Der Hedonismus und die Gier sind zurück, «American Psycho» bekommt ein Remake, und natürlich sind auch Power-Suits plus Schulterpolster längst wieder da – über das Comeback der Achtziger-Attitüde.

Anzeichen gab es jede Menge, man wusste sie nur noch nicht richtig zu deuten. Da war etwa die Ankündigung vergangenen Oktober, der Regisseur Luca Guadagnino werde «American Psycho» neu verfilmen. Wobei aber vor allem bemerkt wurde, dass die erste Filmversion der Figur Patrick Bateman nun genau 25 Jahre zurückliegt, nicht, wie sehr damit der Hedonismus und der Nihilismus der achtziger Jahre erneut auf die Leinwand zurückkehren würden.

Kurz zuvor hatte der Modedesigner Anthony Vaccarello für Saint Laurent eine Frauenkollektion präsentiert, die zu grossen Teilen aus breitschultrigen, doppelreihigen Power-Anzügen bestand. Am meisten Aufmerksamkeit erregten zunächst jedoch die Krawatten, die mitten im amerikanischen Wahlkampf als Gegenentwurf zu den Pussy-Bows und Schalkragen der Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris interpretiert wurden.

Ungefähr zur selben Zeit lief die britische Serie «Rivals» auf Disney+ an, die sofort für eine zweite Staffel durchgewinkt wurde, weil schon lange nicht mehr derart hemmungsloser Sex und Exzess auf dem Bildschirm zu sehen waren. So viele abenteuerliche Farbkombinationen und Dauerwellen allerdings auch nicht.

Der Werbespot mit David Beckham für Boss-Unterwäsche dürfte zu jenem Zeitpunkt ebenfalls längst in Planung gewesen sein. Ein Hochhausapartment, Menschen, die durch Jalousien spähen, der halbnackte, sehr gestählte Beckham bei Klimmzügen, dazu läuft «In the Air Tonight» von Phil Collins. Der Sound des Jahres 1981.

Das alles wäre wahrscheinlich genauso passiert, wenn Donald Trump nicht erneut gewählt worden wäre. Aber seitdem scheint alles umso mehr in ein ziemlich plakatives Bild zu passen: Die gierige, skrupellose Attitüde der achtziger Jahre ist wieder da, und mit ihr kehrt nun auch ein Stück weit die Ästhetik dazu zurück. Schon der Präsident selbst erscheint äusserlich wie hängengeblieben in jener Dekade.

Der fortschrittlich-verantwortungsvolle Konsument erscheint im «Boom-Boom»-Klima plötzlich nicht mehr sexy. Die neue alte Devise lautet: weg mit den langweiligen Tugenden, her mit dem Laster.

Der Trump Tower, der massgeblich sein Image als erfolgreicher Immobilientycoon zementierte, entstand Anfang der Achtziger. Wann immer Trump in Manhattan ist, wohnt er im Penthouse des mit Marmor und Gold überladenen Wolkenkratzers, das für Trump in jeder Hinsicht mehr Zuhause bedeutet als alle anderen Anwesen. Auch die breiten Anzüge, der Teint, das grossspurige Auftreten und ein unverhohlener Chauvinismus – Relikte seiner besten Jahre und Reminiszenzen an sie.

Seine Söhne tragen den gleichen, nach hinten gegelten Look wie Gordon Gekko in «Wall Street». Wenn die Maga-Anhänger nun auf ein neues goldenes Zeitalter hoffen, sahen sie das zumindest schon einmal in den Outfits des Trump-Clans am Abend des Wahlsiegs aufziehen. Cocktailkleider, High Heels und Glitzer wie früher bei «Denver-Clan». Auch das Kostüm und der breitkrempige Hut, den Melania Trump bei der Amtseinführung trug und der ihren Ehemann so gut auf Abstand hielt, hätten eins zu eins aus dieser Serie stammen können. Letztlich ist es eben genau die Zeit, welche auch die junge Melania Knauss modisch geprägt hat.

Viel bezeichnender ist aber, dass vor allem die jüngere Generation, die die Achtziger selbst gar nicht miterlebt hat, wieder Lust auf mehr Opulenz, mehr Übertreibung, auf Mehr-von-allem zu haben scheint. Sean Monahan, der Gründer der Trendforschungsagentur K-Hole, der 2014 den Begriff Normcore prägte, schrieb vor einigen Monaten in seinem Newsletter von einem «vibe shift», der sich gerade vollziehe.

Angefangen habe dieser Stimmungswandel während der Pandemie, als den Jungen so vieles verweigert blieb. Studieren über Zoom, kein Ausgehen, keine Partys, keine Jobs, keine Reisen. «Insgesamt hat sich das mit einem allgemeinen Gefühl verbunden, dass die Vergangenheit eine freiere, hedonistischere Ära war», sagte Monahan der «Financial Times». Seitdem seien wir dabei, in eine neue kulturelle Phase einzutreten: jene der Sehnsucht nach der «Boom-Boom»-Ästhetik.

Der Begriff ist so treffend wie anschaulich gewählt: demonstrativer Konsum, Reichtum, der hemmungslos zur Schau gestellt wird, keine Rücksicht mehr auf Umweltressourcen. Jetzt wird wieder auf den Putz gehauen! Exemplarisch dafür sind die jungen Konservativen der Maga-Bewegung, die das «New York Magazine» für eine Titelgeschichte zu diversen Wahlpartys begleitete.

Von Quiet Luxury halten sie dort überhaupt nichts, sondern fahren mit Vorliebe teure Autos wie Lamborghinis (eher nicht elektrisch), gehen in auf alt getrimmten, mit Gold dekorierten Restaurants essen und bevorzugen auch sonst üppigen «Glam» entgegen jeglicher Zurückhaltung. Der fortschrittlich verantwortungsvolle Konsument, der diskrete Aesop-Nachfüllflaschen benutzt, erscheint im «Boom-Boom»-Klima plötzlich nicht mehr sexy. Die neue alte Devise lautet: weg mit den langweiligen Tugenden, her mit dem Laster.

Politisch, moralisch und ökologisch betrachtet, könnte das fatale Auswirkungen haben. Modisch allerdings würde ein bisschen Über-die-Stränge-Schlagen sogar ganz gut tun. Die letzten Jahre waren optisch dermassen heruntergedimmt und oft so krampfhaft geschmackvoll, dass es kaum verwundert, wenn in den Vintage-Läden nach altem Moschino oder Escada gesucht wird. Vermehrt auch wieder nach Christian Lacroix – dessen untrennbar mit den Achtzigern verwobenes Label gerade von einem spanischen Konzern gekauft wurde und offenbar vor einem Relaunch steht.

Im Januar erschien – noch so ein Vorzeichen – der Bildband «Eighties» von David Bailey. Der in den sechziger Jahren bekannt gewordene Fotograf, Vorbild für Michelangelo Antonionis legendären Film «Blow Up», liebte das Jahrzehnt der «Zügellosigkeit» und machte in jener Zeit einige seiner besten Modeaufnahmen, die im Buch gesammelt sind. Insgesamt ist dort wenig von den berüchtigten Geschmacksverirrungen zu sehen, die bei jedem kleinen Revival auf dem Laufsteg mit einem «Hilfe! Die ‹’80s› sind zurück» bedacht werden.

Natürlich gab es seltsame Frisuren, die immer unweigerlich an explodierende Ananas erinnern. Die Frauen trugen definitiv zu viele Kopfbedeckungen, von Pillbox bis Schlapphut. Designer hatten einen Hang zu waghalsigen Farbkombinationen wie Fuchsia – Schwarz – Türkis und wilden Mustern, die sich heute nur noch auf Strassenbahnsitzen finden. Aber Baileys Fotos strahlen vor allem Lust aus. Eine Liebe zum Überschwang, keine Angst vor «muchness». Es konnte nie zu viel (Mode-)Schmuck oder zu viel Volumen sein. Die Goldketten und dekorativen Knöpfe jener Zeit sind schon eine Weile zurück, mittlerweile finden sich sogar wieder grosse Ohrclips in den Accessoire-Regalen der Modeketten.

Maskulines Tailoring – naheliegender Dresscode der Karrierefrauen, die damals versuchten, sich in den Büroetagen breitzumachen – war nicht nur bei Saint Laurent, sondern auch bei Jil Sander oder Loewe auf dem Laufsteg zu sehen. Hailey Bieber, Nicole Kidman oder Ayo Edebiri trugen den neu aufgelegten Trend bereits auf dem roten Teppich. Wie moderne Power-Schultern aussehen, zeigen Phoebe Philo, Bottega Veneta oder Louis Vuitton: stark, aber nicht aufgesetzt, voluminös aufgepumpt und trotzdem sinnlich.

Es wird demnächst sicher auch einen «vibe shift» hin zu mehr Weiblichkeit und Sexyness geben, was nicht zwangsläufig reaktionär aussehen muss. Das Saint-Laurent-Kleid aus übereinandergeschichteter Spitze in Giftgrün, Yves-Klein-Blau und Rot etwa, das Emma Corrin zur Filmpremiere von «Nosferatu» trug, versprühte farblich definitiv einen Hauch Achtziger, sah durch das Layering und den offensiven Nude-Effekt aber trotzdem nach 2025 aus.

Marken wie Bottega Veneta und Jil Sander setzen das Thema für dieses Frühjahr zeitgemäss um.

All die Schleifen in den Haaren und die Cardigans, die man gerade wieder sieht, erinnern an den Achtziger-Jahre-Kultfilm «St. Elmo’s Fire» mit Demi Moore und Rob Lowe, sind in der Kombination mit Sportswear aber viel weniger niedlich und kitschig.

Der jüngste Mob-Wife-Look hingegen, mit schrankgrossen Pelzmänteln (nicht alle davon fake), die Hailey Bieber, Kylie Jenner oder Jennifer Lopez diesen Winter trugen, ist ein «Boom-Boom»-Effekt, den es eher nicht gebraucht hätte. Genauso wenig wie die Uhr, die Tom Brady beim vergangenen Super Bowl trug. Eine goldene «Caviar Tourbillon» von Jacob & Co. mit 424 Edelsteinen im Wert von 740 000 Dollar. Sie glitzerte so penetrant am Handgelenk, dass es einem fast in den Augen brannte.

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