Montag, September 30

Die Finanzmärkte beginnen, sich mit einer zweiten Präsidentschaft von Donald Trump auseinanderzusetzen. Geopolitisch dürfte Trump die Weichen neu stellen, wirtschaftlich sind mehr Inflation, höhere Zinsen und ein schwächerer Dollar zu erwarten.

Die Welt beginnt, sich mit einer zweiten Präsidentschaft von Donald Trump auseinanderzusetzen. Falls er am 5. November gewählt wird, dürfte er in den USA den Mitte-Links-Kurs seines Vorgängers korrigieren, während die Europäer diesen Kurs unbeirrt weiterziehen. Auf geopolitischer Ebene würde Trump versuchen, den Krieg in der Ukraine rasch zu beenden und insgesamt das Risiko eines verheerenden Krieges unter den Grossmächten reduzieren.

China wird im Handel noch mehr unter Druck kommen, und Europa wird sich ein neues Wirtschaftsmodell suchen müssen, das auf mehr Binnennachfrage basiert. Wirtschaftlich dürfte eine Trump-Präsidentschaft mehr Inflation, höhere Zinsen, höhere Rohstoffpreise und vermutlich einen schwächeren Dollar bringen. Für die Börsen bedeutet das, dass sich Value-Aktien in diesem Umfeld besser entwickeln dürften als Wachstumstitel. Anleger werden herausgefordert, ihre Anlagepolitik konsequent zu überdenken.

Fehlgeleiteter Zeitgeist in Europa

Die Obama-Regierung hat in den USA eine linkslastige Politik begonnen, und Joe Biden hat diesen Kurs in extremis weitergeführt. Es war der Kreis um Obama, des linksten Senators vor seiner Wahl zum Präsidenten, der diese Agenda einer kleinen, urbanen Elite verbreitete. Daraus entstand eine Entfremdung zwischen der Minderheit am politischen Lenkrad und einer steigenden Zahl von Bürgern der westlichen Welt.

Bürger wollen Sicherheit, Recht und Ordnung, eine gesteuerte und massvolle Zuwanderung. Sie wollen nicht, dass ihre Regierung Geld à discrétion für Massenzuwanderung ausgibt und sich dafür verschuldet. Die Regierungen des linken und linksliberalen Mainstreams haben den Bürgern nicht mehr zugehört, sondern einseitig eine Agenda durchgesetzt, die viele ablehnen. Alle anderen Meinungen wurden ausgegrenzt. Zahlreiche Medien inklusive Staatssendern haben nicht nur mitgemacht, sondern diese Ideen noch gefördert.

Die Parlamentswahlen in den Niederlanden im Herbst 2023 setzten ein erstes Zeichen für eine Trendwende, indem Mitte-Links namhafte Verluste erlitt und schliesslich eine rechtsbürgerliche Koalition die Regierungsverantwortung übernahm. Der Rechtsaussen-Politiker Geert Wilders verzichtete vernünftigerweise auf den Sessel als Premierminister, um diese Koalition zu ermöglichen.

In Frankreich hat sich die politische Mitte mit den Linksextremen vereinigt, um den Angriff von rechts abzuwehren und das Rassemblement National von Marine Le Pen in der Regierungsverantwortung zu verhindern, obwohl das RN mit über 37% mit Abstand als stärkste Partei aus den Wahlen hervorging.

In Grossbritannien wiederum haben die Konservativen es nach dem Brexit verpasst, eine konservative Agenda durchzusetzen und das Vereinigte Königreich attraktiv zu positionieren. Boris Johnson hat sich mit den restriktiven Massnahmen für die Bevölkerung während der Covid-Pandemie unmöglich gemacht, indem er selbst eine Party nach der anderen feierte. Seine Nachfolgerin, Liz Truss, torpedierte sich selbst mit einem auf Wachstum getrimmten Budget mit immenser neuer Staatsverschuldung, was die Anleihezinsen nach oben trieb.

Nach weniger als zwei Monaten wurde sie durch Rishi Sunak ersetzt, einem ideenlosen Platzhalter, der in dieser Position völlig überfordert wirkte. Alle diese «konservativen» Politiker verpassten es, den Auftrag der Wähler für eine bürgerliche Politik durchzusetzen. Deshalb fuhren sie bei den kürzlichen Wahlen das schlechteste Resultat seit 1830 ein.

Deutschland: schmerzhafte politische Erneuerung

In Deutschland hat die Ampel ausgedient; sie hat zu viel Schaden angerichtet, die Volkswirtschaft ins Jammertal geschickt und den Lebensstandard von Millionen verschlechtert. Die vor der Ära Merkel einst konservative CDU/CSU hat diverse schädliche Trends aufgegleist, von der unkontrollierten Zuwanderung, einer missglückten Energiewende samt Ausstieg aus der Kernkraft bis zu einer falschen EU-Politik. Die AfD wird ausgegrenzt statt in die demokratische Pflicht genommen, weil die deutsche Geschichte ihren Schatten wirft. Die linke BSW wird als kommunistisch abgewertet. Auf diese Weise wird rund ein Viertel der Wähler in Deutschland durch die Ampelparteien und die CDU/CSU ausgegrenzt und bevormundet.

Deutschland muss wohl durch einen längeren Prozess der politischen Erneuerung gehen, der nicht schmerzfrei ablaufen wird. Es wird eine neue Politikergeneration brauchen.

Auch in der Schweiz hat die politische Mitte versagt, weil sie in wichtigen Fragen wie Zuwanderung, Verhältnis zur EU, Bürokratie und Energiewende mehrheitlich mit den Linken marschiert und nicht mehr die von einer Mehrheit gewünschte bürgerliche Politik verfolgt. Es werden Spielchen um Bundesratssitze gespielt anstatt eine Politik zugunsten der Mehrheit verfolgt. Im Unterschied zu früheren Zeiten folgt die Regierung viel zu oft den Vorgaben aus Brüssel und Washington, anstatt selbstbewusst eine eigene Linie im Interesse der Schweizer Bevölkerung zu fahren.

Schliesslich setzte die EU mit der Wahl von Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin ein falsches Zeichen, denn sie war eine Scharfmacherin im Kielwasser der Biden-Regierung gegen Russland, zudem hat sie mit der Energiewende völlig übertrieben und die Volkswirtschaften Europas geschwächt. Dass sie das Verbot des Verbrennermotors durchsetzte und damit die deutsche Automobilindustrie im Kern traf, ist für Deutschlands Volkswirtschaft eine Katastrophe. Die politische Elite Europas hat noch nicht verstanden, was die Bevölkerung will.

Sollte Trump gewählt werden, werden Europas politische Eliten beginnen müssen, endlich die Interessen Europas und ihrer Bürger zu verfolgen, weil Trump von Europa mehr Selbstverantwortung fordern wird.

Entscheidender Wechsel im Weissen Haus

In den USA werfen die Wahlen vom 5. November ihren Schatten voraus. Mit der TV-Debatte Ende Juni wurde der Nation klar, dass Joe Biden für das höchste Amt nicht mehr qualifiziert ist. Während kritische Zeitgenossen schon lange wussten, dass der Gesundheitszustand des US-Präsidenten ihn für dieses Amt überforderte, hielt die Demokratische Partei und die Regierungsentourage am Präsidenten fest. Mit der Debatte fiel die Kulisse des potemkinschen Dorfes zusammen.

Kurz danach erfolgte der Mordanschlag auf Trump, welcher nur dank dem zufälligen Drehen seines Kopfes dem Tod entging und einen Streifschuss am Ohr erlitt. Wie sich Donald Trump danach wieder aufrichtete und zum Kampf aufrief, hat viele Bürger beeindruckt. Bis anhin war Trump nicht bekannt als staatsmännisch, charakterlich integer oder ausgeglichen, aber seine kämpferische Natur ist beeindruckend, und für viele Amerikaner ist dies eine wichtige Führungsqualität.

Der Mann wurde seit acht Jahren nicht nur heftig kritisiert – manchmal zu Recht, oft auch unfair – und er wurde von zahlreichen Medien rund um den Globus täglich dämonisiert, um ihn für eine weitere Präsidentschaft unmöglich zu machen. Er mag moralisch nicht integer sein, aber seine Gegner sind kaum besser.

Vizepräsidentin Kamala Harris wird vermutlich von den Demokraten als Kandidatin ins Rennen geschickt, aber sie wird es schwer haben, Trump zu schlagen. Sie war in ihrer Amtszeit als Vize kaum sichtbar, und ihre Auftritte waren oft skurril. Zuvor war sie vier Jahre Senatorin für Kalifornien und gemäss Rating eines der linksten Mitglieder der kleinen Kongresskammer. Die Kandidatur wird offiziell am Konvent der Demokratischen Partei vom 19. bis 22. August erkoren. Aber schon laufen Hinterzimmer-Absprachen, denn Biden ist nicht freiwillig zurückgetreten. Ob Kamala Harris, die profillose Vizepräsidentin, Kandidatin wird, ist wahrscheinlich, aber noch nicht gesichert.

Durch den verunglückten Mordanschlag hat Trump eine Aura des Unbesiegbaren erhalten. Aus aktueller Sicht ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass er die Wahlen gewinnen wird. Mit einem Präsidenten Trump werden diverse wichtige Veränderungen in der Welt eingeleitet – für die einen angenehme, für andere unangenehme.

Die Welt mit Präsident Trump

Die Finanzmärkte und auch die Politik werden sich schon jetzt mit den beiden Kandidaten befassen. Harris würde den Kurs von Obama und Biden voraussichtlich nahtlos fortsetzen. Deshalb müssen sich die Märkte heute mit Trump auseinandersetzen, weil sein Kurs grosse Veränderungen bringen würde. Da seine Wahlchancen als besser eingeschätzt werden, werden die Märkte beginnen, Trumps zukünftige Schritte zu antizipieren.

Was würde ein Präsident Trump für die Welt bedeuten? In seiner ersten Amtsperiode hat er gelernt, wie die Maschinerie in Washington läuft. Heute ist er nicht mehr das Greenhorn, das von seinen eigenen illoyalen Kabinettsmitgliedern und den Geheimdiensten und dem FBI ausgetrickst wurde. Er dürfte wacher sein und klarer führen.

In der Aussenpolitik will Trump keinen Krieg. Das ist eine gute Nachricht. Er wird den Krieg in der Ukraine relativ schnell beenden – die USA müssen nur einer neutralen Ukraine zustimmen. Das Nachsehen wird Europa haben. Die USA werden versuchen, so viele Kosten auf Europa zu überwälzen wie nur möglich. Das wird teuer!

Gegen seine Handelspartner wird Trump aggressiver werden. Die US-Konsumenten waren immer die wichtigsten Kunden für die globale Exportwirtschaft, sei es für China oder Europa. Trump wird verlangen, dass Fabriken mit Arbeitsplätzen in den USA geschaffen werden, anstatt Importe grossen Masses zuzulassen. Das würde Arbeitsplätze und Steuersubstrat von Europa und China in die USA verlagern. Zudem wird er mit Zöllen alle an die kurze Leine nehmen und schliesslich auch den Dollar abwerten wollen. Handelspolitisch wird Protektionismus als Waffe eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass die Grosse Depression der 1930er-Jahre nicht primär von fiskal- oder geldpolitischen Fehlern ausging, sondern von einem harten Handelsprotektionismus.

In der Innenpolitik wird er mit dem Woke-Unsinn aufhören und einen konservativeren Rahmen geben. Die Grenzübertritte von illegalen Einwanderern wird er unterbinden, aber legale Einwanderung zulassen. Was mit den vielen Millionen Illegalen in den USA geschieht, ist unklar, aber ich erwarte nicht, dass er diese deportieren wird, da dies für die Wirtschaft problematisch wäre. Recht und Ordnung wird er grundsätzlich wieder grossschreiben.

In der Wirtschaftspolitik wird er die Steuerraten auf dem aktuellen Niveau belassen und die vorgegebenen Erhöhungen von Biden rückgängig machen. Für allfällige Steuerausfälle sollen die Importzölle die Lücke füllen – sie betragen schon heute 100 Mrd. $, mehr als dreimal so viel wie vor zehn Jahren. «America First» wird als Programm voll durchgezogen. Darauf müssen sich alle, auch ausländische Marktteilnehmer, entsprechend einstellen.

Sein Plan dürfte nur teilweise aufgehen, und die Defizitwirtschaft mit rasanter Zunahme der Staatsverschuldung wird sich noch beschleunigen.

Folgen für die Finanzmärkte: höhere Inflation, höhere Zinsen

Die schlechte Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahrzehnte hat das potenzielle Wachstum der westlichen Welt inklusive den USA deutlich reduziert. Das wird Trump nicht ändern können, es sei denn, er beginnt eine grosse Deregulierung. Aber er wird versuchen, mit fiskalischen und protektionistischen Mitteln die Inlandkonjunktur über seine Legislatur auf einen guten Wachstumskurs zu bringen.

Konjunkturstimulierung und Protektionismus führen zu steigender Inflation und entsprechend zu höheren Zinsen, insbesondere für lange Laufzeiten. Falls er den Handelskonflikten mit einem schwächeren Dollar begegnen wird, dann treibt dies Preise für Rohstoffe und die Teuerung zusätzlich an.

Steigende Inflation, steigende Zinsen, steigende Rohstoffpreise sind nicht die ideale Kombination für Aktien. Aber es dürfte demzufolge über die nächsten Jahre einen Führungswechsel von Wachstumsaktien hin zu Value- und zyklischen Titeln geben. Den Dollar erwarte ich über die Dauer der Zeit tiefer, nicht weil die anderen Währungen besser sind, aber wenn alle Zentralbanken und die Bankensysteme der Welt mehr Neugeld schöpfen, dann gibt es ganz wesentlich mehr neue Dollars als andere Währungen, was den Kurs des Greenback drückt. In den G7-Staaten liegt heute die private Sparrate 3% tiefer als die zu finanzierenden Staatsdefizite, gemessen in Prozent des BIP. Deshalb wird ein grosser Teil der zukünftigen Defizite über die Notenpresse finanziert werden.

Gefährlicher Boom in privaten Märkten

Das Problem mit einem solchen Ausblick sind die Zinsen. Denn im Hintergrund und unbemerkt, weil es dafür keine verlässlichen Statistiken gibt, läuft seit einiger Zeit ein immenser Kreditboom in den intransparenten privaten Märkten. Die Banken haben in den letzten 18 Monaten primär Geld an Finanzgesellschaften ausgeliehen, und weniger in die Realwirtschaft. Diese privaten «Schattenbanken» haben im grossen Stil wieder Kredite vergeben gegen Portfolios, die wie in vergangenen Zyklen immer zu grosszügig bewertet werden. Schätzungen gehen von 2 Bio. $ oder mehr an neuen Krediten im System aus, das nicht in den Bankenstatistiken enthalten ist.

Jeder Kreditboom endet, wenn die Liquidität austrocknet. Sollten die Zinsen steigen, so fallen die Bewertungen dieser privaten Anlagen, gegen die das Geld aufgenommen wurde. Deshalb werden dann die Kreditgeber plötzlich zurückhaltender und verlängern ihre Kredite nicht mehr. Wenn das passiert, dann bricht nicht nur der Kreditboom in sich zusammen, sondern dann kommen die privaten wie auch die Publikumsmärkte unter Druck. Zwangsverkäufe werden dann folgen und eine Rezession wird ausgelöst.

Die wichtigste Grösse, die es in den nächsten Monaten zu verfolgen gilt, sind deshalb die Renditen von zehnjährigen US-Staatsanleihen. Die könnten steigen, selbst bei einer konjunkturellen Verlangsamung, weil das Finanzministerium in den letzten 18 Monaten alle Staatsschulden mit kurzfristigen Geldmarktpapieren (Bills) finanziert hat. Bis Ende Jahr kommt eine Welle an neuen US-Staatsanleihen in Höhe von rund 1 Bio. $ auf uns zu, weil aufgrund einer ausgeglichenen Laufzeitenstruktur der gesamten Staatsschuld grosse Beträge mit langen Laufzeiten am Markt aufgenommen werden müssen. Bleiben Sie wachsam und vergessen Sie Ihr Risikomanagement nicht!

Felix W. Zulauf

Felix W. Zulauf ist Gründer und Inhaber der Zulauf Consulting in Baar, die Beratung für Kunden weltweit anbietet. Seine Laufbahn führte ihn zunächst bei UBS in Zürich durch verschiedene Positionen, unter anderem als globaler Anlagestratege und Leiter des institutionellen Portfoliomanagements. Dazwischen dienten ihm Auslandeinsätze in New York und Paris zur Vertiefung der Fachkenntnisse globaler Finanzmärkte. 1990 gründete er Zulauf Asset Management, um seine Anlagephilosophie frei von konventionellen institutionellen Restriktionen umsetzen zu können.
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