Mit dem Reisekonzern Globus und Immobilien hat die Familie Mantegazza ein Vermögen gemacht. Doch der Unternehmer, der einst von Erpressern entführt wurde, hatte vor allem eine Leidenschaft: Eishockey.
Ihre Geschäfte machten die Brüder Sergio und Geo Mantegazza auf der ganzen Welt. Doch die Familie Mantegazza war immer auch im Tessin präsent. Nach Sergio Mantegazza, der im Februar 2024 im hohen Alter von 96 Jahren verstorben ist, ist ihm nun sein ein Jahr jüngerer Bruder Geo Mantegazza (geboren am 12. November 1928) im Alter von 95 Jahren nachgefolgt. Er ist am Donnerstag friedlich im Kreise seiner Familie eingeschlafen, teilt der HC Lugano mit.
Der Aufbau des Vermögens der Mantegazzas gleicht einer amerikanischen Tellerwäscher-Geschichte. Alles begann mit der Vermietung von Ruderbooten durch ihren Vater Antonio Mantegazza auf dem Luganersee. Später bot die kleine Firma Busausflüge an.
1950 kamen unter dem Namen Globus Viaggi Exkursionen nach Rom, Venedig und an die französische Riviera hinzu. Das Reisebüro entwickelte sich dann als Globus Travel Services zu einem internationalen, zuerst in den USA und dann vor allem in Grossbritannien tätigen Tour-Operator.
Fluss- und Pilgerreisen
2004 gesellte sich unter dem Gruppennamen Group Voyagers die Avalon Waterways, spezialisiert auf Flusskreuzfahrten, als Tochterunternehmen zur Gruppe. Einheiten für Individualreisen (Monograms) und religiöse Reisen (Globus Faith) bildeten schliesslich ebenfalls Teile des weltweiten Angebots.
1968 gründete die Firma die Charterfluggesellschaft Monarch mit Sitz in Luton, England, die 2006 rund sieben Millionen Passagiere transportierte. 2008 beschäftigte die Globus-Gruppe gemäss einem Eintrag im «Historischen Lexikon der Schweiz» weltweit 5000 Angestellte und verfügte über eine Flotte von 34 Mittel- und Langstreckenflugzeugen. 2014 trennte sich die Tessiner Milliardärsfamilie von der Monarch Airlines, nachdem sie rund 150 Millionen Franken in die serbelnde Fluggesellschaft investiert hatte.
Ingenieurbüro profitiert vom Bauboom
Während Sergio Mantegazza die Geschäfte des Reiseimperiums hauptsächlich von London aus leitete, war der Bruder Geo vorab im Tessin tätig, wo er für die familieneigene Immobilienfirma verantwortlich zeichnete. Geo Mantegazza hatte an der ETH Zürich Bauingenieurwissenschaften studiert und 1954 das Ingenieurbüro Mantegazza & Cattaneo gegründet, das während der Jahre des Tessiner Baubooms grosse öffentliche und private Aufträge erhielt.
Ab 1968 war die Firma auf Kläranlagen spezialisiert. Das Immobilienunternehmen Immobiliare Mantegazza SA wird mittlerweile von Geos Tochter Vicky Mantegazza präsidiert.
Im Unterschied zu seinem Bruder Sergio, der im internationalen Jetset gerne auf grossem Fuss lebte und etwa Tina Turner auf seine 64 Meter lange Jacht «Lady Marina» einlud, um ein Geburtstagsständchen zu singen, war Geo Mantegazza vergleichsweise bescheiden, wie Weggefährten erzählen. Bei Wohltätigkeitsveranstaltungen stand er ungern als Spender im Rampenlicht.
Mit dem grünen Pulli am Eishockeymatch
Seine Leidenschaft war der Sport. Er selbst hatte schon im Klub Rapid Lugano Fussball gespielt, bevor sich sein Interesse aufs Eishockey verlagerte. Von 1978 bis 1990 war er Präsident des Eishockeyklubs Lugano (HCL). Er holte den legendären schwedischen Trainer John Slettvoll nach Lugano.
In seiner Amtszeit stieg der HCL in die Nationalliga A auf und gewann vier Meistertitel. Ohne die finanziellen Zuwendungen aus dem Familienvermögen wären diese Erfolge nicht möglich gewesen. Bekannt ist seine Präsenz im grünen Pullover bei den Spielen, die er bis zuletzt – auch im hohen Alter – verfolgte.
Zu seinem 90. Geburtstag gab es in der Cornèr-Arena von Lugano einen «Geo-Day». Und der «Presidentissimo» bedankte sich höchstpersönlich bei den Fans für den überwältigenden Empfang. Die Tochter Vicky führt schon seit Jahren als HCL-Präsidentin das Erbe ihres Vaters weiter.
Kidnapper in der Tiefgarage
Doch das Leben von Geo Mantegazza war nicht nur Ruhm und Reichtum. Die wohl dunkelsten Stunden erlebte der Geschäftsmann im Jahr 1995. Am 18. Dezember, kurz vor Weihnachten, wurde er in der Tiefgarage seines Bürogebäudes in Lugano Paradiso gekidnappt.
Die Entführung des Milliardärs sorgte international für Schlagzeilen. Nach gut einem Tag wurde er in Vaduz (Liechtenstein) freigelassen; er befand sich in einem verwirrten und erschöpften Zustand. Was in den 30 Stunden genau geschah, ist bis heute ein Mysterium.
Auch wenn es die Familie bestritt, soll ein Lösegeld von mehreren Millionen Franken geflossen sein. Kurios: Die Geldübergabe erfolgte gemäss diversen Medienberichten erst zwei Monate nach der Geiselnahme im Untergeschoss der Universitätsklinik Zürich. Vermutet wird bis heute, dass die «Russenmafia» hinter dem Verbrechen stand.
Sicher ist: Seit der damaligen Geiselnahme hat sich Geo Mantegazza selten in der Öffentlichkeit sehen lassen. Diskretion war sein Gebot. Das gilt auch für die Umsätze und Gewinne des Familienimperiums, die ein «streng gehütetes Familiengeheimnis sind», wie das Magazin «Bilanz» schrieb, welches das Vermögen der Brüder auf 2,5 bis 3 Milliarden Franken schätzte.
Verglaster Palazzo am Seeufer
Geo war zwar in Figino zu Hause, hatte aber seinen offiziellen Wohnsitz schon seit einiger Zeit in Monaco. Das geht auch aus Einträgen im Handelsregister hervor, etwa als Gesellschafter der Ticino Welcome Sagl in Paradiso, einer PR-Firma mit gleichnamiger Hochglanzzeitschrift, die von seinem Sohn Mario geleitet wird. Mantegazza hatte insgesamt fünf Kinder, vier davon aus erster Ehe und eine Tochter aus zweiter Ehe.
Das Vermächtnis der Familie Mantegazza in Lugano wird weiterleben. Dafür sorgen nicht nur die Kinder, sondern auch zwei ikonische Immobilien: der vollkommen verglaste Palazzo Mantegazza in Lugano Paradiso direkt am Seeufer, der neben Geschäften, Büros und Luxuswohnungen auch ein Event-Center beherbergt, sowie ein Flügel des ehemaligen Grand Hotel Palace, das in eine Luxusresidenz umgebaut wurde und das Kulturzentrum LAC flankiert.