie gemäss Schätzung 4,2 Millionen springen, für die Fortbewegung 5 Millionen.
Von den Konzertbesucherinnen und -besuchern reisten laut Befragung 33 Prozent aus dem Ausland an – zwei Drittel aus dem Rest Europas, ein Drittel aus den USA. Der hohe Anteil an ausländischen Gästen erklärt demnach die hohe Summe an Hin- und Rückreiseausgaben.
Von den insgesamt 92,5 Millionen Franken wurden gemäss der Schätzung insgesamt 35,8 Millionen Franken von Schweizer Konzertbesucherinnen und -besuchern ausgegeben. Deutlich mehr Geld – 56,7 Millionen Franken – sollen die internationalen Gäste liegengelassen haben. Alleine die US-Amerikaner sollen 15,5 Millionen Franken für die An- und Rückreise ausgegeben haben.
Doch wie aussergewöhnlich sind diese Zahlen? Und wie viel von dem Geld floss tatsächlich in die lokale Wirtschaft?
Claude Meier ist Professor an der HWZ und hat die Befragung durchgeführt. Er sagt, man verfüge über keine vergleichbare Studie und wisse daher nicht, wie das Ausgabeverhalten und die Zusammensetzung der Besuchenden bei anderen Konzerten aussehe.
Das Konzert der Superlative
Die Taylor-Swift-Manie von vergangenem Sommer: Sie war in den USA noch grösser als in Europa. Dynamische Preise trieben Ticketpreise in den hohen vierstelligen Bereich. In den sozialen Netzwerken gingen Videos viral, auf denen Influencer ihren Followern rieten, nach Europa zu reisen – trotz Hinflug und Unterkunft sei es dort günstiger, ein Swift-Konzert zu besuchen, als in den USA. Viele befolgten den Rat.
Auch in Zürich waren US-Fans, die vor hohen Ticketpreisen flohen, im Umfeld der Swift-Konzerte allgegenwärtig.
Ob es sich bei den untersuchten Konzerten tatsächlich, wie von sämtlichen Schweizer Medien vermutet, um die Swift-Anlässe handelt, will der Befragungsleiter Meier nicht kommentieren. Er könne nichts dazu sagen, da die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht explizit danach gefragt worden seien.
Klar ist dagegen: Der hohe Anteil an ausländischen Konzertbesuchern führte offenbar auch dazu, dass insgesamt 2,4 Millionen Franken für Souvenirs wie Taschenmesser oder Uhren ausgegeben wurden. Und von ausländischen Fans profitierte auch die Hotellerie. 13,3 Millionen Franken haben die Konzertbesucher laut der Befragung für Übernachtungen ausgegeben.
Michael Böhler ist Präsident Zürcher Hotellerie-Vereins. Er bestätigt, dass die Hotels in Zürich während zweier Konzerte im vergangenen Sommer vollständig ausgelastet waren – es seien, wenig überraschend, jene von Taylor Swift gewesen. Der Juli sei zwar immer gut ausgelastet, sagt Böhler. Auffällig war laut ihm jedoch, dass die Zimmer während der Konzerte fast 20 Prozent teurer waren als sonst.
Ausserdem seien auch die Vier- und Fünfsternehotels ausgebucht gewesen, was nicht immer vorkomme. Böhler sagt: «Der Swift-Effekt war gigantisch.»
Und er sei nicht nur in der Stadt zu spüren gewesen. Böhler, der in engem Austausch mit Hoteliers in der ganzen Region ist, berichtet: In Uster, Winterthur, Rapperswil, Baden und sogar in Einsiedeln seien die Hotels ausgebucht gewesen.
Einen vergleichbaren Grossanlass habe er in seiner Zeit als Hotellerie-Präsident noch nicht erlebt. Er sagt: «Das war wirklich einmalig, ein richtiger Megahype.»
Auch die VBZ haben das Swift-Fieber gespürt
Die Hotellerie hat also mit den «Swifties» ein gutes Geschäft gemacht. Ob, wie die Befragung suggeriert, auch der öffentliche Verkehr von ihnen profitiert hat, lässt sich dagegen nicht klar eruieren.
Weder die Verkehrsbetriebe der Stadt Zürich (VBZ) noch die kantonalen Verkehrsbetriebe (ZVV) können dazu konkrete Zahlen nennen. Grössere Anlässe brächten für die VBZ aber immer auch organisatorischen Aufwand mit sich, sagt die VBZ-Sprecherin Judith Setz.
Open-Air-Konzerte im Letzigrund bedeuteten in der Regel einen grossen Aufwand an Personal und Fahrzeugen. «Hier setzen wir jeweils bis zu 18 Trams und 14 Busse für den Abtransport ein», sagt Setz. Dazu komme zusätzliches Personal im Fahrdienst und in der Sicherheit.
«Aufgrund der umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen bei den Taylor-Swift-Konzerten waren dies 20 Mitarbeitende mehr als üblich», sagt die VBZ-Sprecherin. Sprich: Der Anlass hat auch zu erheblichen Mehrkosten geführt, die von der HWZ/Ticketcorner-Befragung nicht erfasst wurden. Der öffentliche Verkehr dürfte dafür nur ein Beispiel von mehreren sein.
Hat sich das Swift-Fieber also finanziell durchs Band ausbezahlt? Für viele Fans, aus Zürich oder Übersee, wäre das wohl die falsche Frage. Sie sagen vergangenen Sommer in jedes Mikrofon, das Konzert in Zürich sei das schönste ihres Lebens.
Dazu passt ein Befund der Befragung: Von den Konzertbesuchern geben 93 Prozent an, wieder eine solche Veranstaltung besuchen zu wollen. Und tönen dabei ganz wie «Swifties», die von einer Sommernacht mit ihrem Idol schwärmen.