Dienstag, Oktober 8

Sowohl im Innern wie im Ausland steht der Diktator isolierter dar als vor den Wahlen. Doch er hat noch immer einen Trumpf, um sich an der Macht zu halten.

Gut drei Wochen nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Venezuela scheint sich die Lage im Land beruhigt zu haben. Der Diktator Nicolás Maduro sitzt nach der gestohlenen Wahl sicher im Sattel. Eine beispiellose Repressionswelle lässt der Opposition im Moment kaum Spielraum. In stalinistischer Manier werden Regimegegner zu jeder Tages- und Nachtzeit von den Schergen des Regimes in ihren Wohnungen abgeholt. Mehr als 2400 Personen wurden laut der Regierung seit der Wahl festgenommen, mindestens 24 Protestierende sind nach Angaben aus Menschenrechtskreisen getötet worden.

Trotz allem ist die Lage für Maduro prekärer geworden. Die Repressionswelle zeigt, dass der Präsident nervös ist. Die Wahl hat Auswirkungen sowohl im Innern als auch auf regionaler Ebene. Erstmals sind die Wähler auch in den als Maduro-Hochburgen bekannten Armenvierteln in Scharen zur Opposition übergelaufen. Selbst Wahlbeobachter der Opposition zeigten sich überrascht über den Umfang dieses Phänomens.

Maduro hat Legitimität endgültig verloren

Für die grosse Mehrheit der Venezolanerinnen und Venezolaner ist es nun offensichtlich und belegbar, dass Maduro kein legitimer Präsident mehr ist. Bei den Wahlen 2013 konnte er noch mit einem knappen, wenn auch umstrittenen Resultat den Sieg verkünden. 2018 traten die wichtigsten Oppositionsparteien gar nicht an, weil ihre erfolgversprechenden Kandidaten nicht zugelassen wurden. Diesmal wagte das Regime gar nicht, die Resultate der einzelnen Wahlkreise überhaupt zu veröffentlichen.

Plump gab der oberste Verantwortliche nach stundenlanger Verzögerung in der Wahlnacht einfach pauschal bekannt, Maduro habe den Oppositionskandidaten Edmundo González mit 51,2 zu 44,2 Prozent der Stimmen besiegt. Die Resultate der einzelnen Wahlbüros hat das Regime bis heute nicht nachgeliefert. Doch den Wahlbeobachtern der Opposition gelang es, die Resultate von rund 80 Prozent der Wahlmaschinen zu sammeln und im Internet zu veröffentlichen. Sie deuten darauf hin, dass González mehr als doppelt so viele Stimmen wie Maduro erhalten hat. Auch die unabhängigen Umfragen vor der Wahl und die Exit-Polls vom 28. Juli sprachen für einen Erdrutschsieg der Opposition.

Auf dem internationalen Parkett ist Maduro nach der gestohlenen Wahl noch isolierter als zuvor. Hatten die Linksregierungen in den drei bevölkerungsreichsten Ländern Lateinamerikas – Venezuelas Nachbarn Brasilien und Kolumbien sowie Mexiko – das Regime bisher noch verteidigt, sind nun auch sie auf Distanz gegangen. Sie haben den Wahlsieg Maduros nicht anerkannt und verlangen, dass die Regierung die Resultate aus den einzelnen Wahllokalen veröffentlicht.

Sicherheitskräfte spielen entscheidende Rolle

Kann man nun auf ein baldiges Ende von Maduros Herrschaft hoffen? Wie das Beispiel von Daniel Ortega in Nicaragua zeigt, können sich manchmal auch Autokraten, welche die Unterstützung im Volk weitgehend verloren haben, noch jahrelang an der Macht halten. Sie setzen ohne Skrupel einen brutalen Repressionsapparat für ihren Machterhalt ein. Die gewiefte Oppositionsführerin María Corina Machado hat denn auch lediglich mit verhaltenem Optimismus erklärt: «Das ist nicht das Ende, aber es ist der Beginn des Endes.»

Maduro kann sich weiterhin auf die Armee, die Polizei und die Colectivos – vom Regime bewaffnete Zivilisten, die besonders in den Armenvierteln aktiv sind – verlassen. Die Spitzen der Sicherheitskräfte sind eng mit dem Regime verhängt. Sie profitieren nicht nur wirtschaftlich davon, sondern sind auch in kriminelle Machenschaften wie den Drogenhandel eingebunden. Nach einem Sturz Maduros müssten sie deshalb damit rechnen, zur Verantwortung gezogen zu werden.

Ausserdem überwacht ein mit kubanischer Hilfe aufgezogener Geheimdienst alle Angehörigen der Sicherheitskräfte, damit sie auf Linie bleiben. Erst klare Absetzbewegungen in deren Reihen wären ein Zeichen, dass sich das Maduro-Regime wirklich seinem Ende zuneigt.

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