Dienstag, November 26

Der Sportartikelhersteller Adidas wurde vor 75 Jahren in einem kleinen bayrischen Dorf gegründet. Wofür steht Adidas heute?

Die Adilette ist die berühmteste Latsche der Welt. Sie wird in der Badi gesichtet, an der Tankstelle, an der Bahnhofstrasse in Zürich. Alte Männer tragen sie als Hausschuhe, weil sie bequem sind. Junge Frauen tragen sie in der Stadt, weil sie trendy sind.

Dabei hat der Adidas-Gründer Adolf Dassler die Adilette einst als Schuh für die Dusche nach dem Sport erfunden, wasserfest und rutschsicher. Nun steht sie für die Popularität von Adidas. Die Latsche wird geliebt, gefälscht, nachgeahmt. Die Migros verkauft sie in Orange und nennt sie Migiletten.

Adidas wurde vor 75 Jahren in Bayern gegründet. Aus einer kleinen deutschen Schuhfirma ist ein globaler Konzern geworden. Sportlerinnen und Sportler tragen die drei Streifen an den Olympischen Spielen, Rapper drehen Videos in Adidas-Trainingsanzügen, Luxusmarken wie Balenciaga und Gucci kooperieren mit Adidas.

Adidas ist Nostalgie, Funktionalität, Glamour. Doch in den vergangenen Jahren haderte der Konzern auch – mit Verlusten, Gerichtsprozessen und Skandalen.

Zwei Brüder und ein Streit

Die Geschichte von Adidas beginnt eigentlich vor 100 Jahren. 1924 gründen die Brüder Adolf und Rudolf Dassler die Gebrüder Dassler Schuhfabrik in Herzogenaurach, Bayern. Sie produzieren Sportschuhe. Adolf Dassler besucht Athleten bei Trainings und Sportanlässen, holt Input zu den Schuhen ein. Es geht um Qualität, Technik, sportliche Rekorde.

1929 gewinnt in Amsterdam erstmals ein Athlet mit den Dassler-Schuhen eine olympische Goldmedaille. In der Welt des Sports ist der Name Dassler nun ein Begriff.

Doch die Brüder zerstreiten sich. Adolf gründet 1949 die Adolf Dassler Adidas Sportschuhfabrik. Rudolf gründet eine Firma, die er später Puma tauft. Es ist der Beginn eines legendären Konkurrenzkampfes um Produktinnovationen, Marktanteile, Partnerschaften.

Der erste Schuh von Adidas ist ein Fussballschuh mit Schraubstollen, er heisst Samba. Der Schuh trägt bereits die drei Streifen, die Signatur von Adidas. Die erste Mannschaft, die den Samba trägt: die Nationalmannschaft der Bundesrepublik Deutschland.

Im Jahr 1954 spielen die Deutschen im WM-Final gegen Ungarn. Der Adidas-Gründer Dassler steht persönlich in der Kabine und stellt sicher, dass die Schraubstollen sitzen. Die deutschen Fussballer gewinnen unverhofft, es ist das Wunder von Bern. Deutschland ist Weltmeister. Und Adidas weltberühmt.

Dann kommen die 1960er Jahre. Und die Leute verfolgen die grossen Sportanlässe erstmals zu Hause vor dem eigenen Fernseher. Sportfans sehen, mit welchen Schuhen der Fussballstar das Tor geschossen hat. Und wollen sie auch haben.

In dieser Zeit kommt auch der erste Trainingsanzug von Adidas auf den Markt. Adidas, der deutschen Identität treu, benennt ihn nach dem grössten deutschen Fussballspieler des 20. Jahrhunderts: Franz Beckenbauer. Daneben fertigt Adidas nun auch Jogginghosen, Badekleider, Kunstturngewänder.

Für Adidas beginnt die Zeit der grossen Sportpartnerschaften. Die argentinische Fussballnationalmannschaft läuft in Adidas-Leibchen auf, der australische Tennisspieler Rod Laver hat seinen eigenen Adidas-Schuh, der Boxer Muhammed Ali ebenfalls.

Adidas ist Puma dabei weit voraus. Einzig bei dem grossen brasilianischen Fussballer Pelé haben die Brüder einen Pakt: Sie vereinbaren, dass weder Adidas noch Puma ihn unter Vertrag nehmen würden. An der Fussball-WM 1970 bricht Puma diese Abmachung.

Adidas hat Erfolg im Sport. Doch dann entdecken Breakdancer, Skater und Hip-Hopper die Vorzüge der Trainerhosen und Sportschuhe. Und Adidas wird zum Markenzeichen der amerikanischen Subkulturen.

Adidas und die Pop-Kultur

In den 1980er Jahren tritt die erfolgreiche amerikanische Hip-Hop-Gruppe Run DMC in Adidas auf. Und macht aus dem Hype um die Marke einen Song: «My Adidas». Zum Dank bietet Adidas Run DMC einen Marken-Deal an. Es ist eine der ersten grossen Partnerschaften zwischen Musikern und einer Sportmarke. Und der Beginn einer engen Verbindung von Adidas in die Pop-Kultur.

Die Adidas-Turnschuhe und -Trainingsanzüge finden den Weg vom Sportplatz auf die Strasse und auf die ganz, ganz grossen Bühnen. Bob Marley sieht man in Adidas-Trainingsjacken, Freddie Mercury trägt Adidas-Wrestling-Schuhe, der Britpop-Star Liam Gallagher hat gar sein eigenes Adidas-Schuhmodell.

Die Leute sehen ihre Idole Adidas tragen. Und machen es ihnen nach. Die «Marke mit den drei Streifen» steht jetzt für Sportlichkeit, für Coolness, für Zugehörigkeit.

Anfang der 2000er Jahre führt Adidas als erster Sportartikelhersteller ein neues Lifestyle-Segment ein: sportlich inspirierte Streetwear. Es entstehen Partnerschaften mit den Modedesignern Yohji Yamamoto, Stella McCartney und Pharrell Williams.

Doch Adidas ist in den vergangenen Jahren mit der Liaison in die Pop- und Modewelt auch gescheitert.

Zum Beispiel, als Adidas den grössenwahnsinnigen Musiker Kanye West einen Schuh designen liess, den Yeezy. Die beiden verdienten Milliarden daran, bis sich Kanye West in sexistischen, rassistischen und antisemitischen Theorien verlor. 2022 beendete Adidas die Zusammenarbeit und blieb mit Tausenden unverkauften Yeezy-Schuhen zurück. Über eine Milliarde Franken Umsatz fiel weg.

Im Frühjahr 2024 bewarb Adidas einen Schuh, der für die Olympischen Spiele in München 1972 entworfen worden war. Die Kampagne wurde zum Debakel. Denn: An diesen Olympischen Spielen haben palästinensische Terroristen mehrere israelische Sportler getötet. Und das Model der Adidas-Kampagne war Bella Hadid, die sich in der Vergangenheit antisemitisch geäussert hatte. Israels Regierung beschwerte sich bei Adidas. Die Kampagne musste angepasst werden.

In der Welt der Sportartikelhersteller ist Adidas heute hinter Nike die Nummer zwei. Im Jahr 2023 hat Adidas zum ersten Mal seit dreissig Jahren mit einem Verlust abgeschlossen. Im Frühjahr gab der Deutsche Fussball-Bund das Ende der Zusammenarbeit mit Adidas bekannt. Nach 70 Jahren.

Aber trotz allem: Die «Marke mit den drei Streifen» ist heute Kult. 2023 hat Adidas den einstigen Fussballschuh Samba neu interpretiert. Der Schuh ist gerade überall zu sehen. Und auch andere alte Klassiker erleben ein Revival: Die Trainingsanzüge, die kurzen Sporthosen, das Schuhmodell «Gazelle».

Und dann ist da noch der «Stan Smith». Adidas hat in den 1960er Jahren den Tennisschuh nach dem berühmten Tennisspieler benannt. Das Modell verkauft Adidas bis heute. Es ist bekannter als der Tennisspieler selbst. Stan Smiths berühmtestes Zitat: «Die Leute denken, ich sei ein Schuh.»

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