Freitag, Oktober 18

Die Republikaner im Senat stimmten fast geschlossen gegen eine verschärfte Einwanderungspolitik und neue Hilfsgelder für die Ukraine. Anstatt die Migrationskrise zu lindern, wollen sie damit Wahlkampf betreiben. Ihr Kalkül könnte sich aber rächen.

Selbst der einst mächtige republikanische Fraktionsführer im Senat, Mitch McConnell, der sich mit Trump zerstritten hat, stimmte am Mittwoch dagegen. Bis auf fünf Gegenstimmen unterstützten alle Demokraten die Vorlage, aber nur vier Republikaner. Mit 49 Ja- und 50 Nein-Stimmen wurde die geforderte Zweidrittel-Mehrheit von 60 Stimmen damit deutlich verpasst.

Ein Kurswechsel bei der Zuwanderung sei die Voraussetzung für die Bewilligung neuer Milliarden für die Ukraine in ihrem Krieg gegen Russland, sagten die Republikaner im Herbst. Dass die Gewerkschaft der Grenzschützer die Reform unterstütze, deute zwar darauf hin, dass diese in die richtige Richtung gehe, gestand McConnell. «Aber wie unsere Kollegen erkannt haben, hat das Abkommen keine Chance, Gesetz zu werden.»

James Lankford, der für die Republikaner den Kompromiss aushandelte, zählte vor der Abstimmung seinen Senatskollegen nochmals alle Vorzüge der Reform auf. Mit ihr würde unter anderem die Grenzmauer ausgebaut und würden Asylverfahren sowie Ausschaffungen beschleunigt. Es sei zwar richtig, dass Präsident Joe Biden einige Vollmachten nicht nützt, um die Grenze zu sichern, die Donald Trump und Barack Obama eingesetzt hätten. Aber um wirklich etwas zu bewirken, brauche es Gesetzesänderungen.

Weniger Migranten hätten Anrecht auf Asyl gehabt

Zu den «ziemlich radikalen Änderungen» zählt Lankford etwa das Kriterium zur Zulassung zu einem Asylverfahren. Bis jetzt müssen Migranten nur eine «glaubhafte Angst» vor einer Verfolgung nachweisen. Gemäss der Reform müssten sie neu eine «signifikante Möglichkeit» einer Bedrohung in ihrem Heimatland überzeugend darlegen. Die Asylanträge sollten zudem nicht mehr vom Justizministerium, sondern in beschleunigten Verfahren vom für den Grenzschutz zuständigen Ministerium für Inlandsicherheit bearbeitet werden. Wer sicher in einem Drittland lebte oder in seiner Heimat in eine sicherere Region umziehen kann, sollte kein Asyl mehr erhalten.

Aufgrund des grossen Ansturms sind die amerikanischen Einwanderungsbehörden derzeit völlig überlastet. Oft werden aufgegriffene Migranten in den USA deshalb nach kurzem Arrest ohne saubere Prüfung mit einem viele Jahre dauernden Asylverfahren ins Land gelassen. Um dies zu ändern, wollte die Reform eine obere Limite einführen: Bei einer täglichen Zahl von über 5000 aufgegriffenen Migranten sollten keine weiteren Schutzsuchenden mehr aufgenommen, sondern diese umgehend nach Mexiko abgeschoben werden. Gleichzeitig sah die Gesetzesvorlage eine Erhöhung der Bettenzahl in den Auffangzentren von unter 40 000 auf 50 000 vor.

Die illegalen Grenzübertritte haben unter Biden stark zugenommen

Zahl der monatlichen Aufgriffe an der Südgrenze der USA

1

20. 1. 2017: Donald Trump wird Präsident.

2

20. 3. 2020: Die Pandemieregelung «Title 42» tritt in Kraft.

3

20. 1. 2021: Joe Biden übernimmt die Präsidentschaft.

4

11. 5. 2023: «Title 42» läuft aus, stattdessen beginnt Bidens Grenzregime.

Neben den gesetzlichen Verschärfungen sollten die Einwanderungsbehörden und der Grenzschutz zudem 20 Milliarden Dollar erhalten, um damit unter anderem mehr Personal einzustellen. In dem Gesetzespaket waren überdies 60 Milliarden Dollar für die Ukraine, 14 Milliarden Dollar für Israel, rund 5 Milliarden für amerikanische Verbündete im Indopazifik sowie 10 Milliarden für die humanitäre Hilfe in unterschiedlichen Konfliktgebieten vorgesehen.

Biden versucht den Spiess umzudrehen

Seit Joe Biden im Amt ist, warnen die Republikaner vor der Gefahr der unkontrollierten Zuwanderung. Nun haben sie es aber offensichtlich nicht eilig, etwas dagegen zu unternehmen. Denn die Migrationskrise belastet derzeit Bidens Umfragewerte und ist für Trumps Republikaner vielleicht das wichtigste Wahlkampfthema. Bevor er die Einzelheiten der Kompromisslösung am Sonntagabend kannte, bezeichnete Donald Trump diese als «Geschenk» für die Demokraten und als «Betrug an Amerika», den er mit aller Macht bekämpfen werde.

Auch der konservative Kongressabgeordnete Troy Nehls machte vergangene Woche kein Geheimnis daraus, dass die Republikaner mit der Zuwanderung weiter Wahlkampf machen wollen, statt das Problem zu lösen: «Wieso sollte ich Biden helfen, seine schlechten Zustimmungswerte zu verbessern, wenn er das Problem an der Grenze doch auch allein lösen kann?», sagte er gegenüber einem Reporter.

Ob dieses wahltaktische Kalkül jedoch aufgeht, muss sich zeigen. Biden machte Trump bereits am Dienstag für das voraussichtliche Scheitern der Einwanderungsreform verantwortlich. «Er instrumentalisiert das Problem lieber, als es zu lösen», sagte der amerikanische Präsident. Er selbst werde den Wählern nun bis im November jeden Tag erklären, dass die Grenze wegen Trump und seiner Verbündeten im Kongress nicht sicher sei.

Wie die Republikaner versuchen, das Migrationsthema im Hinblick auf die Wahlen zu bewirtschaften, anstatt es gemeinsam mit den Demokraten zu lindern, zeigt sich derzeit auch im Repräsentantenhaus. Unter Speaker Mike Johnsons Führung streben die Konservativen ein Amtsenthebungsverfahren gegen Alejandro Mayorkas, den Minister für Inlandsicherheit, an. Sie werfen ihm vor, für das Chaos an der Grenze verantwortlich zu sein. Mayorkas’ Absetzung würde allerdings an dem Migrationsproblem nichts ändern. Weil dies auch drei republikanische Abgeordnete so sehen, stimmten sie am Dienstag gegen ein Impeachment. Obwohl die Republikaner eigentlich über eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus verfügen, ging die Abstimmung auf blamable Weise verloren. Trotzdem will Johnson möglichst bald erneut über eine Amtsenthebung abstimmen lassen.

Vorlage für ein Gesetz ohne Grenzschutz?

Nachdem die Einwanderungsreform gescheitert ist, bleibt nun jedoch die Frage, was aus den Hilfsgeldern für die Ukraine und Israel werden soll. Der demokratische Senatsführer Chuck Schumer hatte für Mittwoch bereits eine alternative Vorlage ohne das Migrationspaket vorbereitet. So meinte er: «Die Republikaner sagten mir, dass sie keine Ukraine-Gelder ohne Änderungen zum Grenzschutz verabschieden können. Jetzt sagen sie, dass sie keine Ukraine-Gelder mit Änderungen zum Grenzschutz beschliessen können. Heute gebe ich ihnen eine Auswahl.»

Schliesslich kam es am Mittwochabend aber nicht mehr zu einer Abstimmung über die abgespeckte Vorlage. Schumer vertagte die Sitzung auf Donnerstag. Dass die Ukraine-Gelder aber ohne die Einwanderungsreform eine Chance haben, ist vor allem im Repräsentantenhaus zu bezweifeln. Eine verschärfte Migrationspolitik sollte der Anreiz dazu sein, die Republikaner für die Ukraine zu gewinnen. Dass dies nicht gelungen ist, zeigt einerseits, wie wenig den Konservativen noch an der Hilfe für Kiew liegt, und andererseits, wie stark sie sich von Trump beeinflussen lassen.

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