Montag, September 30

Ein Kommissionsmitglied sorgt sich um die Glaubwürdigkeit der Kirche.

Rund 4 Million Franken verteilt die reformierte Kirchgemeinde Zürich jedes Jahr an verschiedene Institutionen. Das entscheidende Kriterium, weshalb eine Institution Unterstützung erhält, lautet: Die Organisationen müssen christlich sein.

Mit Abstand am meisten Geld erhält das Hilfswerk Heks (790 000 Franken), darauf folgt der Verein Solidara Zürich mit 497 500 Franken. Es ist ein Verein, der sich nach eigenen Angaben der jüdisch-christlichen Tradition verdankt. Solidara betreibt in der Stadt Zürich das soziale Café Yucca, eine Beratungsstelle für Prostituierte namens Isla Victoria sowie eine Passantenhilfe für Menschen in Notlagen. Der Beitrag der reformierten Kirche macht einen Fünftel des Budgets aus.

Doch nun muss der Verein befürchten, die Gelder der reformierten Kirche zu verlieren: Solidara sei nicht mehr christlich genug, findet die zuständige Kommission des Kirchenparlaments. Sie beantragt, die Sockelfinanzierung für die Jahre 2025 bis 2028 zurückzuweisen.

Ein Antrag, der die Geschäftsführerin von Solidara, Beatrice Bänninger, «konsterniert» zurücklässt, wie sie sagt. «Wir wurden total überrascht.»

Interreligiöse Öffnung schon lange ins Auge gefasst

Solidara ist ein Verein mit einer langen – reformierten und damit christlichen – Geschichte. Im Jahr 1862 gründete die Evangelische Gesellschaft des Kantons Zürich die Zürcher Stadtmission mit dem Ziel der inneren Mission.

In den 1950er Jahren trat die Bekehrung gegenüber der Lebenshilfe für Bedürftige und ausgegrenzte Menschen in den Hintergrund. 2016 löste sich die Zürcher Stadtmission von der Evangelischen Gesellschaft und tritt seither als selbständiger, parteipolitisch unabhängiger und konfessionell ungebundener Verein auf. Im Vorstand sitzen sowohl Vertreterinnen und Vertreter der katholischen als auch der reformierten Kirche, unter ihnen der ehemalige Pfarrer des Grossmünsters Christoph Sigrist.

Seit 2021 unterstützen die reformierte, die katholische und die christkatholische Kirche den Verein mit einem Sockelbetrag, der insgesamt 40 Prozent des Vereinsbudgets ausmacht. Seither heisst der Verein Solidara Zürich. Bänninger sagt, schon damals habe man eine interreligiöse Öffnung ins Auge gefasst und dies auch so kommuniziert und vertraglich vereinbart.

Kirche befürchtet Verlust der Glaubwürdigkeit

Was hat sich aus Sicht der Kirche verändert?

Priscilla Schwendimann ist Vizepräsidentin der Kommission für Diakonie, Bildung und Kommunikation und vertritt das Geschäft zur Sockelfinanzierung von Solidara am 31. Oktober im Parlament. Sie äussert sich dazu nicht, um den demokratischen Prozess nicht zu gefährden.

Aus Sicht der Kommission «verlässt Solidara ihre christlichen Wurzeln». Die Diakonie erfolgt nicht mehr aus dem Evangelium heraus, sondern ist durch solidarisch helfendes Handeln ersetzt worden. So steht es im neuen Leitbild von Solidara, das im Frühling 2023 in Kraft trat.

Die Sockelfinanzierung eines Vereins, der sich selbst von seinen christlichen Wurzeln trenne, untergrabe die Glaubwürdigkeit der Kirche, heisst es im Antrag an das Kirchenparlament. «Wir riskieren, dass Kirchenmitglieder den Sinn ihrer Zugehörigkeit hinterfragen.»

Neben dem befürchteten Glaubwürdigkeitsverlust wird auch die finanzielle Verantwortung als Grund für einen Verzicht auf die Unterstützung des Sozialwerks angegeben. Mit rund 2 Millionen Franken über vier Jahre sei die beantragte Sockelfinanzierung «beträchtlich». In Zeiten knapper werdender Ressourcen müsse die reformierte Kirche ihre Mittel gezielt für christlich-diakonische Zwecke einsetzen.

Weil sie das Engagement von Solidara sehr schätzt, hat sich die Kommission für einen Rückweisungs- und nicht für einen Ablehnungsantrag zuhanden des Parlaments entschieden. Damit wird die Sockelfinanzierung auf die Jahre 2025 und 2026 befristet. In dieser Zeit könnte Solidara eine Lösung suchen.

Bänninger befürchtet gravierende Auswirkungen, sollte das reformierte Kirchenparlament dem Antrag folgen und die Gelder streichen. Ein Drittel des Budgets von 2,65 Millionen Franken wird durch Spenden generiert. Das sei schon heute eine «sportliche Herausforderung». Um weiterhin die gleichen Leistungen anbieten zu können, wären noch grössere Anstrengungen nötig.

Die Kommission sieht eine Möglichkeit, wie Solidara weiterhin in den Genuss der Sockelfinanzierung komme: indem der Verein «wieder christlich wird». «Die Diskussion, was christlich bedeutet, muss das Kirchenparlament führen», sagt Bänninger dazu. Für sie ist klar: Solidara hat seine christlichen Wurzeln nicht verlassen. «Wenn solidarisch helfendes Handeln nicht christlich sein soll, was dann?»

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