Montag, Oktober 7

Watson ist der Gründer von Sea Shepherd und kämpft seit Jahrzehnten gegen die Walfangindustrie – mit umstrittenen Methoden. Wegen eines internationalen Haftbefehls wurde er nun in Grönland verhaftet.

Paul Watson droht eine über vierzehn Jahre alte Episode einzuholen. Im Januar 2010 rammte ein Schiff der japanischen Walfangflotte in der Antarktis ein Schnellboot der Organisation Sea Shepherd. Das Schnellboot sank. Die sechsköpfige Besatzung überlebte. Der Walfänger jedoch konnte weiterfahren.

Der jahrelange Kampf der von Watson gegründeten Organisation Sea Shepherd gegen die Walfangindustrie befand sich damals auf dem Höhepunkt. Die japanische Walfangflotte reiste jedes Jahr in die kalten Gewässer der Antarktis, um unter dem Vorwand der Forschung Wale zu jagen. Knapp 1000 Wale betrug die jährliche Quote.

Die aggressiven und Aufmerksamkeit erregenden Störmassnahmen von Sea Shepherd zeigten Wirkung. Japan begann die Jagd auf die eigenen territorialen Gewässer zu beschränken, wie es etwa auch Island oder Norwegen tun.

Der Kapitän des eingangs erwähnten Schnellbootes, das Sea-Shepherd-Mitglied Peter Bethune, gelangte später mit einem Jetski an Bord des Walfängers. Angeblich, um dessen Kapitän eine Rechnung für das gesunkene Schnellboot zu überreichen. Doch Bethune wurde übermannt und festgesetzt. Er wurde im Juli 2010 in Tokio zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt, weil er ohne Erlaubnis an Bord eines japanischen Schiffes gegangen sei.

Im Anschluss an den Zwischenfall in der Antarktis erliess Japan auch einen Haftbefehl gegen den Sea-Shepherd-Chef Paul Watson. Er sei bei der Aktion Komplize gewesen. 2012 wurde Watson von Japan international zur Fahndung ausgeschrieben.

Verhaftung in Grönland

Jahrelang entzog sich Watson einer Verhaftung. Er versteckte sich auf hoher See. Oder hielt sich in Ländern auf, in denen ihm keine Verhaftung drohte, weil sich deren Interessen mit seinem Kampf gegen die Hochseefischerei deckten.

Am 21. Juli wurde der heute 73-jährige Watson nun in Grönland verhaftet. Ihm droht die Auslieferung nach Japan. Die japanische Küstenwache wirft ihm unter anderem Beihilfe zur Körperverletzung und unerlaubtes Betreten eines Schiffes vor. Bei einer Verurteilung drohen Watson in Japan laut seiner Organisation mehrere Jahre Gefängnis.

Watson, Vater von drei Kindern, wird bis zum 15. August in der grönländischen Stadt Nuuk festgehalten. Weil Grönland ein autonomes Territorium Dänemarks ist, entscheidet nun die dänische Justiz, ob er an Japan ausgeliefert werden soll. Eine Kaution wurde ihm wegen vermuteter Fluchtgefahr verweigert. Watsons Organisation forderte Dänemark auf, ihn freizulassen und dem «politisch motivierten» Haftantrag nicht nachzukommen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Watson Streit mit der Justiz hat. Seit fünfzig Jahren kämpft der gebürtige Kanadier gegen die Tötung von Walen und anderen Meeressäugern. Zunächst als Mitglied von Greenpeace, wo er seit der Gründung 1971 dabei war. Nach einem Streit schloss ihn die Organisation jedoch aus. Seine Methoden waren Greenpeace zu radikal. Watson fand Greenpeace hingegen zu bürokratisch und zu harmlos. Immer wieder kritisierte er deren Herangehensweise als nicht effektiv.

Nach der Trennung von Greenpeace gründete Watson 1977 die Sea Shepherd Conversation Society. Ein Jahr später wurde das erste Schiff gekauft. Schon bald machte die Organisation mit umstrittenen Aktionen auf sich aufmerksam.

Versenkte Schiffe und Stinkbomben

Zu den Methoden von Watson und Sea Shepherd gehörte etwa das Blockieren von Laderampen der Walfangschiffe, damit keine Tiere an Bord gehievt werden können. Oder sie hinderten die Schiffe am Auftanken. Immer wieder kamen auch Stinkbomben zum Einsatz, mit Buttersäure gefüllte Flaschen, die auf die Schiffe der Walfänger geworfen werden. Watson rechtfertigte dieses Vorgehen als «aggressive Nichtgewalt». Die Aktionen seien nur gegen Eigentum gerichtet und würden keine Menschen gefährden. Seine Gegner hingegen bezeichnen ihn als «Ökoterroristen».

Immer wieder wurden Walfangschiffe versenkt. 1986 etwa in Island oder 1992 in Norwegen. Ein Gericht in den Lofoten verurteilte Watson für die Aktion in Norwegen in Abwesenheit zu einer Gefängnisstrafe über 120 Tage. Weil ihn die Niederlande nicht auslieferten, musste er diese nicht vor Ort absitzen. Er verbrachte jedoch dort 80 Tage hinter Gitter.

2012 wurde Watson in Frankfurt am Main festgenommen. Grund war ein Haftbefehl aus Costa Rica wegen eines Vorfalls von 2002. Damals hatte Watson ein Haifangschiff vor der Küste Costa Ricas mit einer Wasserkanone angegriffen. Schon damals stellte Japan ein Auslieferungsgesuch an Deutschland. Watson wurde gegen Zahlung einer Kaution freigelassen und floh wenige Tage später aus Deutschland.

Bei den waghalsigen Manövern auf hoher See dachte Watson stets an die Macht der Bilder. «Was nicht von einer Kamera festgehalten wird, ist nie passiert», sagte er der «NZZ am Sonntag» in einem Interview im Jahr 2021. Der Kampf von Sea Shepherd gegen die Walfänger in der Antarktis wurde in der Reality-TV-Show «Whale Wars» dokumentiert, die zwischen 2008 und 2015 ausgestrahlt wurde.

Neues japanisches Walfangschiff

Auch kurz vor der Verhaftung im Juli befand sich Watson auf einer Anti-Walfang-Mission. In der Stadt Nuuk in Grönland machte er mit seinem Schiff zum Tanken halt. Er war auf der Spur der «Kangei Maru», des neuen Mutterschiffs der japanischen Walfangflotte. Das Schiff brach im Mai zu seiner Jungfernfahrt auf. Japan ist 2019 aus der Internationalen Walfangkommission ausgetreten und hat den kommerziellen Walfang wieder aufgenommen.

Die Reichweite der «Kangei Maru» beträgt 13 000 Kilometer. Deshalb herrscht unter Umweltschützern die Befürchtung, dass Japan wieder Walfang in der Antarktis betreiben könnte. Der Betreiber des Schiffes weist diesen Verdacht jedoch von sich. Es komme nur in den Hoheitsgewässern Japans zum Einsatz.

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