Freitag, November 29

Die jüngste Kritik an der Schweiz vermischt Geldwäschereiregeln und Russland-Sanktionen.

Der amerikanische Botschafter in Bern, Scott Miller, hat diese Woche wieder einmal für Unterhaltung gesorgt. Den Anlass bot die Mitteilung des US-Finanzdepartements vom Mittwoch über die Aufnahme von 275 Personen und juristischen Einheiten in die amerikanische Sanktionsliste – wegen mutmasslicher Unterstützung der russischen Kriegsmaschine in Umgehung von internationalen Sanktionen. Die Betroffenen stammen aus 17 Ländern. Dazu zählen auch zwei Schweizer Anwälte, sowie je eine Aktiengesellschaft und ein Trust mit helvetischem Sitz.

Miller verwies in einem Mitteilung der Berner US-Botschaft auf die zwei sanktionierten Schweizer Anwälte und las seinem Gastland einmal mehr die Leviten. Die Kernbotschaft der Mitteilung: Die Schweiz müsse mehr gegen Sanktionsumgehungen tun – besonders Schlupflöcher in der Geldwäschereibekämpfung schliessen, indem das Land endlich auch die Anwälte den Sorgfalts- und Meldepflichten des Geldwäschereigesetzes unterstelle. Bisher gelten solche Pflichten für Anwälte, Notare und andere Berater nur insoweit, als sie selber als Finanzdienstleister tätig sind – etwa durch berufsmässiges Verwalten von Kundengeldern.

Bundesrat läuft auf

Dass die USA in der Geldwäschereibekämpfung viel schlechter dastehen als die Schweiz, ist aus amerikanischer Sicht irrelevant: In der internationalen Politik erklärt der Grosse dem Kleinen die Welt, und nicht etwa umgekehrt. Innenpolitisch dürfte die laute Intervention eher kontraproduktiv sein. Immerhin rennt Miller inhaltlich beim Bundesrat offene Türen ein. Dieser will schon seit 2018 eine breitere Unterstellung von Beratern im Geldwäschereigesetz, doch bisher war dies nicht mehrheitsfähig. Der erste Versuch scheiterte im Parlament vor allem wegen des Aufstandes der Anwälte, die ihr Berufsgeheimnis in Gefahr sahen.

Auch der zweite Versuch des Bundesrats hat es schwer. Diese Revisionsvorlage steckt zurzeit in der Rechtskommission des Ständerats. Im Oktober beschloss die Kommission, den Teil der Vorlage mit der «Beraterklausel» vom weniger umstrittenen Rest abzuspalten und von der Verwaltung einen abgespeckten Vorschlag zu verlangen.

Der ursprüngliche Vorschlag enthält eine Liste von Tätigkeiten, die beim berufsmässigen Mitwirken durch Anwälte, Notare und andere Berater neu den Regeln des Geldwäschereigesetz unterstellt sein sollen. Diese Tätigkeiten enthalten laut Bundesrat erhöhte Geldwäschereirisiken. Die Liste ist eng angelehnt an die Empfehlungen des globalen Standardsetzers (Financial Action Task Force). Zu den genannten Tätigkeiten gehören: Kauf/Verkauf eines Grundstücks; Errichtung oder Führung/Verwaltung einer Gesellschaft, Stiftung oder eines Trusts; Kauf/Verkauf einer Gesellschaft; die Bereitstellung von Adresse oder Räumlichkeiten als Sitz für eine Gesellschaft; und das Handeln als treuhänderischer Aktionär im Namen des effektiven Aktionärs.

Briefkastenfirmen im Visier

Für die Ständeratskommission ist die Liste viel zu umfangreich. Sie will nur «die Kernrisiken risikobehafteter Tätigkeiten» dem Geldwäschereigesetz unterstellen. Was dies heisst, ist Gegenstand laufender Gespräche zwischen der Bundesverwaltung und den betroffenen Verbänden. Ein genanntes Beispiel ist die Gründung von Sitzgesellschaften; das sind juristische Konstrukte, die keine operative Tätigkeiten ausüben, aber Vermögen des wirtschaftlich Berechtigten halten – vereinfacht gesagt «Briefkastenfirmen». Bei diesen Gesellschaften gelten die Geldwäschereirisiken als besonders hoch. Was sonst noch auf die abgespeckte Liste kommt, wird sich noch zeigen müssen. Dieses Dossier dürfte frühestens im März oder Juni 2025 in den Ständerat kommen.

Unabhängig vom Ausgang dieser Debatte: Bei der Durchsetzung der wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland haben die Anwälte in der Schweiz heute schon Pflichten. Die Basis dafür liefert das Embargogesetz von 2002, das direkt nicht mit Geldwäschereiregeln verbunden ist. Grundsätzlich seien Anwälte verpflichtet sicherzustellen, «dass sie nicht bei der Verletzung von Sanktionsbestimmungen behilflich sind», schreibt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) in seinen Erläuterungen zu den Russland-Sanktionen. Gemeint sind damit Schweizer Sanktionsbestimmungen – und nicht etwa amerikanische.

Mit Beihilfe zu Sanktionsumgehungen würden Anwälte laut Seco «ihre Berufspflichten verletzen und müssten auch strafrechtliche Konsequenzen befürchten». Für die aktuellen Russlandsanktionen ist die Strafandrohung Bestandteil der Ukraine-Verordnung, die der Bundesrat im März 2022 auf Basis des Embargogesetzes erlassen und seither laufend revidiert hat.

Breite Meldepflicht

Die Verordnung enthält auch spezifische Meldepflichten in Bezug auf gesperrte Vermögen. Dabei wirft die massgebende Passage ein ziemlich weites Netz aus: Wer von wirtschaftlichen Ressourcen wisse, «von denen anzunehmen ist», dass sie unter die Sperrung fallen, müsse dies dem Seco «unverzüglich melden». Das soll mindestens zum Teil auch für Anwälte gelten.

Bei «kernanwaltschaftlichen» Tätigkeiten – insbesondere bei der Vertretung vor Gericht – gibt es gemäss Seco keine Meldepflichten, weil das Anwaltsgeheimnis vorgehe. Bei Tätigkeiten ausserhalb des «Anwaltsmonopols» – «wie beispielsweise bei der Vermögensverwaltung oder bei treuhänderischen Tätigkeiten» – greife dagegen die Meldepflicht.

Diese Erläuterungen sind jedoch im entscheidenden Punkt unscharf – weil die Begriffe «kernanwaltschaftlich» und «Anwaltsmonopol» nicht deckungsgleich sind. Der Monopolbereich für Anwälte erfasst im Prinzip nur die Vertretung vor Gericht. Zu den «kernanwaltschaftlichen» Tätigkeiten gehört indes laut Bundesgericht auch die Rechtsberatung. Diese kann im Prinzip ein breites Feld umfassen – einschliesslich das Aufsetzen von intransparenten Firmenstrukturen.

Eine Rückfrage beim Seco am Freitag konnte die Begriffsverwirrung nicht klären. Der Bundesrat sagte 2022 in seiner Antwort auf eine parlamentarische Anfrage, dass Anwälte «im Rahmen ihrer spezifischen beruflichen Tätigkeiten» nicht der Meldepflicht gemäss Ukraine-Verordnung unterstellt seien. Auch die damaligen Ausführungen des Bundesrats waren nicht schlüssig. Viele Meldungen von Anwälten an das Seco zu gesperrten Russland-Vermögen scheint es bisher jedenfalls nicht gegeben zu haben.

Im Streitfall werden die Gerichte die Grenzlinie ziehen. Der Anwaltverband hatte 2022 in einem Positionspapier ausgeführt, dass das Anwaltsgeheimnis nur für jene Tätigkeiten nicht gelte, die typischerweise nicht von Anwälten ausgeübt würden. Die Ukraine-Verordnung des Bundesrats könne das Anwaltsgeheimnis nicht übersteuern, betonte ein vom Verband bestelltes Rechtsgutachten.

Würde eine breitere Unterstellung der Anwälte und übrigen Berater unter das Geldwäschereigesetz die Bekämpfung von künftigen Sanktionsumgehungen erleichtern? Ein Bundesvertreter nannte am Freitag einen indirekten Zusammenhang: Mit verankerten Sorgfaltspflichten gemäss Geldwäschereigesetz wie etwa die Feststellung des wirtschaftlichen Berechtigten von Vermögenswerten stosse ein Anwalt möglicherweise eher auf Hinweise für Sanktionsumgehungen. Der Anwaltsverband hatte derweil in der Vernehmlassung zur Revision des Geldwäschereigesetzes betont, dass für die Anwälte kraft des Strafgesetzbuchs heute schon Sorgfaltspflichten gälten – wie die Feststellung des wirtschaftlichen Berechtigten und die Herkunft involvierter Vermögen. Am Freitag machte der Verband indes auf Anfrage deutlich, dass aus seiner Sicht der Vorschlag des Bundesrats zur Geldwäscherei noch massiv abzuspecken ist.

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