Der Medtech- und Pharmakonzern Johnson & Johnson trennt sich von Schweizer Mitarbeitenden. Zur Zahl der Betroffenen schweigt er. Wegen sinkender Einnahmen in Europa ist der Handlungsbedarf aber gross.
Der weltgrösste Gesundheitskonzern Johnson & Johnson (J&J) baut seine Organisation um, und das kostet Stellen – auch in der Schweiz. Am liebsten würde die US-Firma, die in der Schweiz mit über 5000 Beschäftigten an neun Standorten zu den grössten industriellen Arbeitgebern zählt, darüber allerdings nicht reden.
Dürres Communiqué
Mehrere Tage kursierten Gerüchte, wonach der Konzern die Schliessung des Europasitzes seiner Tochterfirma DePuy Synthes in Zuchwil und damit verbunden den Abbau von 100 Stellen plane. Ausgelöst wurden sie von einem Bericht der Plattform «Inside Paradeplatz» Ende vergangener Woche.
Am späten Dienstag reagierte der Konzern schliesslich auf die Spekulationen. Das Communiqué, das die Medienstelle vom Hauptsitz in New Brunswick (New Jersey) verschickte, fiel indes dürr aus.
So erwähnte J&J, dass man jüngst organisatorische Veränderungen umgesetzt habe, um die geschäftlichen Aktivitäten zu optimieren. Betroffenen der Massnahmen werde man helfen, innerhalb des Unternehmens eine neue Stelle zu finden, oder ihnen Zugang zu Dienstleistungen bei der beruflichen Neuorientierung sowie weitergehende Unterstützung gewähren.
Auf die Frage, welche Funktionen an welchen Standorten von der Reorganisation betroffen seien, gab der Konzern ebenso wenig Auskunft wie über den Zeithorizont der geplanten Massnahmen. Zu den Gründen äusserte er sich nur floskelhaft: Man müsse die Geschäfte als Reaktion auf ein komplexes und rasch wechselndes Umfeld anpassen.
In einem Beitrag auf seiner Schweizer Website, der von Ende November 2024 datiert, gibt der Konzern an, in der Schweiz einschliesslich Temporärkräften 5750 Mitarbeiter zu beschäftigen. Sie gehörten 90 verschiedenen Nationalitäten an, und 53 Prozent von ihnen seien Frauen. Innerhalb der vergangenen 15 Jahre habe sich die Belegschaft mehr als verdreifacht.
Medientermin in Schaffhausen kurzfristig abgesagt
Ein grosser Teil des Personalzuwachses ist Akquisitionen zuzuschreiben. So erwarb der Konzern, der sowohl Medikamente als auch Medizintechnik im Angebot hat, 2011 für 21 Milliarden Dollar den Schweizer Hersteller von chirurgischen Schrauben und Prothesen Synthes und verschmolz ihn mit der bestehenden Tochterfirma DePuy. 2017 folgte mit dem Kauf des Pharmaunternehmens Actelion eine noch teurere Übernahme. Sie kostete J&J 30 Milliarden Dollar.
Erstmals in der Schweiz fasste der Multi 1959 mit dem Kauf des Schaffhauser Medikamentenherstellers Cilag Fuss. Das Werk mit knapp 2000 Beschäftigten ist nach wie vor ein bedeutender Standort für die Fertigung von Biotech-Produkten. Für den 5. November 2024 war ein Medienanlass geplant, bei dem das lokale Management Einblick in die neusten Investitionsprojekte geben wollte. Der Anlass wurde allerdings ohne Angabe von Gründen am Vortag abgesagt.
«Gespräche waren möglich»
Bei der Arbeitnehmerorganisation Angestellte Schweiz hat man noch keine Informationen zur Reorganisation bei J&J erhalten. Die Organisation war laut eigenen Angaben schon in der Vergangenheit involviert, als sich J&J von Geschäftsbereichen trennte. «Gespräche waren möglich, und es konnten branchengerechte Lösungen gefunden werden», sagt die Sprecherin Laure Fasel.
Was den Geschäftsgang anbelangt, deutet auf den ersten Blick wenig darauf hin, dass J&J unter Handlungsdruck steht. Als der Konzern Mitte Oktober seine Zahlen für das dritte Quartal des vergangenen Jahres präsentierte, korrigierte das Management die Prognose für den Umsatz im Gesamtjahr sogar leicht nach oben. Auf dieser Grundlage sollte die Konzernleitung am 22. Januar, wenn der Jahresabschluss vorliegen wird, einen Zuwachs von rund 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr rapportieren können.
Allerdings ist das Wachstum bei J&J ungleich verteilt. In den ersten neun Monaten des zurückliegenden Jahres verzeichnete die Absatzregion USA, die 56 Prozent des Konzernumsatzes beiträgt, eine Zunahme von 8 Prozent. 2023 war sie über das ganze Jahr gerechnet sogar um 11 Prozent gewachsen. In Europa verlor der Konzern hingegen in beiden Zeiträumen 1 Prozent an Einnahmen.
Stellenabbau auch am US-Hauptsitz und in China
Angesichts dieses fortgesetzten Schrumpfungsprozesses wäre es nicht überraschend, wenn J&J in der Schweiz an mehreren Standorten Bedarf für eine Strukturbereinigung sähe. Ausser aus Zuchwil steuert das Unternehmen Geschäfte in Europa auch aus seiner internationalen Zentrale in Zug sowie aus Allschwil heraus, wo früher Actelion den Hauptsitz hatte.
Hinzu kommt, dass der Konzern jüngst bereits Stellen an seinem Hauptsitz in New Brunswick sowie in China abbaute. In der Volksrepublik macht dem Unternehmen wie anderen internationalen Firmen zu schaffen, dass mittlerweile auch in der Medizintechnik öffentliche Beschaffungen nach dem tiefsten Preis erfolgen. Dies bevorteilt einheimische Billiganbieter. Die Konzerneinnahmen aus Asien fielen von Januar bis September 2024 sogar um 2 Prozent.