Samstag, November 30

Die Ligue 1 hat in einem Jahr Messi, Neymar sowie Mbappé verloren und muss in den Medienrechten 60 Prozent Verluste hinnehmen. In Deutschland hat sich die Liga mit einem Medienpartner überworfen.

Der europäische Fussballverband (Uefa) kann Fanfaren erklingen lassen in Sachen Wachstum, lassen sich doch die Champions League und die EM-Endrunde stets noch besser verkaufen. Vor allem die Medienrechte spülen Geld in die Kasse. Die Uefa generiert Milliarden, die grösstenteils zu den Landesverbänden und den Klubs fliessen – und von dort zu den Spielern.

Nichts kann die televisionäre Fussballparty stören. Könnte man meinen.

Doch während das internationale (Uefa-)Geschäft brummt, hat mit Frankreich der erste Vertreter der Top 5 einen herben Rückschlag zu erdauern. Die Ligue 1 avisierte mit den Medienrechten lange die Milliardengrenze an, doch 2020 kamen die Corona-Pandemie und damit verbunden der Meisterschaftsabbruch, es folgte 2021 die Zahlungsunfähigkeit des spanischen Medienunternehmens Mediapro, das im französischen Fussball Rechte erworben hatte.

Die Ligue 1 ist zur Bittstellerin geworden

Der Jahreserlös sackte von 820 Millionen Euro in einem Notfallszenario und dank der Hilfe von Canal Plus jüngst auf etwas mehr als 650 Millionen – und liegt fortan bei deren 500, die zu vier Fünfteln vom neuen Hauptpartner Dazn getragen werden. Damit ist das Schlimmste verhindert, aber nicht mehr als das.

Die Ligue 1 ist zur Bittstellerin geworden und steht als Exempel dafür, dass das TV-Geld in fast allen Fussballländern stagniert – oder zurückgeht. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass der Europacup und namentlich die Champions League im Medienmarkt immer mehr absaugen. Wobei der Uefa-Hebel schlicht und einfach die Wettbewerbserweiterung ist.

Die Ligue 1 ist indessen ein eigener Krankheitsfall. Vor Corona ging es ihr zu gut. Sie war überzahlt. Zudem rannte sie immer gleich zu jenem Anbieter, der am meisten Geld bot – und vergraulte etwa den langjährigen Medienpartner Canal Plus. Die Anbieterwechsel waren zu zahlreich. Das gab kurzfristig zwar mehr Geld, aber weniger Verlässlichkeit. Als sich Mediapro mit den Abonnementszahlen verzockte und keine Luft mehr hatte, nahte sogar der televisionäre GAU. Mittlerweile konnte dieser zum Unfall abgeschwächt werden.

Neymar, Messi und Mbappé sind nicht mehr da

Dazn hat sich 1,5 Millionen Abonnemente zum Ziel gesetzt. Erreicht der Streamingdienst diese Höhe, bezahlt er zusätzlich 50 Millionen. Wenn nicht, kann der Vertrag nach zwei Jahren aufgelöst werden. Das allein zeigt, wie eng kalkuliert wird, wie brüchig das Geschäft ist. Der französische Fussball hat innerhalb von etwas mehr als einem Jahr die drei Stars Neymar, Lionel Messi sowie Kylian Mbappé (alle früher Paris Saint-Germain) verloren. Er hat seit 2013 mit Paris Saint-Germain in zehn von zwölf Fällen den gleichen Meister. Er kämpft gegen die Fangewalt – und ist in den TV-Rechten eingebrochen.

Er hat 2022 zwar für 1,5 Milliarden Anteile an einen Investmentfonds (CVC Capital Partners) abgegeben, der dafür aber auf Lebzeiten fast 20 Prozent der Vermarktungserlöse erhält. Mit anderen Worten: Der Fussball in Frankreich lebt auf Kredit. Mit CVC-Geld und einem ähnlichen, auf fünfzig Jahre begrenzten Modell ist auch Spanien zugange. Aber in Spanien bewegt sich der Fussball auf einer anderen TV-Höhe, vor allem in der Auslandvermarktung.

In anderen Ländern ist der Schrecken nicht so riesig wie in Frankreich. Doch Beispiele wie die Niederlande, deren Eredivisie ab dem kommenden Jahr 50 Prozent mehr TV-Geld einheimst (neu 150 Millionen Euro pro Jahr), werden rar.

England bleibt stratosphärisch

Italien muss leicht zurückbuchstabieren, hat sich im nationalen Geschäft von der Milliardengrenze entfernt, bleibt aber bei immerhin 900 Millionen Euro. Trotzdem sprengte der Napoli-Präsident Aurelio de Laurentiis 2023 die Medienkonferenz der Liga mit den Worten: «Der italienische Fussball wird sterben, Dazn ist nicht kompetent.»

Selbst der Krösus in England scheint am Plafond angelangt. Die Premier League bleibt auch dank der Auslandvermarktung in schwindelerregender Höhe, die selbst einem Absteiger über 100 Millionen Euro TV-Geld beschert. Doch sie konnte das Zwei-Milliarden-Niveau nur deshalb halten, weil Sky mehr Spiele erhielt.

Dass Sand im TV-Getriebe des Fussballs ist, legt das Beispiel Deutschland offen. Die Vergabe der Medienrechte ab 2025 musste sistiert werden, weil sich die deutsche Fussballliga und Dazn vor einem Schiedsgericht treffen. Eigentlich wäre das beste Paket der Rechte (Samstagsspiele) an Dazn gegangen, doch da das Unternehmen die Bankgarantien nicht innert nützlicher Frist vorlegte, kam Sky zum Zug.

Diesen Vorgang klagt Dazn nun ein. Die Liga verlor Vertrauen, weil Dazn bereits im derzeitigen Vertragsverhältnis dem Vernehmen nach für zwei Raten um Zahlungsaufschub gebeten haben soll.

Ob die Bundesliga die TV-Flughöhe halten kann, hängt nicht zuletzt davon ab, dass sich die Liga und die Hauptpartner (Dazn/Sky) doch noch irgendwie finden. Wenn nicht, ist die Frage, wie die Verliererpartei reagiert. Auf jeden Fall ist die Wahrung des Besitzstandes das höchste der deutschen Gefühle. Branchenkenner erwarten vielmehr einen Rückgang. Dass sich der Vorgang hinzieht, ist kein gutes Zeichen.

Die Ligue 1 erhält 16 Mal so viel wie die Super League

Das ändert nichts daran, dass die Bundesliga gut gebettet bleiben dürfte und sich eher an England als an Frankreich orientieren darf. Überdies hat sie (noch) nicht Teile ihrer Seele an eine Investorengruppe verkauft. Dass das nun trotzdem diskutiert wird, hat auch mit dem unsicherer gewordenen TV-Geschäft zu tun.

Vor diesem Hintergrund müssen sich die Verantwortlichen der Swiss Football League kein schlechtes Gewissen machen. Auch sie liegen zwar im Trend, selbst auf ihrem bescheidenen Niveau. Der Vermarktungserlös von 37 Millionen (Titelsponsoring inklusive) wird ab 2025 sinken. Aber nicht einbrechen. Eine Hochrechnung der Zeitung «L’Equipe» ergibt, dass der französische Champion nur noch 25 statt 60 TV-Millionen einstreichen wird. Die Ligue-1-Klubs müssen mit Einbussen von bis zu 60 Prozent rechnen. Die Ligue erhält aber insgesamt immer noch über 16 Mal so viel TV-Geld wie die Super League.

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