Mittwoch, November 27

Noch vor wenigen Monaten wäre ein solches Abkommen undenkbar gewesen. Nun ist es ein Beweis für die krachende militärische Niederlage, die die Schiitenmiliz erlitten hat. Sicherheit wird diese Einigung allein jedoch nicht lange bringen.

70 Tage ist es her, seit sich in Libanon seltsame Dinge abzuspielen begannen: Praktisch zeitgleich explodierten am 17. September Tausende Kommunikationsgeräte des libanesischen Hizbullah. Was damals noch niemand wusste: Es war der Auftakt zu einem beispiellosen israelischen Vorgehen gegen die schiitische Miliz, die ihrerseits seit Monaten Tag für Tag Raketen auf den jüdischen Staat abfeuerte, um den Hamas-Terroristen im Gazastreifen Schützenhilfe zu leisten.

Zehn Tage später war der als Halbgott verehrte Hizbullah-Chef Hassan Nasrallah tot, und mit ihm ein grosser Teil der Führungsriege der terroristischen Organisation. In den Wochen danach wurden die militärischen Überreste der «Partei Gottes» durch schwere Luftangriffe und eine Bodenoffensive immer weiter in die Defensive gedrängt. Nun hat dieser blutige Krieg, der auf beiden Seiten der Grenze zahlreiche Todesopfer gefordert und Hunderttausende vertrieben hat, mit einem Waffenstillstand ein vorläufiges Ende gefunden.

Israel hat Mythen zerstört

Noch vor wenigen Wochen wäre es undenkbar gewesen, dass sich der Hizbullah jemals auf eine solche Einigung und auf einen Rückzug aus dem südlichen Libanon einlassen würde. Die islamistische Organisation war auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Sie galt als stärkste Miliz der Welt, erhielt verlässliche Waffenhilfe von ihren iranischen Sponsoren und musste auch in Libanon keinen ernsthaften Gegenwind für ihren Kampf gegen die Israeli befürchten.

Doch inzwischen hat sich der Nimbus des Hizbullah in Luft aufgelöst. Der nun vereinbarte Waffenstillstand zeigt, dass es Israel mit einer Mischung aus hervorragender Geheimdienstarbeit und überwältigendem militärischem Druck gelungen ist, zwei Mythen zu zerstören: Erstens, dass die Miliz ihren Kampf erst dann einstellt, wenn auch im Gazastreifen die Waffen ruhen – diese doppelte Front wurde erfolgreich entkoppelt. Und zweitens, dass das mit iranischer Hilfe aufgebaute Waffenarsenal des Hizbullah den jüdischen Staat abschrecken und im Zaum halten kann.

Nun scheinen beide Seiten zu der Einsicht gelangt zu sein, dass die Kosten-Nutzen-Rechnung eines fortgesetzten Krieges nicht mehr aufgeht. Zwar sind in Israel sofort Stimmen lautgeworden, die von einer «Kapitulation» sprechen und fordern, nun müsse dem Hizbullah endgültig das Genick gebrochen werden. Doch keiner der Kritiker legt dabei eine kohärente Vision vor, wie dies zu bewerkstelligen wäre.

Eine Ausweitung des Krieges wäre mit hohen Kosten verbunden – nicht nur für die israelische Armee, die nach 14 Monaten Krieg überstrapaziert ist, sondern auch für die Wirtschaft des jüdischen Staates. Die Abwesenheit von Tausenden Reservisten hat vielen Unternehmen zugesetzt. Der Waffenstillstand kommt zum richtigen Zeitpunkt.

Ein fragiles Abkommen

Die Schwierigkeit wird nun darin liegen, dieses Abkommen auch wirklich umzusetzen und den vollständigen Abzug des Hizbullah aus Südlibanon sicherzustellen. Die Verantwortung dafür liegt gemäss der Vereinbarung bei der libanesischen Armee, den Blauhelmen der Uno sowie einer von den USA angeführten internationalen Kommission. Ob sie ihre Aufgaben erfüllen können, ist mehr als fraglich – schon die Uno-Resolution 1701 sah nach dem zweiten Libanon-Krieg von 2006 einen ähnlichen Mechanismus vor. Richtig umgesetzt wurde er nie. Stattdessen konnte der Hizbullah ungestört aufrüsten. Er wird es wieder probieren.

Es ist deshalb legitim, dass sich Israel das Recht vorbehält, auf jeden Verstoss gegen das Waffenstillstandsabkommen militärisch zu reagieren. Das Sicherheitsgefühl der Bewohner Nordisraels ist nachhaltig gestört – es ist abzuwarten, ob sie tatsächlich die Rückkehr in ihre Heimat wagen werden. Zwar hat Israel die unmittelbare Bedrohung durch den Hizbullah im Grenzgebiet beseitigt. Doch nach wie vor kann die Miliz Raketen auf den jüdischen Staat abfeuern.

So ist dieses Abkommen fragil, zumal zwar der Krieg, nicht aber der ihm zugrunde liegende Konflikt beendet wurde. Es ist deshalb denkbar, dass schon in wenigen Wochen oder Monaten erneut Kämpfe ausbrechen werden. Dennoch eröffnen der Waffenstillstand und die Schwächung des Hizbullah neue Chancen für mehr Sicherheit und Stabilität im Nahen Osten. Für einmal sind aus dieser kriegsgeplagten Weltregion gute Nachrichten zu vermelden.

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